KOMMENTAR

In der SRG finde man nur politische Leichtgewichte, meint ihr früherer Chef Armin Walpen – hat er recht?

Die SRG brauche einen viel besseren Kontakt zur Politik, sagt der vormalige Generaldirektor Armin Walpen. Er verschweigt, dass er das System selber aufbaute. Mit Absicht.

Francesco Benini 22.01.2024, 18.02 Uhr

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Damals Nationalrat, heute Medienminister: Albert Rösti 2019 in der «Arena», rechts Moderator Sandro Brotz.

Bild: SRF/Oscar Alessio

Es ist zurzeit nicht einfach, die Signale zu verstehen, welche die SRG aussendet. Generaldirektor Gilles Marchand und SRF-Direktorin Nathalie Wappler sind überzeugt, dass die 200-Franken-Initiative scheitern wird – und zwar auch ohne Gegenvorschlag.

Die beiden scheinen sicher, dass sich die Schweizer Bevölkerung ähnlich wie 2018 bei der No-Billag-Abstimmung deutlich für die SRG und eine unveränderte Haushaltabgabe aussprechen wird.

Wenn es keinen Grund zur Sorge gibt – warum zieht sich SRG-Chef Marchand nun zurück? Der Verwaltungsrat des Rundfunks will mit einem neuen Gesicht in den Abstimmungskampf ziehen. Einerseits fürchtet man die 200-Franken-Initiative nicht. Anderseits braucht es frisches Personal, um die Vorlage zu bekämpfen. Das sind widersprüchliche Zeichen.

Aus der Versenkung taucht nun Armin Walpen auf, Generaldirektor der SRG von 1996 bis 2010. In einem Interview mit dem «Sonntags-Blick» sagt er: Dem öffentlichen Medienunternehmen mangle es an politischer Vernetzung. Im Verwaltungsrat der SRG seien politische Leichtgewichte versammelt.

Walpens Analyse ist richtig. Was er aber nicht sagt: Dieses System hat er selber aufgebaut. In der Amtszeit Walpens wurden äusserst unauffällige vormalige politsche Amtsträger in die SRG-Gremien berufen. Sie stellten der Generaldirektion keine kritischen Fragen, sondern liessen ihr freie Hand.

Das war die Voraussetzung dafür, dass der Walliser den Ausbau der SRG vorantreiben konnte. Ein neuer Sender nach dem anderen wurde gegründet. Wenn private elektronische Medien mit einem neuen Projekt auffielen, kopierte die SRG es umgehend und warb auch noch das Personal mit höheren Löhnen ab.

Unter Armin Walpen meldete die SRG dem zuständigen Departement regelmässig ihren «Finanzbedarf» an. Die umfangreichem Dossiers kamen jeweils zum Schluss, dass Radio und Fernsehen mehr Geld brauchten. Das Departement strich einige wenige Anträge aus dem Papier, bewilligte aber eine Aufstockung der Mittel.

So wuchs und wuchs die SRG – und mit ihr die Empfangsgebühr, bis sie den hohen Betrag von 462 Franken erreichte. Armin Walpen fiel derweil damit auf, dass er einen privat genutzten Porsche Cayenne zu einem schönen Teil dem Unternehmen belastete – was dem Generaldirektor den Rufnamen «Porsche-Armin» eintrug.

Moderate Gebührensenkung löst Protestgeheul aus

Es ist ein Problem der SRG, dass sie aus dieser Anspruchshaltung nicht herausgefunden hat. Wir erbringen eine Informationsleistung in allen Landesteilen, und die Politik soll dazu schauen, dass die Gebühren üppig fliessen – diese Kultur prägt das öffentliche Medienhaus bis zum heutigen Tag.

Wie anders ist es zu erklären, dass sowohl Gilles Marchand als auch Nathalie Wappler den Teufel an die Wand malen, wenn Medienminister Albert Rösti (SVP) eine moderate Senkung der Haushaltabgabe von 335 auf 300 Franken in die Vernehmlassung gibt?

Röstis Vorschlag soll die 200-Franken-Initianten schwächen. Und der SRG wird viel Zeit für die Anpassung eingeräumt: Der tiefere Betrag von 300 Franken gälte erst ab 2029. Würde man der Leitung eines privaten Unternehmens mitteilen: Ihr müsst Einsparungen vornehmen, und zwar bis in fünf Jahren – es bräche Heiterkeit aus.

Die SRG-Verantwortlichen sehen aber nicht nur die Zukunft des ganzen Betriebs gefährdet, auch der Zusammenhalt des Landes steht auf dem Spiel. Es fehlt an Bewusstsein für die eigene Privilegierung. Es fehlt am Willen, haushälterisch mit den Mitteln umzugehen. Nathalie Wappler kündigte einen Stellenabbau an, dann sistierte sie ihn. Die SRG ist stark darin, ihre Betätigungen auszuweiten. Strukturen zu verschlanken, schafft sie hingegen nicht.

Es trifft zu: Der Rundfunk braucht Personen, die in Bundesbern ein effizientes Lobbying aufziehen können. Nötig ist aber auch eine weniger grossspurige Haltung.

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Die beiden scheinen sicher, dass sich die Schweizer Bevölkerung ähnlich wie 2018 bei der No-Billag-Abstimmung deutlich für die SRG und eine unveränderte Haushaltabgabe aussprechen wird.

Wenn es keinen Grund zur Sorge gibt – warum zieht sich SRG-Chef Marchand nun zurück? Der Verwaltungsrat des Rundfunks will mit einem neuen Gesicht in den Abstimmungskampf ziehen. Einerseits fürchtet man die 200-Franken-Initiative nicht. Anderseits braucht es frisches Personal, um die Vorlage zu bekämpfen. Das sind widersprüchliche Zeichen.

Aus der Versenkung taucht nun Armin Walpen auf, Generaldirektor der SRG von 1996 bis 2010. In einem Interview mit dem «Sonntags-Blick» sagt er: Dem öffentlichen Medienunternehmen mangle es an politischer Vernetzung. Im Verwaltungsrat der SRG seien politische Leichtgewichte versammelt.

Walpens Analyse ist richtig. Was er aber nicht sagt: Dieses System hat er selber aufgebaut. In der Amtszeit Walpens wurden äusserst unauffällige vormalige politsche Amtsträger in die SRG-Gremien berufen. Sie stellten der Generaldirektion keine kritischen Fragen, sondern liessen ihr freie Hand.

Das war die Voraussetzung dafür, dass der Walliser den Ausbau der SRG vorantreiben konnte. Ein neuer Sender nach dem anderen wurde gegründet. Wenn private elektronische Medien mit einem neuen Projekt auffielen, kopierte die SRG es umgehend und warb auch noch das Personal mit höheren Löhnen ab.

Unter Armin Walpen meldete die SRG dem zuständigen Departement regelmässig ihren «Finanzbedarf» an. Die umfangreichem Dossiers kamen jeweils zum Schluss, dass Radio und Fernsehen mehr Geld brauchten. Das Departement strich einige wenige Anträge aus dem Papier, bewilligte aber eine Aufstockung der Mittel.

So wuchs und wuchs die SRG – und mit ihr die Empfangsgebühr, bis sie den hohen Betrag von 462 Franken erreichte. Armin Walpen fiel derweil damit auf, dass er einen privat genutzten Porsche Cayenne zu einem schönen Teil dem Unternehmen belastete – was dem Generaldirektor den Rufnamen «Porsche-Armin» eintrug.

Es ist ein Problem der SRG, dass sie aus dieser Anspruchshaltung nicht herausgefunden hat. Wir erbringen eine Informationsleistung in allen Landesteilen, und die Politik soll dazu schauen, dass die Gebühren üppig fliessen – diese Kultur prägt das öffentliche Medienhaus bis zum heutigen Tag.

Wie anders ist es zu erklären, dass sowohl Gilles Marchand als auch Nathalie Wappler den Teufel an die Wand malen, wenn Medienminister Albert Rösti (SVP) eine moderate Senkung der Haushaltabgabe von 335 auf 300 Franken in die Vernehmlassung gibt?

Röstis Vorschlag soll die 200-Franken-Initianten schwächen. Und der SRG wird viel Zeit für die Anpassung eingeräumt: Der tiefere Betrag von 300 Franken gälte erst ab 2029. Würde man der Leitung eines privaten Unternehmens mitteilen: Ihr müsst Einsparungen vornehmen, und zwar bis in fünf Jahren – es bräche Heiterkeit aus.

Die SRG-Verantwortlichen sehen aber nicht nur die Zukunft des ganzen Betriebs gefährdet, auch der Zusammenhalt des Landes steht auf dem Spiel. Es fehlt an Bewusstsein für die eigene Privilegierung. Es fehlt am Willen, haushälterisch mit den Mitteln umzugehen. Nathalie Wappler kündigte einen Stellenabbau an, dann sistierte sie ihn. Die SRG ist stark darin, ihre Betätigungen auszuweiten. Strukturen zu verschlanken, schafft sie hingegen nicht.

Es trifft zu: Der Rundfunk braucht Personen, die in Bundesbern ein effizientes Lobbying aufziehen können. Nötig ist aber auch eine weniger grossspurige Haltung.

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22.01.2024

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In der SRG finde man nur politische Leichtgewichte, meint ihr früherer Chef Armin Walpen – hat er recht?

Die SRG brauche einen viel besseren Kontakt zur Politik, sagt der vormalige Generaldirektor Armin Walpen. Er verschweigt, dass er das System selber aufbaute. Mit Absicht.

Francesco Benini 22.01.2024, 18.02 Uhr

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Damals Nationalrat, heute Medienminister: Albert Rösti 2019 in der «Arena», rechts Moderator Sandro Brotz.

Bild: SRF/Oscar Alessio

Es ist zurzeit nicht einfach, die Signale zu verstehen, welche die SRG aussendet. Generaldirektor Gilles Marchand und SRF-Direktorin Nathalie Wappler sind überzeugt, dass die 200-Franken-Initiative scheitern wird – und zwar auch ohne Gegenvorschlag.

Die beiden scheinen sicher, dass sich die Schweizer Bevölkerung ähnlich wie 2018 bei der No-Billag-Abstimmung deutlich für die SRG und eine unveränderte Haushaltabgabe aussprechen wird.

Wenn es keinen Grund zur Sorge gibt – warum zieht sich SRG-Chef Marchand nun zurück? Der Verwaltungsrat des Rundfunks will mit einem neuen Gesicht in den Abstimmungskampf ziehen. Einerseits fürchtet man die 200-Franken-Initiative nicht. Anderseits braucht es frisches Personal, um die Vorlage zu bekämpfen. Das sind widersprüchliche Zeichen.

Aus der Versenkung taucht nun Armin Walpen auf, Generaldirektor der SRG von 1996 bis 2010. In einem Interview mit dem «Sonntags-Blick» sagt er: Dem öffentlichen Medienunternehmen mangle es an politischer Vernetzung. Im Verwaltungsrat der SRG seien politische Leichtgewichte versammelt.

Walpens Analyse ist richtig. Was er aber nicht sagt: Dieses System hat er selber aufgebaut. In der Amtszeit Walpens wurden äusserst unauffällige vormalige politsche Amtsträger in die SRG-Gremien berufen. Sie stellten der Generaldirektion keine kritischen Fragen, sondern liessen ihr freie Hand.

Das war die Voraussetzung dafür, dass der Walliser den Ausbau der SRG vorantreiben konnte. Ein neuer Sender nach dem anderen wurde gegründet. Wenn private elektronische Medien mit einem neuen Projekt auffielen, kopierte die SRG es umgehend und warb auch noch das Personal mit höheren Löhnen ab.

Unter Armin Walpen........

© Basellandschaftliche Zeitung


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