München - Der Autorin Lisa Graf ist mit ihren Dallmayr-Romanen der Durchbruch gelungen. Nun hat sie den dritten Teil ihrer Trilogie veröffentlicht. Es gibt Interessenten für eine Verfilmung, Dallmayr hat kein Feedback gegeben.

AZ: Frau Graf, könnten Sie bitte noch einmal kurz zusammenfassen, worum es in den ersten beiden Dallmayr-Bänden geht?
LISA GRAF: Im Ersten kaufen Anton und Therese Randlkofer den Dallmayr. Kurz darauf stirbt Anton Randlkofer und seine Frau führt das Geschäft trotz einiger Intrigen allein zum Erfolg. Im Zweiten erwirbt sie die beiden Nachbarhäuser, das Delikatessenkaufhaus steht auf seinem Höhepunkt. Mit dem Ersten Weltkrieg kommt die Zäsur. Die Warenzufuhr aus aller Welt ist gestoppt, der jüngste Sohn Paul muss in den Krieg ziehen. Die Geschichte endet im Jahr 1920, als er wieder nach Hause kommt.

Wie geht es im dritten Teil weiter?
Die Geschichte setzt wieder ein im Jahr 1933. Die Matriarchin ist gestorben, ihr jüngster Sohn Paul führt das Unternehmen weiter und sucht ein neues Standbein. Er heuert einen 19-jährigen Kaffeefachmann – im echten Leben Konrad Wille, im Roman heißt er Fiete Wünsche – an und beginnt mit der eigenen Röstung in München. Und das lief auch erst einmal super an. Noch heute wird Dallmayr von den beiden Familien Randlkofer und Wille betrieben.

Warum setzt die Geschichte ausgerechnet im Jahr 1933 ein?
Wegen des Kaffees. Aber 33 war zugleich geschichtlich ein entscheidendes Jahr. München wurde später zur "Hauptstadt der Bewegung" und mir war wichtig, die Zeitgeschichte im Roman nicht auszuklammern. Auch bei Dallmayr wurden die Verhältnisse schwierig.

Wie stand das Haus zu den Nationalsozialisten?
Paul Randlkofer war nie Parteimitglied und musste deshalb Repressionen hinnehmen. Er hat einige Schikanen erlebt.

Was für Schikanen?
Einmal verlangte eine Behörde von ihm, dass er für die letzten fünf Jahre nachweisen sollte, wie viel von seinen verkauften Gartenbauerzeugnissen, also Obst und Gemüse, er aus Deutschland und wie viel aus dem Ausland bezogen hatte. Reine Schikane, denn es war praktisch unmöglich, das nachzuweisen. Die Geschichte dreht sich genau darum: Wie es eine Familie und ein Unternehmen, das sich nicht an die Machtverhältnisse im Dritten Reich anpassen will, schafft, heil durch diese Zeit zu kommen.

Das klingt nach einer sehr düsteren Geschichte.
Die Zeiten waren düster. Aber natürlich gibt es auch wieder viele Geschichten und Figuren um das Haus Dallmayr, historisch belegte und fiktive, die für zusätzliche Spannung, Romantik und auch Humor sorgen.

Und wie endet die Trilogie?
Der dritte Band endet 1945. Im Jahr 1944 geht das Dach von Dallmayr in Flammen auf und wird noch einmal notdürftig repariert. Aber im Januar 1945 vernichtet dann ein Volltreffer nicht nur das Dallmayr-Haus, sondern 90 Prozent der Münchner Innenstadt. Das Haus in der Dienerstraße liegt in Schutt und Asche. Die meisten Lager von Dallmayr in der Stadt gehen durch Plünderungen verloren. Dann kommt das Kriegsende und es gab diese erste berühmte Fronleichnamsprozession 1945 mitten durch die Ruinen, mit Kardinal Faulhaber und dem Widerstandskämpfer Pater Rupert Meier, der im Roman auch eine Rolle spielt. Der Roman endet mit dem Vorsatz der Familie, das Haus und das Unternehmen wieder aufzubauen.

Ist die Geschichte damit zu Ende erzählt oder können Sie's doch nicht lassen?
Doch, ich bin damit nun wirklich am Ende. Es wäre mir auch zu heikel, so weit in die Gegenwart zu gehen und über Personen zu schreiben, die noch leben.

Die echte Familie Randlkofer hat sich von Anfang an von Ihrem Roman distanziert. Ist das so geblieben, oder der haben Sie doch noch Feedback bekommen?
Bis heute noch nicht. Obwohl mir viele Leser mitgeteilt haben, dass sie den Dallmayr nach dem Roman noch einmal besucht haben. Manche Buchhandlungen schenken Dallmayr-Kaffee bei den Lesungen aus oder jeder bekommt am Ende eine feine Praline. In Suhl in Thüringen haben sie den Dallmayr-Kaffee sogar in Goldrand-Porzellan aus den 50ern ausgeschenkt und die Damen in der Bücherei waren passend dazu gekleidet.

Vorher haben Sie Krimis geschrieben. Hat sich Ihr Publikum jetzt verändert?
Ja, es ist ein anderes und vor allem größeres Publikum. Ich habe mehr Post bekommen als für alle meine Krimis und Romane zusammen. Es melden sich auch Leute, die einmal bei Dallmayr gearbeitet haben oder sie kommen zu meinen Lesungen. Eine Konditorin aus Mannheim hat mir erzählt, wie toll sie es fand, morgens zu Dallmayr zu kommen und in die frisch gestärkte Kleidung mit dem goldenen Schriftzug zu schlüpfen. Ein Malermeister aus Taufkirchen erzählte mir stolz, dass er schon einmal die Dallmayr-Fassade gestrichen hat.

Sind bei Ihrer Dallmayr-Recherche Dinge zutage gekommen, die Sie noch nicht wussten?
Ziemlich viele sogar. Ich wohne in Berchtesgaden, habe am Institut für Zeitgeschichte die Ausbildung zur Rundgangs-Leiterin am Obersalzberg gemacht und bin gut eingearbeitet in das Thema Nationalsozialismus. Aber ich habe viele interessante Details erfahren, von denen ich noch nie gehört hatte. Mein Roman ist kein Kriegsbuch, aber ich verwebe wie immer diese Zeitgeschichten mit dem Leben meiner Figuren.

Zum Beispiel?
Dass es schon lange vor dem Krieg den ersten Übungs-Fliegeralarm gab. Den hat man ja überall in der Stadt gehört damals. Oder wie Adolf Hitler bei der Grundsteinlegung vom Haus der Deutschen Kunst das Hämmerchen gebrochen ist. Das war natürlich ein schlechtes Omen. Hitler war sehr abergläubisch, darum hat sich damals auch keiner getraut, zu lachen. Solche Details eben, die man nicht in der Schule lernt. Oder die Geschichte mit den Bezugsscheinen.

Was für Bezugsscheine?
Ende August 1939, schon vor Kriegsbeginn, wurden Bezugsscheine für Lebensmittel ausgegeben für eine bestimmte Zuteilungsperiode. Man hat zum Beispiel eine "Reichsfettkarte" bekommen oder Bezugsscheine für Bohnenkaffee und Ersatzkaffee. Für jede 50 oder 100 Gramm Fett oder eben Kaffee musste man einen Abschnitt abgeben. Das war für ein Einzelhandelskaufhaus ein Wahnsinns-Verwaltungsaufwand. Dass die Scheine schon vor dem Angriff auf Polen, der ja angeblich reine Verteidigung war, ausgegeben wurden, zeigt auch, dass der Krieg von langer Hand geplant war.

Die ersten beiden Bände sind Bestseller geworden. Haben Sie nun ausgesorgt?
Allein vom ersten Band wurden 160.000 Exemplare verkauft. Das gibt mir eine gewisse wirtschaftliche Sicherheit und ich kann mich voll aufs Schreiben konzentrieren.

Verraten Sie uns doch mal, wie man einen Bestseller schreibt!
Ich habe Literatur studiert und lese viel. Bei meinen Recherchen denke ich oft an meine Seminararbeiten an der Uni zurück. Man recherchiert, bis die Fakten immer dichter werden. Und beim Romanschreiben lässt man seine Figuren dann mit offenen Augen durch die Welt gehen. Keiner, der es nicht erlebt hat, kann sich vorstellen, wie es ist, hautnah zu erleben, wie Bomben auf die Stadt fallen und alles brennt. Aber man kann versuchen, sich da einzudenken. Ein gewisses Schreibtalent ist natürlich auch kein Schaden.

Wird die Dallmayr-Geschichte auch verfilmt?
Ein geplanter Fernsehfilm hat sich leider zerschlagen. Nun gibt es einen anderen Interessenten. Aber noch ist nichts konkret.

Haben Sie schon eine Idee für einen neuen Roman?
Ja, ich habe sogar schon den Vertrag für einen neuen Dreiteiler. Aber das Thema ist noch top secret. So viel sei verraten: Die Geschichte wird sich wieder um ein international bekanntes Familien-Unternehmen drehen, das es seit fast zweihundert Jahren gibt und das heute sehr erfolgreich ist. Mein Kopf ist schon wieder voll eingetaucht in den neuen Stoff.

Lisa Graf: Das Erbe einer Dynastie, Penguin, 16 Euro

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"Ich bin wirklich am Ende": Warum nun das Ende der Dallmayr-Romane kommt

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05.11.2023

München - Der Autorin Lisa Graf ist mit ihren Dallmayr-Romanen der Durchbruch gelungen. Nun hat sie den dritten Teil ihrer Trilogie veröffentlicht. Es gibt Interessenten für eine Verfilmung, Dallmayr hat kein Feedback gegeben.

AZ: Frau Graf, könnten Sie bitte noch einmal kurz zusammenfassen, worum es in den ersten beiden Dallmayr-Bänden geht?
LISA GRAF: Im Ersten kaufen Anton und Therese Randlkofer den Dallmayr. Kurz darauf stirbt Anton Randlkofer und seine Frau führt das Geschäft trotz einiger Intrigen allein zum Erfolg. Im Zweiten erwirbt sie die beiden Nachbarhäuser, das Delikatessenkaufhaus steht auf seinem Höhepunkt. Mit dem Ersten Weltkrieg kommt die Zäsur. Die Warenzufuhr aus aller Welt ist gestoppt, der jüngste Sohn Paul muss in den Krieg ziehen. Die Geschichte endet im Jahr 1920, als er wieder nach Hause kommt.

Wie geht es im dritten Teil weiter?
Die Geschichte setzt wieder ein im Jahr 1933. Die Matriarchin ist gestorben, ihr jüngster Sohn Paul führt das Unternehmen weiter und sucht ein neues Standbein. Er heuert einen 19-jährigen Kaffeefachmann – im echten Leben Konrad Wille, im Roman heißt er Fiete Wünsche – an und beginnt mit der eigenen Röstung in München. Und das lief auch erst einmal super an. Noch heute wird Dallmayr von den beiden Familien Randlkofer und Wille betrieben.

Warum setzt die Geschichte ausgerechnet im Jahr 1933 ein?
Wegen des Kaffees. Aber 33 war zugleich geschichtlich ein entscheidendes Jahr. München wurde später zur "Hauptstadt der Bewegung" und mir war wichtig, die Zeitgeschichte im Roman nicht auszuklammern. Auch bei Dallmayr wurden die Verhältnisse schwierig.

Wie stand das Haus zu den Nationalsozialisten?
Paul Randlkofer war nie Parteimitglied und musste deshalb Repressionen hinnehmen. Er hat einige Schikanen erlebt.

Was für Schikanen?
Einmal verlangte eine Behörde von ihm, dass er für die letzten fünf Jahre........

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