München - AZ-Interview mit Julian Weigl. Der 28-jährige Oberbayer kam über den TSV 1860 ins Profigeschäft, spielte danach für den BVB und Benfica Lissabon. Seit 2022 ist er bei Bayern-Gegner Borussia Mönchengladbach.

AZ: Herr Weigl, wissen Sie noch, was Sie am 14. Februar 2014 gemacht haben?
JULIAN WEIGL: (lacht) Debütiert? In Ingolstadt. Wir haben mit den Löwen 0:2 verloren. Ich kann mich noch gut dran erinnern.

Richtig. Sie wurden direkt nach ihrer der ersten Profi-Saison mit 18 Jahren der jüngste Kapitän des TSV 1860 aller Zeiten. Sie mussten allerdings die Binde nach zwei Partien wieder abgeben. Später haben Sie gesagt, Sie waren noch nicht bereit. Mittlerweile tragen Sie wegen der Verletzung von Jonas Omlin übergangsweise die Binde bei der Borussia und sind Vize-Kapitän. Was hat Ihnen damals gefehlt, was Sie jetzt haben?
Da gibt es nicht die eine Sache, die mir damals gefehlt hat. Es war eher das große Ganze. Ich hatte keinerlei Erfahrung mit dem Profigeschäft. Ich hatte auch noch nicht viel Erfahrung auf dem Fußballfeld, womit ich als Führungsspieler hätte vorangehen können. Alle Situationen waren für mich neu. Das macht es für einen Kapitän schwierig. Zu der Zeit war ich auch noch nicht der große Lautsprecher. Das hat mich damals mehr von meiner Leistung abgelenkt, als dass ich der Mannschaft helfen konnte. Ich sehe jetzt, was so ein Kapitänsamt alles mit sich bringt. Die Erfahrung und die vielen Kapitäne, die ich erleben durfte, waren auf meinem Weg sehr wertvoll. So kann ich mein Amt jetzt ausführen und die Mannschaft kann davon profitieren. Aber wenn du 18 Jahre alt bist, gerade mal 14 Zweitligaspiele gemacht hast und Kapitän bist, ist es nicht so einfach, Souveränität auszustrahlen. Zumal Sechzig München kein entspanntes Pflaster ist, was die Aufmerksamkeit angeht.

Sind Sie grundsätzlich ein Mensch, der gerne Führung übernimmt?
Ja, auf jeden Fall. Ich war auch in den Jugendmannschaften oft Kapitän. Aber das war etwas ganz anderes als bei den Profis. Ich war schon immer ein Spieler, der versucht hat, voranzugehen. Man muss seinen Platz als Kapitän aber erst finden und auch die Art, wie man auftreten will. Daher wachse ich im Profibereich erst jetzt mit meinen 28 Jahren so richtig in diese Rolle rein, weil die Jahre und die Erfahrungen, die ich bei großen Klubs machen durfte, mich darauf vorbereitet haben. Ich fühle mich jetzt bereit für diese Aufgabe. Dabei ist es mir wichtig, mich nie zu verstellen.

Wie zufrieden sind Sie bisher mit sich selbst als Vize-Kapitän?
Es gibt auf jeden Fall noch Luft nach oben – sowohl für mich in der Rolle des Kapitäns als auch für uns als Mannschaft, was die Schwankungen angeht, die wir leider in unseren Leistungen noch haben. Ich möchte als Kapitän helfen, die Entwicklung voranzutreiben. Ich bin einer der Akteure, auf die die jungen Spieler schauen. Sie schauen, wie du dich positionierst und wie du deine Zweikämpfe führst. Wie du in ruhigen und emotionalen Phasen des Spiels agierst. Ich muss und möchte entsprechend vorangehen.

Mit der Borussia stehen Sie nach einem großen Kaderumbruch auf Rang zwölf. Wie beurteilen Sie die bisherige Saison?
Dass es kein einfaches Jahr wird und dass gewisse Dinge einfach Zeit brauchen, wussten wir schon vor der Saison. Wir haben im Sommer viel Qualität verloren und viele junge hungrige Spieler dazubekommen. Es gab einen großen Umbruch, der mit Sicherheit auch noch über diese Saison hinausgehen wird. Wir befinden uns demnach in einem Prozess, der etwas dauert. Trotzdem wäre in dem einen oder anderen Spiel mehr drin gewesen. Wir haben zu häufig Führungen verspielt und es waren Spiele dabei, bei denen die Leistung besser war, als es das Ergebnis aussagt. Und natürlich sind in der Bundesliga Ergebnisse wichtig, weil man nicht unten reinrutschen will. Trotzdem war in der Hinrunde bereits eine Entwicklung zu sehen. Es ist wichtig, dass eine Leistungssteigerung da ist und dass sich das Team immer mehr findet.

Nun geht es gegen den FC Bayern. Was ist da für die Borussia drin? Immerhin ist Gladbach der Angstgegner des FC Bayern.
(lacht) Das ist eine gute Frage. Ich habe tatsächlich bisher nur einmal im Borussia-Park gegen die Bayern gespielt. Wir sind da natürlich der Außenseiter. Das ist klar. Das birgt aber auch eine Chance für uns. Wir haben gesehen, wie Bremen dort einen Sieg geholt hat und werden uns mit Sicherheit einen genauen Plan überlegen und versuchen, etwas mitzunehmen.

Mit Thomas Tuchel steht einer Ihrer größten Förderer aus Dortmund-Zeiten an der Seitenlinie des FC Bayern. Freuen Sie sich auf das Wiedersehen?
Ja, definitiv. Ich habe ihm sehr viel zu verdanken. Er war elementar wichtig für meinen Wechsel nach Dortmund und auch für diesen schnellen Aufstieg dort. Er hat mir direkt das Vertrauen geschenkt. Dafür werde ich ihm immer dankbar sein. Wir hatten immer mal wieder Kontakt – auch damals im Zusammenhang mit einem möglichen Wechsel zu Paris Saint-Germain. Wir haben aktuell aber keinen Kontakt mehr. Wir sehen uns bei den Spielen und da freue ich mich auch, aber er hat in dem riesigen FC-Bayern-Kosmos nicht viel Zeit. Ich habe mich auf jeden Fall gefreut, ihn bei unserem Heimspiel nach sehr langer Zeit wiederzusehen.

Können Sie die derzeitige Kritik an seiner Person beim FC Bayern verstehen?
Als Trainer vom FC Bayern muss man sich natürlich den höchsten Anforderungen stellen. Nur die Meisterschaft zu gewinnen, ist gefühlt schon kein gutes Jahr. In dieser Saison ist Leverkusen extrem stark, extrem konstant und stabil und die Bayern sind quasi in der Verfolgerrolle, was irgendwie ungewohnt ist. Deswegen muss er sich da immer wieder der Kritik stellen. Trotzdem bin ich von seiner fachlichen Qualität sehr überzeugt.

Im Sommer steht die EM im eigenen Land an. Ist das ein großes Ziel von Ihnen, einen Platz im DFB-Kader zu ergattern?
Es ist wirklich gerade nicht in meinem Kopf, weil ich glaube, dass da im Moment andere Spieler im Fokus sind. Das ist auch völlig okay. Aber wenn es die Möglichkeit gibt, doch noch auf den Zug mit aufzuspringen oder sich jemand meldet, wäre ich natürlich Feuer und Flamme. Was gibt es Größeres als so ein Turnier im eigenen Land? Aber ich muss schon ehrlich sagen, ich sehe mich da eher im Hintertreffen. Ich bin mir auch sicher, dass jetzt dann die Zeit des Experimentierens vorbei ist, weil es nur noch eine Länderspielphase gibt, bevor es Richtung Turnier geht. Die Spieler müssen auch seine Idee verinnerlichen und da macht es keinen Sinn, so kurz vor der EM nochmal zehn Spieler einzuladen und zu sagen, die will ich mir nochmal anschauen. Ich glaube schon, dass der Bundestrainer seine Jungs zusammen hat, mit denen er für das Turnier plant.

Hatten Sie in letzter Zeit Kontakt zu Julian Nagelsmann?
Nein. Hansi Flick hat mich damals nach langer Zeit in die Nationalmannschaft zurückgeholt. Mit ihm hatte ich auch immer wieder Kontakt. Aber mit dem neuen Bundestrainer gab es noch keinen Kontakt. Deswegen ist die EM nicht in meinem Kopf. Wenn er mich anrufen würde und sagen würde, wir beobachten dich, dann gäbe es vielleicht nochmal Grund zur Hoffnung. Aber ich bin da realistisch.

Sind Sie noch oft in Ihrer Heimat in Bayern?
Das ist zeitlich leider sehr schwierig. Ich werde mehr besucht. Das liegt auch daran, dass ich eine Tochter habe und wir unser zweites Kind erwarten. Dann ist ein Kurztrip auch nicht mehr so entspannt wie früher. Ich habe während der Saison oftmals einen Tag frei oder in der Länderspielpause schonmal zwei oder drei Tage. Da sind meine Eltern und Freunde öfter bei uns zu Besuch. Aber ich versuche natürlich schon, wenn es möglich ist, zurückzukommen. Eher dann in Richtung Berge. Als ich für meine Reha in München war, war ich auch am Trainingsgelände bei den Löwen. Ich hatte auch einen Abend mit der Jugend, weil es mir wichtig ist, etwas zurückzugeben.

QOSHE - Ex-Löwe Julian Weigl vor Duell gegen Bayern: "Werde Tuchel immer ... - Kilian Kreitmair
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Ex-Löwe Julian Weigl vor Duell gegen Bayern: "Werde Tuchel immer ...

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03.02.2024

München - AZ-Interview mit Julian Weigl. Der 28-jährige Oberbayer kam über den TSV 1860 ins Profigeschäft, spielte danach für den BVB und Benfica Lissabon. Seit 2022 ist er bei Bayern-Gegner Borussia Mönchengladbach.

AZ: Herr Weigl, wissen Sie noch, was Sie am 14. Februar 2014 gemacht haben?
JULIAN WEIGL: (lacht) Debütiert? In Ingolstadt. Wir haben mit den Löwen 0:2 verloren. Ich kann mich noch gut dran erinnern.

Richtig. Sie wurden direkt nach ihrer der ersten Profi-Saison mit 18 Jahren der jüngste Kapitän des TSV 1860 aller Zeiten. Sie mussten allerdings die Binde nach zwei Partien wieder abgeben. Später haben Sie gesagt, Sie waren noch nicht bereit. Mittlerweile tragen Sie wegen der Verletzung von Jonas Omlin übergangsweise die Binde bei der Borussia und sind Vize-Kapitän. Was hat Ihnen damals gefehlt, was Sie jetzt haben?
Da gibt es nicht die eine Sache, die mir damals gefehlt hat. Es war eher das große Ganze. Ich hatte keinerlei Erfahrung mit dem Profigeschäft. Ich hatte auch noch nicht viel Erfahrung auf dem Fußballfeld, womit ich als Führungsspieler hätte vorangehen können. Alle Situationen waren für mich neu. Das macht es für einen Kapitän schwierig. Zu der Zeit war ich auch noch nicht der große Lautsprecher. Das hat mich damals mehr von meiner Leistung abgelenkt, als dass ich der Mannschaft helfen konnte. Ich sehe jetzt, was so ein Kapitänsamt alles mit sich bringt. Die Erfahrung und die vielen Kapitäne, die ich erleben durfte, waren auf meinem Weg sehr wertvoll. So kann ich mein Amt jetzt ausführen und die Mannschaft kann davon profitieren. Aber wenn du 18 Jahre alt bist, gerade mal 14 Zweitligaspiele gemacht hast und Kapitän bist, ist es nicht so einfach, Souveränität auszustrahlen. Zumal Sechzig München kein entspanntes Pflaster ist, was die Aufmerksamkeit angeht.

Sind Sie grundsätzlich ein Mensch, der gerne Führung übernimmt?
Ja, auf jeden Fall. Ich war auch in den........

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