Das Treffen von Dasing zeigt, wie tief rechtsextremes Gedankengut in unserer Gesellschaft wurzelt. Höchste Zeit, dass die Bürger dagegen auf die Straße gehen.

Als ob es noch einer Mahnung bedurft hätte – die Nachricht, dass sich Landtagsabgeordnete der AfD mit dem Kopf der rechtextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, in Dasing trafen, macht einmal mehr deutlich, dass die Umvolkungsfantasien von Rechtsaußen nicht irgendwo in weiter Entfernung gedeihen. Im Gegenteil: bereits zwei Wochen vor dem Treffen im Potsdamer Herrenhaus, dessen Enthüllung Hundertausende in ganz Deutschland auf die Straßen brachte, standen „Re-Migration“ und Überfremdung beim Dasinger Bäckerwirt auf der Tagesordnung – gerade mal 15 Kilometer von Augsburg entfernt.

Und wem die Berichte von den klandestinen Treffs der Rechtsextremen nicht reichen, der kann sich in aller Öffentlichkeit davon überzeugen, welche Geisteshaltung in der AfD vorherrscht. Nur kurz nachdem der ehemalige Sportreporter Marcel Reif vergangene Woche im Bundestag in bewegenden Worten an das Schicksal seiner Familie im Holocaust erinnerte („Sei ein Mensch“), hielt AfD-Chefin Alice Weidel eine Rede, die vor Verachtung für demokratische Parteien nur so strotzte. Nein, es gibt keinen Zweifel mehr, welche Art Partei die AfD ist: Demokratieverachtend an der Oberfläche und tief im Inneren, zumindest in mehreren Landesverbänden, schlicht verfassungsfeindlich.

Es ist daher gut und richtig, wenn am Wochenende Menschen überall auf die Straße gehen, um gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu protestieren – von Augsburg bis Kempten, von Nördlingen bis Immenstadt. Die Zivilgesellschaft, Politik, Unternehmen, Sportvereine, vor allem Tausende Bürgerinnen und Bürger, sie alle setzen damit ein ebenso eindrucksvolles wie eindeutiges Zeichen: Es reicht! Allen Unwägbarkeiten zu Beginn des Jahres 2024 zum Trotz, von der schwierigen wirtschaftlichen Lage bis zu Putins Krieg in der Ukraine und der drohenden Rückkehr Trumps ins Weiße Haus – die Menschen zeigen deutlich, was diese Gesellschaft eint: das Einstehen für Miteinander und Menschlichkeit, für Demokratie und die Werte unseres Grundgesetzes.

Doch die Bürger können die Demokratie nicht allein verteidigen. Das Aufbegehren der Zivilgesellschaft entlässt die Politik nicht aus der Verantwortung. So begrüßenswert der Aufstand der Anständigen ist – ob die Demonstrationen allein den Höhenflug der AfD nachhaltig stoppen, ist noch völlig unklar. Auch wenn inzwischen wirklich jeder wissen muss, wen er wählt, wenn er der AfD seine Stimme gibt – alle demokratischen Parteien bleiben aufgerufen, sich um diejenigen Wähler zu kümmern, die sich aus Frust von der Berliner Politik abwenden, aber sonst mit einem dumpfen Nationalismus wenig anfangen können.

Die Ampel-Regierung sollte die Einigung auf den Haushalt 2024 daher für einen überfälligen Neustart nutzen. Immerhin, erste Anzeichen dafür gibt es. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil etwa kümmert sich mit seinem Rentenpaket endlich um die Sorge von Millionen Menschen vor bröckelnden Altersbezügen. Und auch in das dornige Thema Migration kommt Bewegung. Sicher, die Einigung, Migranten statt Bargeld künftig Bezahlkarten auszuhändigen, wird die Anziehungskraft eines reichen Landes wie Deutschland kaum schmälern. Trotzdem ist es ein gutes Zeichen, wenn die Länder endlich einen Kompromiss finden.

„Nie wieder“, so sagte es Ex-Sportreporter Reif im Bundestag, sei mitnichten ein Appell. „Nie wieder“ muss sein: gelebte, unverrückbare Wirklichkeit.“ Die Bürgerinnen und Bürger setzen am Wochenende ein Zeichen ganz in diesem Sinne. Die Arbeit der Politik aber, die beginnt erst.

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Es reicht! Der Kampf gegen Rechtsextremisten ist harte Arbeit

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02.02.2024

Das Treffen von Dasing zeigt, wie tief rechtsextremes Gedankengut in unserer Gesellschaft wurzelt. Höchste Zeit, dass die Bürger dagegen auf die Straße gehen.

Als ob es noch einer Mahnung bedurft hätte – die Nachricht, dass sich Landtagsabgeordnete der AfD mit dem Kopf der rechtextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, in Dasing trafen, macht einmal mehr deutlich, dass die Umvolkungsfantasien von Rechtsaußen nicht irgendwo in weiter Entfernung gedeihen. Im Gegenteil: bereits zwei Wochen vor dem Treffen im Potsdamer Herrenhaus, dessen Enthüllung Hundertausende in ganz Deutschland auf die Straßen brachte, standen „Re-Migration“ und Überfremdung beim Dasinger Bäckerwirt auf der Tagesordnung – gerade mal 15 Kilometer von Augsburg entfernt.

Und wem die Berichte von den klandestinen Treffs der Rechtsextremen nicht reichen, der kann sich in aller Öffentlichkeit davon überzeugen, welche Geisteshaltung in der AfD vorherrscht. Nur kurz nachdem der ehemalige Sportreporter Marcel Reif vergangene Woche im Bundestag in bewegenden Worten an das Schicksal seiner Familie im Holocaust erinnerte („Sei ein Mensch“), hielt AfD-Chefin........

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