München - Wer am ersten Dezember-Wochenende aus München raus wollte, hatte kaum eine Chance. Schnee, Schnee, Schnee. Das hat auch Thorsten Springer (Name geändert) aus Oberbayern zu spüren bekommen. Er wollte am frühen Morgen des 2. Dezember mit Condor nach Gran Canaria fliegen – doch die Maschine hob gar nicht erst ab.

Damit kam weder der 54-Jährige, noch sein Gepäck auf der spanischen Insel an. Das ist das eine Ärgernis, das andere: Sein Hab und Gut hat er seither nicht mehr gesehen. Nach nunmehr fast drei Wochen. Er hatte seine zwei Gepäckstücke am Vorabend eingecheckt und sei am eigentlichen Abreisetag auch selbst schon durch die Sicherheitskontrolle gewesen, erzählt er der AZ. Dann hieß es: Flug storniert. Nichts ging mehr, der Flugbetrieb wurde eingestellt.

"Das ist ja okay, gegen Schnee kann man nichts machen", sagt er und zeigt Verständnis. Und das, obwohl die Stornierung des Flugs bedeutete, dass er ein geplantes berufliches Golf-Event auf einem Aida-Kreuzfahrtschiff nicht erreichen konnte.

Das bereits abgegebene Gepäck bekam er an diesem Tag nicht mehr zurück. Ihm zufolge wurde gesagt, es werde etwa ein bis zwei Tage dauern, bis es ihm zugestellt würde. Seither ist jedoch nichts passiert. "Die Informationspolitik ist eine Katastrophe", findet Springer. Er hat schon diverse Nachfragen gestellt. Bei Condor, beim Abfertiger AHS, beim Flughafen selbst.

"So langsam macht man sich Sorgen, dass das Gepäck verloren ist", sagt der hilflose Passagier. Nicht nur, dass in seinen Taschen eine wertvolle Golfausrüstung war. Auch alltägliche Gegenstände wie Hemden, Hosen oder sein Rasierer befinden sich immer noch am Münchner Flughafen. "Ich bin nicht geflogen, das Gepäck auch nicht. Das ist ja noch da und nicht irgendwo." Er sagt: "Lasst mich von mir aus rein und ich hole mein Gepäck selbst raus!" Springer findet es "sehr fraglich, wie man mit den Wertsachen umgeht". "Das Vertrauen ist weg."

Selbst wenn er im Ernstfall den Zeitwert zurückbekommen sollte, "bringt das nicht die Sachen zurück, die ich mag und brauche". Ein Einzelfall ist das nicht. Wie Julia Zeller von der Verbraucherzentrale Bayern der AZ mitteilt, sind auch den Verbraucherschützern solche Vorkommnisse bekannt. Ihr grundsätzlicher Rat: "Betroffene sollten sich umgehend an die Fluggesellschaften wenden und den Verlust anzeigen." Bei einer Pauschalreise sollte man auch den Reiseveranstalter informieren. "Wichtig ist im nächsten Schritt, den Vorfall genau zu dokumentieren."

Ab 21 Tagen gelte ein Koffer als verloren gegangen. "Die Airlines haften für den Verlust des Gepäcks und den dadurch entstandenen Schaden. Die Höhe ist jedoch auf circa 1600 Euro beschränkt", so Zeller. "Die gesamte Summe bekommen Reisende jedoch nicht automatisch. Der konkrete Schaden muss nachgewiesen werden." Der 54-Jährige hat schon im Detail aufgeschrieben, was alles in den zwei Taschen war. Noch immer in der Hoffnung, seine Sachen zurückzubekommen.

Die AZ hat beim Flughafen München nachgefragt. Dieser antwortet: "Die immense Schneemenge und die Glättegefahr hatten auch zur Folge, dass viele Flugzeuge nicht mit Koffern be- und entladen werden konnten. Durch diese massiven, wetterbedingten Einschränkungen blieben Gepäckstücke am Flughafen zurück." Eine Woche nach dem Schneechaos war von rund 13.000 hängengebliebenen Koffern und Taschen die Rede. Darunter bis zu 10.000 Stück allein von der Lufthansa. Zum aktuellen Stand kann der Flughafen keine Zahlen nennen und verweist auf die Airlines. Diese seien für den Transport und die Sortierung sowie auch für die Nachsendung verantwortlich.

In diesem Fall Condor. Die Fluggesellschaft entschuldigt sich auf AZ-Nachfrage. Der "außergewöhnlich starke Schneefall" hatte "leider auch Auswirkungen auf die Folgetage", teilt eine Sprecherin am Dienstag mit. "Aufgrund des hohen Gepäckaufkommens dauerte die Bearbeitung und Identifizierung daher länger als gewöhnlich."

Und weiter: "Seit dem Wochenende sind alle betroffenen Gepäckstücke von Anfang Dezember abgearbeitet und an den Zusteller übergeben worden. Sobald ein Gepäckstück zugeordnet ist, wird dieses von einem kurzfristig verfügbaren Kurierdienst zu der vom Gast angegebenen Adresse geschickt. Die Gepäckstücke befinden sich daher aktuell in der Zustellung." Ist das Warten also bald vorbei? Die Sprecherin baut vor: "Im Dezember kann es jedoch wie bei allen Zustelldiensten wegen des Weihnachtsgeschäfts bei der Auslieferung durch die Kurierdienste zu Verzögerungen kommen." Ein Koffer-Weihnachtswunder? Noch möglich.

Aber es ist eben nicht nur Condor betroffen gewesen. Die AZ wollte auch von der Lufthansa wissen, wie die Koffer-Lage mittlerweile aussieht. Eine Sprecherin teilt mit: "Inzwischen konnten zwei Drittel der Koffer zu den jeweiligen Zielorten weitergeflogen werden, von wo sie weiter zu der angegebenen Adresse gebracht werden. Lufthansa arbeitet aktuell mit Hochdruck daran, die verbliebenen, noch nicht ausgelieferten Gepäckstücke an die Kunden zu übergeben. Leider dauert die Auslieferung momentan länger als gewohnt." Der Grund: "personelle Engpässe".

QOSHE - Chaos am Flughafen München: Passagier wartet seit Wochen auf sein Eigentum - Rosemarie Vielreicher
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Chaos am Flughafen München: Passagier wartet seit Wochen auf sein Eigentum

8 0
20.12.2023

München - Wer am ersten Dezember-Wochenende aus München raus wollte, hatte kaum eine Chance. Schnee, Schnee, Schnee. Das hat auch Thorsten Springer (Name geändert) aus Oberbayern zu spüren bekommen. Er wollte am frühen Morgen des 2. Dezember mit Condor nach Gran Canaria fliegen – doch die Maschine hob gar nicht erst ab.

Damit kam weder der 54-Jährige, noch sein Gepäck auf der spanischen Insel an. Das ist das eine Ärgernis, das andere: Sein Hab und Gut hat er seither nicht mehr gesehen. Nach nunmehr fast drei Wochen. Er hatte seine zwei Gepäckstücke am Vorabend eingecheckt und sei am eigentlichen Abreisetag auch selbst schon durch die Sicherheitskontrolle gewesen, erzählt er der AZ. Dann hieß es: Flug storniert. Nichts ging mehr, der Flugbetrieb wurde eingestellt.

"Das ist ja okay, gegen Schnee kann man nichts machen", sagt er und zeigt Verständnis. Und das, obwohl die Stornierung des Flugs bedeutete, dass er ein geplantes berufliches Golf-Event auf einem Aida-Kreuzfahrtschiff nicht erreichen konnte.

Das bereits abgegebene Gepäck bekam er an diesem Tag nicht mehr zurück. Ihm zufolge wurde gesagt, es werde etwa ein bis zwei Tage dauern, bis es ihm zugestellt würde. Seither ist jedoch nichts passiert. "Die Informationspolitik ist eine........

© Abendzeitung München


Get it on Google Play