Wieder zeigt eine Studie, dass es in Bayern zu wenige Kita-Plätze gibt. Dass der Freistaat so schlecht abschneidet zeigt: Die Belange von Eltern, Erzieherinnen und Kindern sind zu lange untergegangen.

Auf Instagram – einem sozialen Netzwerk, das in der Altersgruppe von Kita-Kind-Eltern weitverbreitet ist – wirbt das bayerische Familienministerium mit folgenden Worten für sich: "Sie wollen wissen, wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingt? Dann folgen Sie uns." Und ja, es wäre wünschenswert, wenn Eltern dort Antworten fänden. Doch die aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zu frühkindlicher Bildung in Bayern lässt daran zweifeln, dass die Staatsregierung welche hat.

In der Untersuchung geht es unter anderem darum, wie viele Kita-Plätze es in Bayern momentan mehr geben müsste, um den Bedarf von Eltern zu decken. Das Ergebnis: Es fehlen 70.100 Kitaplätze. Im gesamten Bundesgebiet gibt es 430.000 Plätze zu wenig. Das heißt: Bundesweit fehlt jeder sechste Platz in Bayern. Überraschend ist das Ergebnis nicht. Seit Jahren kommt die Bertelsmann-Stiftung in ihrem Monitor zu einem ähnlichen Ergebnis.

Wird die Staatsregierung mit dieser Kritik konfrontiert, sagt sie gern, dass sie in den vergangenen zehn Jahren ja schon viele Kita-Plätze geschaffen habe. Das stimmt, im Zehn-Jahres-Vergleich ist die Zahl wirklich gestiegen. In einem Zeugnis stünde wohl: Sie hat sich stets bemüht. Aber es entsteht der Eindruck, das bayerische Familienministerium ruhe sich auf den Bemühungen aus, statt mit voller Kraft und auf allen Kanälen Erzieherinnen und Fachpersonal für Kitas zu gewinnen. Oder jenen, die schon in Einrichtungen arbeiten, zu halten, ihnen die Arbeit angenehmer zu machen. Die Folgen spüren Eltern (Kürzungen der Öffnungszeiten und Gruppenschließungen) und Kita-Personal (Überlastung).

Das Zeugnis der Bertelsmann-Stiftung steht in einem krassen Gegensatz zu dem, was Bayern gern von sich behauptet, nämlich Familienland zu sein. Und ein herausragender Wirtschaftsstandort. Während die bayerische Politik und Wirtschaft laut über den Fachkräftemangel klagen, scheinen sie nicht den Zusammenhang herzustellen zwischen fehlender Betreuung und fehlenden Fachkräften. Dabei liegen alle Zahlen auf dem Tisch: Für 62 Prozent der Mütter ist die Kinderbetreuung der Hauptgrund in Teilzeit zu arbeiten. Dasselbe trifft nur auf 30 Prozent der Väter zu – und die arbeiten ja eh schon seltener in Teilzeit. Die Folge bessere Betreuung, mehr und länger arbeitende Fachkräfte liegt eigentlich nahe.

Und dann steht in dem Bericht der Bertelsmann-Stiftung noch ein weiterer bedenklicher Satz. Die Staatsregierung scheitert nämlich nicht nur daran, den Betreuungsbedarf der bayerischen Eltern zu decken, auch die Qualität der Betreuung wird von den Wissenschaftlerinnen bemängelt: "Es ist davon auszugehen, dass die Kitas in Bayern aktuell ihren Bildungsauftrag für die Mehrheit der Kinder nicht erfüllen können“, heißt es. Denn in bayerischen Kitas sind Erzieherinnen für viel zu viele Kinder zuständig, um sie noch bedarfsgerecht fördern zu können. Auch das liegt am drastischen Personalmangel in Kitas. An der fehlenden Anerkennung der Erzieherinnen.

Dass die Kitas und auch die Eltern auf dieses Problem zulaufen, ist seit langem klar. Aber in einem Bundesland, das immer noch am "die-Mutter-kümmert-sich-daheim-um-die-Erziehung"-Bild festhält, hat das Problem viel zu lange offenbar niemand als drängend eingestuft. Die Nöte der Eltern – und hier vor allem der Mütter – und des Kita-Personals wurden offenbar nicht ernst genug genommen. Jetzt ist es höchste Zeit, daran was zu ändern – eigentlich schon fast zu spät. Vielleicht lohnt es sich also doch, dem Familienministerium zu folgen. Und die Antworten einzufordern.

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70.000 Kita-Plätze fehlen: Staatsregierung lässt Eltern und Kita-Personal im Stich

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28.11.2023

Wieder zeigt eine Studie, dass es in Bayern zu wenige Kita-Plätze gibt. Dass der Freistaat so schlecht abschneidet zeigt: Die Belange von Eltern, Erzieherinnen und Kindern sind zu lange untergegangen.

Auf Instagram – einem sozialen Netzwerk, das in der Altersgruppe von Kita-Kind-Eltern weitverbreitet ist – wirbt das bayerische Familienministerium mit folgenden Worten für sich: "Sie wollen wissen, wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelingt? Dann folgen Sie uns." Und ja, es wäre wünschenswert, wenn Eltern dort Antworten fänden. Doch die aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zu frühkindlicher Bildung in Bayern lässt daran zweifeln, dass die Staatsregierung welche hat.

In der Untersuchung geht es unter anderem darum, wie viele Kita-Plätze es in Bayern momentan mehr geben müsste, um den Bedarf von Eltern zu decken. Das Ergebnis: Es fehlen 70.100 Kitaplätze. Im gesamten Bundesgebiet gibt es 430.000 Plätze zu wenig. Das heißt: Bundesweit fehlt jeder sechste Platz in Bayern. Überraschend ist das Ergebnis........

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