Abhör-Debakel, Streit mit Frankreich und die peinliche Inszenierung als Friedenskanzler – nach dieser Woche deutscher Außenpolitik freut sich nur einer – Wladimir Putin.

Nein, niemand sollte jetzt über Putins Stöckchen springen und den Kanzler vorschnell bezichtigen, die Unwahrheit gesagt zu haben. Sicher, nach der Veröffentlichung einer von den Russen abgehörten und offensichtlich authentischen Unterhaltung mehrerer hochrangiger Bundeswehr-Militärs sieht es so aus, als habe der Kanzler die Faktenlage nicht ganz richtig beschrieben, als er vergangene Woche behauptete, er wolle den Marschflugkörper Taurus deshalb nicht in die Ukraine schicken, weil Soldaten der Bundewehr zu dessen Bedienung unabdingbar seien. Doch hinter Scholz Worten können auch ganz andere Erwägungen stecken, zum Beispiel die, dass der Kanzler der Zusage der Ukrainer – warum auch immer – schlicht nicht traut, sie würden das gefährliche Gerät nicht auf Ziele in Russland selbst abfeuern. Und daher auf Kontrolle besteht.

Man braucht Putins jüngsten Propaganda-Coup aber auch gar nicht bemühen, um festzustellen, dass die jüngsten Tage schlimme Tage für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik waren. Denn der Kanzler irrlichtert nicht nur bei der Taurus-Frage. Nein, seine Partei, die SPD, scheint nun auch noch Gefallen daran gefunden zu haben, den offenen Widerspruch mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, ob man Bodentruppen in die Ukraine schicken solle, dazu zu nutzen, Olaf Scholz als eine Art Friedensfürsten ins Szene zu setzen: Als Kanzler, der die Angst vor einem Krieg mit Russland ernst nimmt und entsprechend bedächtig handelt, als neuen Gerhard Schröder also, der 2002 der von den USA angeführten Koalition der Willigen im zweiten Golfkrieg aus guten Gründen fernblieb – und wohl auch aus diesem Grund die anstehende Bundestagswahl noch einmal knapp gewann.

Doch die Ukraine im Jahr 2024 ist nicht der Irak 2002. Heute geht es nicht um die Unterstützung einer völkerrechtlich fragwürdigen Invasion unter dem windigen Deckmäntelchen, einem skrupellosen Diktator Massenvernichtungswaffen zu entreißen. Heute geht es um lebenswichtige Unterstützung für ein Land, das Putin von der Landkarte wischen will, ein Land, das auch unsere Sicherheit verteidigt. Die Verzweiflung mancher Sozialdemokraten muss schon ganz schön groß sein, wenn sie mit der Anspielung auf Schröders richtige Entscheidung 2002 und 2003 jetzt aus Scholzens bestenfalls undurchsichtiges Lavieren zwanzig Jahre später ein paar Prozentpunkte für ihre gerupfte Partei herausquetschen wollen.

Um es klar zu sagen: das soll kein Plädoyer dafür sein, über die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine nachzudenken. Anders als Macron stellt diese Forderung in Deutschland auch niemand auf. Wenn Scholz aber nun so tut als würde er das, was hier niemand will, verhindern, dann bedient er ein altbekanntes Spielmuster des Populismus. Und das ist der Lage nun wirklich nicht angemessen.

Was es jetzt braucht, gerade weil die USA als Hilfe für die Ukraine erstmal auszufallen scheinen, ist ein Schulterschluss der Europäer und kein vorzeitiger Aufgalopp in den Wahlkampf. Deutschland und Frankreich müssen gemeinsam die Unterstützung für die Ukraine, finanziell, aber auch militärisch, auf sichere Beine stellen. Dazu bräuchte es freilich einen französischen Präsidenten, der sich weniger auf das Produzieren von Schlagzeilen kapriziert, sondern, der verlässlich Hilfe bereitstellt (im Vergleich zu Deutschland fällt die französische Unterstützung der Ukraine eher überschaubar aus). Und, ja, es bräuchte – endlich – einen Bundeskanzler, der einmal klar sagt, was er wirklich meint und wie er sich die weitere Unterstützung für die kriegsgeplagte Ukraine langfristig realistisch vorstellt.

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QOSHE - Scholz zaudert – aber der Ukrainekrieg ist nicht mit dem Irakkrieg vergleichbar - Peter Müller
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Scholz zaudert – aber der Ukrainekrieg ist nicht mit dem Irakkrieg vergleichbar

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03.03.2024

Abhör-Debakel, Streit mit Frankreich und die peinliche Inszenierung als Friedenskanzler – nach dieser Woche deutscher Außenpolitik freut sich nur einer – Wladimir Putin.

Nein, niemand sollte jetzt über Putins Stöckchen springen und den Kanzler vorschnell bezichtigen, die Unwahrheit gesagt zu haben. Sicher, nach der Veröffentlichung einer von den Russen abgehörten und offensichtlich authentischen Unterhaltung mehrerer hochrangiger Bundeswehr-Militärs sieht es so aus, als habe der Kanzler die Faktenlage nicht ganz richtig beschrieben, als er vergangene Woche behauptete, er wolle den Marschflugkörper Taurus deshalb nicht in die Ukraine schicken, weil Soldaten der Bundewehr zu dessen Bedienung unabdingbar seien. Doch hinter Scholz Worten können auch ganz andere Erwägungen stecken, zum Beispiel die, dass der Kanzler der Zusage der Ukrainer – warum auch immer – schlicht nicht traut, sie würden das gefährliche Gerät nicht auf Ziele in Russland selbst abfeuern. Und daher auf Kontrolle besteht.........

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