Zwischen Freien Wählern und CSU knirscht es schon wieder vernehmlich. Doch der Wähler ist grausam. Er hat die beiden zusammengespannt, ohne echte Alternativen.

Stünden Markus Söder und Hubert Aiwanger gemeinsam an der Spitze eines großen Unternehmens, wohlmeinende Ratgeber würden wahrscheinlich einem von beiden empfehlen, sich ein neues Betätigungsfeld zu suchen, weil das für alle Beteiligten das Beste wäre. Der berechnende Söder und der schwer berechenbare Aiwanger misstrauen einander gründlich, das Verhältnis ist – gelinde gesagt – schwierig. Doch Politik ist nicht Wirtschaft und der Wähler ist grausam. Er hat dieses Duo wieder zusammengespannt.

Ernsthafte Alternativen boten sich nach den Ergebnissen vom 8. Oktober und den Aussagen zuvor im Grunde nicht. Der Auftakt der Koalitionsverhandlungen glich mehr einer Paartherapie, und schon wenige Wochen später knirscht es zwischen den beiden Partnern vernehmlich. Anlass ist die Europawahl im kommenden Sommer. Aiwanger wirft der CSU "Wählertäuschung" vor, die wiederum hält den Freien vor, sie habe zu wenig Bayern auf der Kandidatenliste. Einig ist man sich nur, wenn es gegen die Bundesregierung geht. Nach der Wahl ist vor der Wahl und Söder wie Aiwanger scheinen im Dauerwahlkampf-Modus gefangen.

Die Ampel in Berlin leidet an der Gegensätzlichkeit ihrer Partner, in München ist es andersherum. CSU und Freie Wähler unterscheiden sich inhaltlich nicht groß und sprechen die gleichen Wählerschichten an. Das führt zu einem Konkurrenzkampf, in dem die CSU ungleich mehr zu verlieren hat. Posten, Macht und Einfluss auf europäischer und deutscher Ebene fußen auf der bayerischen Basis und werden zwangsläufig schwinden, je stärker sich die Freien Wähler etablieren. Hinzu kommt die AfD, die sich ganz am rechten Rand tummelt und darüber hinaus. Für die CSU, den größten Hecht im konservativen Karpfenteich, wird es eng. Meinungsforscher prophezeien für Deutschland "niederländische Verhältnisse" mit mehreren mittelgroßen Parteien, was bedeutet: Der Trend ist gegen Söder und die Seinen.

Spannend wird deshalb die Regierungserklärung von Ministerpräsident Söder am Dienstag. Wie sehr nutzt er sie für weitere bundespolitische Attacken in Richtung Berlin, werden weitere Risse im Bündnis mit den Freien Wählern sichtbar? Vor allem aber: Was hat Söder mit seiner Staatsregierung in Bayern vor? Große Herausforderungen gibt es viele. Es fehlen Wohnungen und die Wirtschaft stagniert, die Kommunen benötigen Hilfe in der Flüchtlingsfrage und über allem steht die Sorge um die Stabilität der Demokratie. Mit Blick auf die Ergebnisse der AfD hat Landtagspräsidentin Ilse Aigner die Landtagswahlen jüngst als "Weckruf" bezeichnet. Nun müsse man hoffen, so Aigner weiter, "dass die Europawahl nicht zur Schicksalswahl wird".

Man muss die Analyse der Parlamentspräsidentin nicht in dieser Dramatik teilen. Unzweifelhaft aber ist in diesem Land etwas ins Rutschen gekommen. Hasskommentare im Internet, Attacken auf ehrenamtliche Helfer oder zuletzt antisemitische Straftaten: Der gesellschaftliche Konsens, der Zusammenhalt im Land wird schwächer. Erklärungen dafür gibt es viele. Man darf erwarten, dass Söder für diese schwierige Lage die passenden Worte findet. Damit daraus Taten werden, braucht es aber ein Regierungsbündnis, das seinen inneren Fliehkräften widersteht und Zusammenhalt vormacht, anstatt den Zwist zu befeuern.

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Söder und Aiwanger müssen miteinander können – ob sie nun wollen oder nicht

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05.12.2023

Zwischen Freien Wählern und CSU knirscht es schon wieder vernehmlich. Doch der Wähler ist grausam. Er hat die beiden zusammengespannt, ohne echte Alternativen.

Stünden Markus Söder und Hubert Aiwanger gemeinsam an der Spitze eines großen Unternehmens, wohlmeinende Ratgeber würden wahrscheinlich einem von beiden empfehlen, sich ein neues Betätigungsfeld zu suchen, weil das für alle Beteiligten das Beste wäre. Der berechnende Söder und der schwer berechenbare Aiwanger misstrauen einander gründlich, das Verhältnis ist – gelinde gesagt – schwierig. Doch Politik ist nicht Wirtschaft und der Wähler ist grausam. Er hat dieses Duo wieder zusammengespannt.

Ernsthafte Alternativen boten sich nach den Ergebnissen vom 8. Oktober und den Aussagen zuvor im Grunde nicht. Der Auftakt der Koalitionsverhandlungen glich mehr einer Paartherapie, und schon wenige Wochen später knirscht es zwischen den beiden Partnern vernehmlich. Anlass........

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