München - Die Stimmung bei Steffen Marx ist nicht gut. "Das ist schon der Hammer. Jetzt müssen wir uns was überlegen", sagt der Chef des Giesinger Bräu. "Wir können ja nicht irgendwann 40 Euro für einen Schweinsbraten verlangen", sagt er der AZ an diesem Freitag, einen Tag nachdem die Ampel-Koalition eine für Wirte bittere Entscheidung getroffen hat.

Nach Angaben der Chefhaushälter hat sich die Koalition aus SPD, Grünen und FDP darauf verständigt, die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie ab dem 1. Januar wieder auf 19 Prozent anzuheben. Zur Unterstützung der Gastronomie während der Corona-Pandemie wurde sie vorübergehend auf sieben Prozent gesenkt. Monatelang kämpften der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga und viele Wirte dafür, dass das nicht passiert und für eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen.

Giesinger-Bräu-Wirt Marx hatte vor ein paar Wochen mit einer doppelten Karte bereits für Aufregung gesorgt; zwei Preise sind darauf abgebildet. Einmal mit sieben und einmal mit 19 Prozent Mehrwertsteuer. So kosten Käsespätzle einmal 15,90 Euro und 17,70 Euro.

Für die kommende Erhöhung der Mehrwertsteuer wird Marx die Preise der Doppel-Karte aber nicht eins zu eins übernehmen. "Wir überarbeiten die Karte, schauen, ob wir mehr einfachere Gerichte dazunehmen, die erschwinglicher sind."

Auf die Frage, ob man die höhere Mehrwertsteuer durch den Endpreis an den Kunden weitergeben könne, antwortet der Wirt mit einer Gegenfrage: "Wo sollen wir's den sonst drauf schlagen? Von uns macht sich keiner die Taschen voll."

Um seine Existenz fürchtet Marx nicht, aber Kollegen von ihm könnte es hart treffen, warnt der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. "Diese Steuererhöhung auf Speisen ist ein fataler Irrweg, es wird in der Gastronomie zu Betriebsschließungen, steigenden Preisen, sinkenden Umsätzen und einem enormen Verlust an Arbeitsplätzen und Lebensqualität führen, gerade auch in ländlichen Regionen", warnt Dehoga-Präsidentin Angela Inselkammer.

Eine solche Entscheidung richte sich gegen Hunderttausende familiengeführte klein- und mittelständische Unternehmen, gegen Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie gegen Abermillionen Gäste.

Auch Gregor Lemke, Sprecher der Münchner Innenstadtwirte, erklärt warum die Mehrwertsteuer auf den Gast übertragen werden wird: "In den letzten Jahren hatten wir Lohnsteigerungen von bis zu 40 Prozent, die Einkaufspreise steigen stetig, obendrauf kommen die Energiekrise und schließlich der gestiegene Mindestlohn. Das führt dazu, dass wir die Preise weitergeben müssen."

Persönlich deprimiert sei er über die Erhöhung, seinen Wirtskollegen gehe es ähnlich. "In den kommenden ein bis drei Jahren werden wir eine Schließorgie erleben. Dagegen war Corona Kindergeburtstag."

Andreas Vollath betreibt das Café Vollaths in der Thalkirchner Straße. Er hatte der AZ schon vor einem Vierteljahr ganz genau vorgerechnet, welche Preiserhöhungen im Fall einer Mehrwertsteuererhöhung auf seine Gäste zukommen würden.

Am Freitag sagt er: "Ich habe noch nie so eine Angst vor der Zukunft gehabt wie jetzt." Dabei gehe es ihm weniger um sein Lokal als um die Gäste. Er möchte auch weiterhin Gastgeber für alle Bevölkerungsschichten bleiben.

"Aber wenn ein Latte Macchiato fünf Euro kostet: Wer kann sich das dann noch leisten?" Soviel muss er mit der gestiegenen Mehrwertsteuer verlangen, sagt er. Für sein Lokal macht die Erhöhung von sieben auf 19 Prozent einen vierstelligen Betrag mehr aus, den er an Steuern ans Finanzamt zahlen muss.

Seit letztem Jahr kämpfen Wirte mit gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen und Lohnkosten. Einen Teil davon konnten sie mit der reduzierten Mehrwertsteuer auffangen. Damit ist ab Januar Schluss. Essen gehen wird wohl Luxus.

QOSHE - Preise steigen: Essen gehen in München wird Luxus – Wirte verzweifeln - Ruth Frã¶Mmer
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Preise steigen: Essen gehen in München wird Luxus – Wirte verzweifeln

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18.11.2023

München - Die Stimmung bei Steffen Marx ist nicht gut. "Das ist schon der Hammer. Jetzt müssen wir uns was überlegen", sagt der Chef des Giesinger Bräu. "Wir können ja nicht irgendwann 40 Euro für einen Schweinsbraten verlangen", sagt er der AZ an diesem Freitag, einen Tag nachdem die Ampel-Koalition eine für Wirte bittere Entscheidung getroffen hat.

Nach Angaben der Chefhaushälter hat sich die Koalition aus SPD, Grünen und FDP darauf verständigt, die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie ab dem 1. Januar wieder auf 19 Prozent anzuheben. Zur Unterstützung der Gastronomie während der Corona-Pandemie wurde sie vorübergehend auf sieben Prozent gesenkt. Monatelang kämpften der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga und viele Wirte dafür, dass das nicht passiert und für eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen.

Giesinger-Bräu-Wirt Marx hatte vor ein paar Wochen mit einer........

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