München/Landsberg - Spieler wuseln in der Umkleidekabine des TSV Landsberg hin und her. Es riecht nach alten Fußballschuhen und einer gehörigen Ladung Schweiß. Mitten drin: Sascha Mölders (38) und Nico Karger (30). Mölders hat beim Bayernligisten eine neue Heimat gefunden. Seit Sommer 2022 ist er dort Spieler-Trainer und mischt zusammen mit seinem Sturmkollegen aus der Aufstiegssaison 2017/18 die 5. Liga auf.

"Männer, wie immer machen wir Videoanalyse", schreit Mölders durch die Kabine. Wie die Schulbuben setzen sich seine Spieler an ihren Platz und schauen erwartungsvoll in Richtung des Ex-Löwen, auch Karger. Mölders zippt einen 50-Zoll-Fernseher auf einem Bartisch an. "Wir müssen den Verteidiger attackieren. Wenn der mit dem Ball zu seinem eigenen Torhüter läuft, hat er einen Puls von 400", erklärt Mölders. Dabei tigert der Ex-Löwe hin und her, gestikuliert mit seinen Armen. Sein Blick schweift immer wieder in die Nebenkabine, wo Gattin Ivonne sitzt.

Die 43-Jährige ist immer an seiner Seite, und mittlerweile sogar Teammanagerin und Betreuerin seiner Mannschaft. "Wir wollten etwas machen, wo wir mehr Zeit miteinander verbringen können", erzählt sie. Höherklassiger Amateurfußball als Möldersches Beziehungsprojekt? Eher nicht. Denn geklappt hat das bisher nur so mittelmäßig. "Wir sehen uns im Vorbeigehen, aber wir beide haben keine Berühungspunkte, weil ich kümmere mich eigentlich nur um alle anderen."

Dafür läuft es sportlich für das Löwen-Aufstiegsduo. Der TSV Landsberg ist schon vor Ende der Hinrunde Herbstmeister, auch dank Karger. Der gelernte Flügelflitzer trumpft unter Mölders im Sturmzentrum auf. Seine Bilanz: 19 Spiele und 19 Buden. "Die Torquote ist nicht ganz so verkehrt. Es muss Spaß machen. Bei mir ist es immer so gewesen, dass ich mich wohlfühlen muss", sagt Karger. Das macht er, auch wegen Mölders.

Kurz gesagt: Der Mölders-Faktor zieht. Dass weiß der 38-Jährige selbst. "Die Spieler, die wir haben wollen, bekommen wir auch", so Mölders. Im Winter will er seine Mannschaft nochmal verstärken. Auch junge Spieler vom TSV 1860 sind im Gespräch. "Das sind nicht nur Spieler aus der Löwen-Jugend, sondern auch dem Profikader", erklärt Mölders stolz. Sie schreiben mit ihm wie Karger damals auf WhatsApp. Und das, obwohl die einstige "Wampe von Giesing" bei Sechzig suspendiert wurde, weil er dort durch seine aufmüpfige Art vermeintlich für schlechtes Mannschaftsklima sorgte und jungen Spielern Angst machte.

Ausraster von Mölders kommen heute aber nur noch am Mittagstisch vor, wenn es ans Zeichnen der Trainingsplakate geht. "Wenn ein Spieler anruft, er kommt nicht zum Training und dann das Plakat nicht passt, dann rastet er komplett aus. Der würde nie im Leben durchstreichen", erzählt Ivonne über ihren Mann, der als Trainer total penibel ist. Verloren hat Coach Mölders seine emotionale Ader in der Kabine aber nicht. "Von der ersten Minute an gehen wir hin und ziehen ihnen den Stecker und dann fahren wir mit dem Partybus wieder heim", brüllt Mölders in die Runde. Karger und Co. springen auf und klatschen in die Hände.

Es geht raus zum Training. Mölders selbst trainiert nicht mit. Er hat sich Anfang Oktober die Sehne gerissen und kann erst im kommenden Jahr wieder eingreifen. Bis dahin konzentriert er sich voll und ganz auf sein Amt als Coach. Den Mölders hat als Trainer hohe Ziele. Er will im Winter bei einem Drittligisten hospitieren und in den nächsten Jahren den Fußballlehrer machen. Ein Vorbild hat er dabei nicht: "Das brauch ich nicht. Was ich mir immer auf die Fahne geschrieben habe, ist, dass die Spieler, die spielen, eh glücklich sind. Aber du musst die Spieler bei Laune halten, die nicht spielen. Das ist eine Kunst."

Eine Kunst, die Mölders beherrscht. Auch bei strömenden Regen und 7 Grad jäten seine Jungs über den Landsberger Acker, werfen sich in jeden Zweikampf. Mölders steht an der Seite und schaut zu. "Karger, rechts hinten!", schreit er. Karger reißt es. Er jagt dem Ball hinterher, umkurvt seinen Gegenspieler und netzt ein. "Stark", brüllt ihm Mölders zu. Für Karger wäre der Trainerjob nichts. Er macht eine Ausbildung zum Kinderpfleger. Der 30-Jährige ist ein echter Familienmensch. Auch deshalb entschied er sich im Sommer 2022 dem Profigeschäft Lebewohl zu sagen.

Nach gut einer Stunden ist das Training aus. Pitschnass trottet Mölders in sein Trainerkammerl, schnauft tief aus und wirft sich auf seinen Stuhl: "Das macht keinen Spaß." Mölders schält sich sein Shirt vom Leib. "Bei Sechzig hatten wir einen Schuhofen", erklärt er seinem Trainerteam. Sein Torwarttrainer schaut ihn fragend an. "Da stellst du deine Schuhe rein. Aber wenn du deine 12-Euro-Schlappen reinwirfst, explodiert der Ofen. Peng", scherzt Mölders und stapft mit einem breiten Grinsen unter die Dusche.

Karger ist schon fertig. Zusammen mit seinen Mitspielern schaut er sich Steckbriefe, die die Spieler gegenseitig gemacht haben, an. Sie lachen viel, machen Witze. Mölders kommt dazu und klatscht seine Jungs ab. Ein Feierabendbier gibt es aber nicht.

"Die trinken nicht so viel Bier. Das hab ich ihnen eigentlich erlaubt nach dem Training. Das würde ich nicht verbieten", sagt Mölders. Da scheint es nur logisch, dass in seinem Steckbrief als Lieblingsgetränk Weißbier steht. Denn das Möldersche Erfolgsrezept ist einfach: Jeder gönnt dem anderen etwas.

QOSHE - "Wen wir haben wollen, bekommen wir auch": Ex-Löwe Mölders will beim ... - Kilian Kreitmair
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"Wen wir haben wollen, bekommen wir auch": Ex-Löwe Mölders will beim ...

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02.01.2024

München/Landsberg - Spieler wuseln in der Umkleidekabine des TSV Landsberg hin und her. Es riecht nach alten Fußballschuhen und einer gehörigen Ladung Schweiß. Mitten drin: Sascha Mölders (38) und Nico Karger (30). Mölders hat beim Bayernligisten eine neue Heimat gefunden. Seit Sommer 2022 ist er dort Spieler-Trainer und mischt zusammen mit seinem Sturmkollegen aus der Aufstiegssaison 2017/18 die 5. Liga auf.

"Männer, wie immer machen wir Videoanalyse", schreit Mölders durch die Kabine. Wie die Schulbuben setzen sich seine Spieler an ihren Platz und schauen erwartungsvoll in Richtung des Ex-Löwen, auch Karger. Mölders zippt einen 50-Zoll-Fernseher auf einem Bartisch an. "Wir müssen den Verteidiger attackieren. Wenn der mit dem Ball zu seinem eigenen Torhüter läuft, hat er einen Puls von 400", erklärt Mölders. Dabei tigert der Ex-Löwe hin und her, gestikuliert mit seinen Armen. Sein Blick schweift immer wieder in die Nebenkabine, wo Gattin Ivonne sitzt.

Die 43-Jährige ist immer an seiner Seite, und mittlerweile sogar Teammanagerin und Betreuerin seiner Mannschaft. "Wir wollten etwas machen, wo wir mehr Zeit miteinander verbringen können", erzählt sie. Höherklassiger Amateurfußball als Möldersches Beziehungsprojekt? Eher nicht. Denn geklappt hat das bisher nur so mittelmäßig. "Wir sehen uns im........

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