Das Weihnachtsstück in der Komödie am Bayerischen Hof bietet zwar zwölf Rollen, aber nur sechs Schauspielerinnen und Schauspieler treten auf. Das ist natürlich kein Discount-Boulevard, sondern ein kleiner Spaß des französischen Dramatikers Gilles Dyrek. Sein "Weihnachten auf dem Balkon" ist ein reichhaltiges Schauspielerfutter, für das zwei benachbarte Familien mit der jeweiligen Verwandtschaft am Heiligen Abend eine Bescherung nach der anderen erleben. Jeder im Ensemble hat zwei gegensätzliche Rollen. Die AZ sprach vor der Premiere (23.11.) mit Saskia Vester über ihren doppelten Einsatz.

AZ: Frau Vester, das Stück gehört in die Tradition von Satire, die Weihnachten als unerträglich beschreibt. Freuen Sie sich, ganz privat und persönlich, trotzdem noch auf das Fest mit der Familie?
SASKIA VESTER: Ich bin ein Weihnachtsfan. Ich liebe Weihnachten und den ganzen Zirkus drumherum. Als ich zehn war, hat mein Vater einen Rappel bekommen, den Tannenbaum aus dem Fenster geworfen und gesagt: "Ich halte diese ganze Verlogenheit nicht mehr aus!" Danach haben wir nicht mehr Weihnachten gefeiert. Umso mehr habe ich dann mit meinen Kindern gefeiert und ich hole noch bis heute alles nach.

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Wo feiern Sie?
In diesem Jahr habe ich ja nur am Heiligen Abend frei und sonst spielen wir jeden Tag. Wir sind bei meiner Tochter, dem Schwiegersohn und dem Enkelkind, die in München leben. Ein ganz kleiner Kreis. Mein Sohn lebt mit seiner Frau und den drei Kindern in Kopenhagen. Das wird in diesem Jahr nichts mit denen.

Auf dem linken Balkon im Stück sind Sie die ältere Dame namens Sophia. Wie geht es Oma an Weihnachten?
Anfangs ist sie bemüht, gute Stimmung zu verbreiten, aber das Verhältnis zu ihrer Schwiegertochter ist, gelinde gesagt, etwas kompliziert. Die beiden können sich nicht ausstehen. Eigentlich hat sie mit allen Probleme, auch mit ihrem Enkel und einem ihrer beiden Söhne. Aber ich mag die Sophia. Ich kann sowieso keine Figur spielen, die ich nicht mag. Auch bei einer Mörderin will ich sie verstehen und wissen, warum sie so ist.

Die Dame auf dem rechten Balkon heißt Anne, ist eine Generation jünger und, wie es sich bei einer Weihnachtsgeschichte gehört, hochschwanger. Wie spielen Sie die werdende Mutter?
Ich bin eben die Anne, die ein bisschen verpeilt und das genaue Gegenteil von Sophie ist. Sie hinkt immer etwas hinterher und die Schwangeren-Demenz greift schon sehr bei ihr. Das ist der Reiz an den Doppelrollen. Derek Nowak spielt zum Beispiel Annes Mann Hubert, aber auch den sechsjährigen Benjamin auf dem Dreirad.

Schon der sichtbare Teil der Vorstellung ist zuweilen sehr turbulent. Aber was Backstage passiert, kann man sich mindestens ebenso spannend vorstellen.
Es macht total Spaß. Da geht es zackzack, man flitzt von Balkon zu Balkon hin und her und ist ganz schnell umgezogen. Das schnelle Umswitchen auf eine komplett andere Figur ist eine herrliche schauspielerische Herausforderung. Eigentlich müssten wir noch "Weihnachten auf dem Balkon 2.0" machen, in dem wir das Bühnenbild umdrehen und den ganzen Wahnsinn dahinter zeigen.

Finden Sie immer die richtige Rolle?
Toitoitoi! Ich hoffe es. Nicht, dass ich plötzlich auf dem falschen Balkon stehe oder den falschen Bauch habe.

Sie erklärten einmal, das Theater sei der Marathon, Dreharbeiten dagegen seien der Sprint. Es dürfte kaum Sportler geben, die sowohl auf der Langstrecke als auch auf der kurzen Distanz gleichermaßen erfolgreich sind. Wie bringen Sie beide Disziplinen zusammen?
Indem ich im Prinzip alles gleichermaßen angehe. Bei mir kommt alles aus dem Bauch heraus und ich versuche, die Figur zu erspüren. Ob das fürs Drehen oder die Bühne passiert, ist kein großer Unterschied. Es ist einfach ein anderes Arbeiten. Am Theater hat man natürlich mehr Probenzeit und dann die Vorstellungen mit den Zuschauern, die am Theater das Reizvolle sind. Beim Drehen gibt es kein Feedback. Dann ist die Szene im Kasten und tschüss.

Was kommt nach der Weihnachtskomödie?
Als erstes kommt die Familie in Kopenhagen, die erst einmal niedergeknutscht werden muss. Dann geht es wieder los mit neuen Folgen von "Marie fängt Feuer" und es ist einiges in der Pipeline. In unserem Beruf ist jedes neue Jahr eine Wundertüte.

Was ist mit Theater, vielleicht auch hier in München?
Wir haben Projekte, aber es ist noch zu früh, um darüber zu sprechen. Mit meinem Kollegen Aykut Kayacik, der in "Weihachten auf dem Balkon" auch mitspielt, habe ich ein Theaterstück geschrieben. Die Figur ist ein wenig angelehnt an die in der Serie "Das Kindermädchen", aber in einer anderen Situation. Die Frau ist sehr einfach, sehr bodenständig, sehr lustig. Sie muss irgendwie ihr Geld verdienen und gerät dabei an ein Riesenarschloch. Es ist eine Komödie, aber so, wie ich Komödien liebe: Es muss auch ans Herz gehen.

Komödie im Bayerischen Hof, fast täglich bis 7. Januar, 19.30 Uhr, sonntags 19 Uhr, Telefon 089/29161633

QOSHE - Christbaum fliegt aus Fenster – Saskia Vester: "Danach haben wir nicht ... - Mathias Hejny
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Christbaum fliegt aus Fenster – Saskia Vester: "Danach haben wir nicht ...

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24.11.2023

Das Weihnachtsstück in der Komödie am Bayerischen Hof bietet zwar zwölf Rollen, aber nur sechs Schauspielerinnen und Schauspieler treten auf. Das ist natürlich kein Discount-Boulevard, sondern ein kleiner Spaß des französischen Dramatikers Gilles Dyrek. Sein "Weihnachten auf dem Balkon" ist ein reichhaltiges Schauspielerfutter, für das zwei benachbarte Familien mit der jeweiligen Verwandtschaft am Heiligen Abend eine Bescherung nach der anderen erleben. Jeder im Ensemble hat zwei gegensätzliche Rollen. Die AZ sprach vor der Premiere (23.11.) mit Saskia Vester über ihren doppelten Einsatz.

AZ: Frau Vester, das Stück gehört in die Tradition von Satire, die Weihnachten als unerträglich beschreibt. Freuen Sie sich, ganz privat und persönlich, trotzdem noch auf das Fest mit der Familie?
SASKIA VESTER: Ich bin ein Weihnachtsfan. Ich liebe Weihnachten und den ganzen Zirkus drumherum. Als ich zehn war, hat mein Vater einen Rappel bekommen, den Tannenbaum aus dem Fenster geworfen und gesagt: "Ich halte diese ganze Verlogenheit nicht mehr aus!" Danach haben wir nicht mehr Weihnachten gefeiert. Umso mehr habe ich dann mit meinen Kindern gefeiert und ich hole noch bis heute alles nach.

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