Schon bei der Uraufführung 2018 in Berlin war Dominic Raacke als Arnold dabei. Der erfolgreiche Architekt will mit Ehefrau Kathrin und einem befreundeten Ehepaar sein neues Großprojekt feiern, einen 26-stöckigen Turm in Paris. Doch bei Kathrin wurde eine Niereninsuffizienz diagnostiziert und an der Debatte, wer ein Organ spenden könnte und vor allem bereit dazu wäre, stürzt gleich beide Paare in große Krisen.

Die Komödie von Stefan Vögel heißt schlicht "Die Niere", aber für die vier Wochen in der Komödie im Bayerischen Hof wird das Stück "Herz und Niere" betitelt sein, weil das in München besser verkäuflich sei, berichtete Dominic Raacke im Gespräch mit der AZ. Der 65-Jährige selbst zeigt sich irritiert und findet das "ein bisschen banal", sei aber einverstanden, "wenn es denn hilft".

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Jeden Donnerstagmorgen das Neueste aus der Münchner Kulturszene.

AZ: Herr Raacke, Sie sind nach den Aufführungen in Berlin und Hamburg sowie der Tournee schon im sechsten Jahr mit dieser Produktion. Wie hat in dieser Zeit das Publikum auf das für Boulevardtheater ungewöhnliche Thema reagiert?
DOMINIC RAACKE: Nach München beginnt die dritte Tournee. "Die Niere" ist ein richtiger Dauerbrenner geworden. Die Leute reagieren mit sehr großer Freude und haben viel zu Lachen. Es sind zwei echte Überraschungen in diesem Stück, die mich schon beim ersten Lesen überzeugt haben. Das ist echte Autorenkunst, Wendungen einzubauen, die gleichzeitig glaubwürdig und überraschend sind.

Es wäre natürlich Spoilern, die Handlung vollständig zu erzählen.
Stefan Vögel hat ein sehr solides Stück geschrieben, denn spätestens mit der Me-Too-Debatte sind völlig zu Recht einige Stücke unspielbar geworden, gerade im Boulevardtheater. So manche Männer-Frauen-Konstellationen gehen gar nicht mehr. In "Die Niere" werden natürlich auch Beziehungsgeschichten und zwei Ehen auf der Kippe gezeigt, aber es wird auf Augenhöhe verhandelt. Es ist ein fein choreografierter Kampf der Geschlechter. Da wird umtänzelt und umgarnt, gelacht und geweint. Ich denke, viele können sich da wiedererkennen. Das macht das Stück stark und unterhaltsam.

Nierentransplantation ist nicht grundsätzlich ein heiteres Sujet. Wie wird Komödie daraus?
Das ist nur ein Vehikel für diese Szenen einer Ehe. Die Niere ist der dramaturgische Trick, um etwas Elementares und Lebensnotwendiges zu verhandeln. Es geht nicht wirklich um die Niere. Allerdings hatten wir mal in einer Vorstellung einen Nephrologen mit seinem gesamten Team. Der meinte hinterher: "Toll! Alles super recherchiert. Alles auf den Punkt gebracht".

Sind Sie selbst ein Organspender?
Zur Zeit nicht. Bis letztes Jahr war ich es. Aber aus meinem "Ja" ist wieder ein "Nein" geworden. Mir war die Vorstellung, dass man etwas an meinem toten Körper unternimmt, höchst unangenehm. Aber vielleicht überwinde ich das auch wieder. Die Widerspruchslösung, wie es sie in anderen Ländern schon längst gibt, ist eine gute Sache. Man muss sich damit beschäftigen und kann immer noch nein sagen. Schon während der Proben war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier so eine Art Maskottchen. Er hat seiner Frau eine Niere gespendet und bewiesen, dass man auf diesem Weg Gutes tun kann.

Spricht man über Sie, denkt man noch immer an den "Tatort"-Kommissar Till Ritter, der zwischen 1999 und 2014 in Berlin ermittelte. Bereuen Sie manchmal den Ausstieg?
Das war ein Ausstieg seitens des Senders. Das kann man ja nicht bereuen. Aber es war gut, so wie es kam. Und der Gedanke, noch immer Tatort-Kommissar zu sein, erscheint mir nicht erstrebenswert. Das hat etwas von Stillstand und ist nicht besonders kreativ. Es ist einfach spannender, auch mal etwas anderes zu machen. Und mit dem Tatort-Ende kamen neue Angebote und eben auch das Theater. Ich war da immer etwas ängstlich und als ich es dann wagte, war es toll. Da habe ich gemerkt, was noch alles in mir steckt.

Anfang der 80er Jahre gingen sie nach New York zum legendären Lee-Strasberg-Institute. Was bedeutet es einem jungen Schauspieler, in den Spuren von Leuten wie Marlon Brando oder Robert de Niro zu wandeln?
Da gibt es keine Spuren, auf denen man wandelt und ist dann Movie-Star. Es ist einfach ein anderer Ansatz als das, was wir in Deutschland haben. Einige Schauspielschulen, auch die Otto-Falckenberg-Schule hier in München, haben mich abgelehnt. Also musste ich mich nach Alternativen umsehen. So bin ich nach Amerika gekommen. Das war das Beste, was mir passieren konnte. Es war eine aufregende, irre Zeit. Ich war jung und in einer großen, fremden Stadt. Als ich für meinen ersten Job zurück nach Deutschland kam, landete ich im Januar 1982 in München. Ich habe es gehasst. Es war kalt und grau und irgendwie tot. Und, was soll ich sagen: Aus dieser anfänglichen Abneigung wurde eine große Liebe. 30 Jahre habe ich hier gelebt und es ist schön, mal wieder eine Weile hier zu sein.

Komödie im Bayerischen Hof, Promenadeplatz 6. Vorstellungen bis zum 10. Februar, 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr, Karten unter Telefon 29 16 16 33

QOSHE - Schauspieler Dominic Raacke: "Ich habe München gehasst" - Mathias Hejny
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Schauspieler Dominic Raacke: "Ich habe München gehasst"

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10.01.2024

Schon bei der Uraufführung 2018 in Berlin war Dominic Raacke als Arnold dabei. Der erfolgreiche Architekt will mit Ehefrau Kathrin und einem befreundeten Ehepaar sein neues Großprojekt feiern, einen 26-stöckigen Turm in Paris. Doch bei Kathrin wurde eine Niereninsuffizienz diagnostiziert und an der Debatte, wer ein Organ spenden könnte und vor allem bereit dazu wäre, stürzt gleich beide Paare in große Krisen.

Die Komödie von Stefan Vögel heißt schlicht "Die Niere", aber für die vier Wochen in der Komödie im Bayerischen Hof wird das Stück "Herz und Niere" betitelt sein, weil das in München besser verkäuflich sei, berichtete Dominic Raacke im Gespräch mit der AZ. Der 65-Jährige selbst zeigt sich irritiert und findet das "ein bisschen banal", sei aber einverstanden, "wenn es denn hilft".

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Jeden Donnerstagmorgen das Neueste aus der Münchner Kulturszene.

AZ: Herr Raacke, Sie sind nach den Aufführungen in Berlin und Hamburg sowie der Tournee schon im sechsten Jahr mit dieser Produktion. Wie hat in dieser Zeit das Publikum auf das für Boulevardtheater ungewöhnliche Thema reagiert?
DOMINIC RAACKE: Nach München beginnt die dritte Tournee. "Die Niere" ist ein richtiger Dauerbrenner geworden. Die........

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