München - Hunderte Fußgänger streifen durch die Münchner Einkaufsmeilen, werfen einen Blick in die Schaufenster, betreten ein Geschäft, spontan oder gezielt, und erholen sich in Cafés vom Einkaufsbummel. Ein gewöhnliches Bild in einer Innenstadt. Weniger gewöhnlich sind die neuen Läden, die in die Theatiner- und die Kaufingerstraße eingezogen sind.

Ein flüchtiger Blick reicht womöglich nicht, um zu erkennen, was hier verkauft wird. Auch die Namen "Lotus", "Genesis" und "Fisker", die über den Eingangstüren zu lesen sind, dürften den Münchnern nicht weiterhelfen – es sind keine deutschen Unternehmen, die sich hier ausgebreitet haben. Erst beim Herantreten an die sogenannten "Showrooms" können Fußgänger die Autos erkennen, die mitten auf der Ladenfläche parken.

Am Odeonsplatz ist der britische Sportwagenhersteller Lotus da eingezogen, wo früher die San Francisco Coffee Company war. Im ehemaligen Esprit-Laden in der Theatinerstraße präsentiert nun Genesis seine Fahrzeuge, die koreanische Luxus-Automarke gehört zu Hyundai. Ganz neu ist in der Kaufingerstraße der amerikanische Elektrofahrzeug-Hersteller Fisker in den ehemaligen Räumlichkeiten von Douglas.

Gastronomie, Modegeschäft, Parfümerie - weg, ersetzt durch Fahrzeughersteller, die ihre Autos mitten in einer Fußgängerzone präsentieren. Ob sich hier die richtige Klientel findet? Wolfgang Fischer von City Partner, der Vereinigung der Unternehmen der Münchner Innenstadt, schmunzelt, als die AZ ihn nach seiner Einschätzung zu den Showrooms fragt. "Das ist ein bisschen anachronistisch. Erst die Autos verbannen und sie dann wieder in die Fußgängerzonen zurückholen", sagt Fischer.

Welches Ziel die Fahrzeughersteller mit ihren Showrooms verfolgen? Auf AZ-Anfrage reagierten die Unternehmen nicht. Genesis schreibt auf seiner Website: "Ebenso wichtig wie das unverwechselbare Design und die eindrucksvolle Leistung unserer Fahrzeuge, ist für uns Ihre Kauferfahrung. Erleben Sie von Anfang an unseren unübertroffenen Kundenservice und genießen Sie eine völlig neue Art, ein Premiumfahrzeug zu erwerben." Ob damit gemeint ist, dass Interessenten zu Fuß kommen, um ihr neues Auto zu begutachten, bleibt offen.

Das Unternehmen verspricht in seinem Studio eine "entspannte und anregende Atmosphäre". Hier sollen Interessenten die Modelle entdecken können und sich inspirieren lassen. "Oder gönnen Sie sich eine Pause vom Treiben der Stadt in unserer eleganten Lounge", heißt es weiter auf der Website. Auch Kaffee gibt es für die Kunden.

Rund 250 Meter weiter, bei Lotus, klingt das Konzept ähnlich. Kunden könnten in diesem Showroom mit Experten sprechen, sich Modellneuheiten ansehen und innovative Technologien hautnah erleben, die "neue Dimensionen in puncto Leistung und Luxus eröffnen", steht auf der Website des Unternehmens. "Das ist weitaus mehr als nur ein Showroom. Das ist eine Lotus Erlebniswelt, in der Sie in unsere legendäre Vergangenheit und unsere wegweisende Zukunft eintauchen können."

Wolfgang Fischer liefert eine andere Erklärung für die neue Entwicklung in der Innenstadt. Überwiegend seien es eher unbekannte Elektro-Automobil-Hersteller aus dem asiatischen Raum, die ihre Showrooms in den Fußgängerzonen eröffnet haben. Über die zentralen Münchner Einkaufsmeilen sagt er: "Das sind die frequenzstärksten Einkaufsstraßen der gesamten Republik. Deshalb wollen die Fahrzeughersteller da hin – die sind unbekannt."

Der Werbewert eines solchen Showrooms sei hoch, man generiere unfassbare Aufmerksamkeit. "Diese Showrooms haben selbst keine Magnetfunktion, profitieren aber von der hohen Passantenfrequenz, die andere schaffen", sagt Fischer. "Wenn sie sich weiter ausbreiten, wird es schwierig für die Passantenfrequenz." Weniger Leute in den Münchner Fußgängerzonen – wegen Autos? Auch das wäre eine neue Entwicklung in der sich stark verändernden Münchner Innenstadt.

Seit der Corona-Pandemie hat sich das Zentrum von München sehr verändert. Viele Geschäfte mussten schließen, neue Läden haben eröffnet – und manche stehen seit Monaten oder gar Jahren leer. Die AZ zeigt Ihnen in einer neuen Serie den Wandel der Einkaufsmeilen in der Innenstadt und erklärt die Hintergründe.

QOSHE - "Das ist anachronistisch": Welcher neue Trend jetzt in den Münchner ... - Julia Wohlgeschaffen
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"Das ist anachronistisch": Welcher neue Trend jetzt in den Münchner ...

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04.12.2023

München - Hunderte Fußgänger streifen durch die Münchner Einkaufsmeilen, werfen einen Blick in die Schaufenster, betreten ein Geschäft, spontan oder gezielt, und erholen sich in Cafés vom Einkaufsbummel. Ein gewöhnliches Bild in einer Innenstadt. Weniger gewöhnlich sind die neuen Läden, die in die Theatiner- und die Kaufingerstraße eingezogen sind.

Ein flüchtiger Blick reicht womöglich nicht, um zu erkennen, was hier verkauft wird. Auch die Namen "Lotus", "Genesis" und "Fisker", die über den Eingangstüren zu lesen sind, dürften den Münchnern nicht weiterhelfen – es sind keine deutschen Unternehmen, die sich hier ausgebreitet haben. Erst beim Herantreten an die sogenannten "Showrooms" können Fußgänger die Autos erkennen, die mitten auf der Ladenfläche parken.

Am Odeonsplatz ist der britische Sportwagenhersteller Lotus da eingezogen, wo früher die San Francisco Coffee Company war. Im ehemaligen Esprit-Laden in der Theatinerstraße präsentiert nun Genesis seine Fahrzeuge, die koreanische Luxus-Automarke gehört zu........

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