Frankfurt am Main - Ab Anfang nächster Woche könnte es wieder soweit sein: volle Bahnsteige, leere Gleise. Der Grund: die Arbeitskämpfe der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Diese will die Deutsche Bahn (DB) jedoch mit Hilfe juristischer Mittel unterbinden. Das ist für die DB kein Novum: Schon 2021 hatte sie versucht, die Ziele des siebentägigen Streiks der GDL wegen einer ungültigen Klausel für rechtswidrig erklären zu lassen.

Jetzt versucht es die Bahn wieder über den Rechtsweg, diesmal aber mit einem anderen Ansatz. Wie die DB auf Anfrage der AZ bestätigt, hat sie am Dienstag Klage gegen die GDL beim Hessischen Landesarbeitsgericht erhoben. Die Bahn will gerichtlich klären lassen, ob die GDL durch ihre Leiharbeiter-Genossenschaft Fair Train ihre Tariffähigkeit verloren hat. Der Vorwurf der Bahn: Es gebe personelle Verflechtungen und schwere Interessenskonflikte zwischen GDL und Fair Train. Die Gewerkschaft habe so gesehen einen Tarifvertrag mit sich selbst geschlossen.

"Die GDL tritt gleichzeitig als Arbeitgeber und als Gewerkschaft auf. Was ist sie denn nun?", fragt DB-Personalvorstand Martin Seiler. Er sehe die DB zu diesem Schritt gezwungen, da sie rechtssicher wissen müsse, ob sie es mit einem "handlungsfähigen Tarifpartner" zu tun habe. Die Bahn beruft sich dabei auf ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten des Kölner Professors Clemens Höpfner und Stellungnahmen in der arbeitsrechtlichen Literatur.

Im Sommer hatte GDL-Chef Claus Weselsky hingegen gesagt, Fair Train fungiere als "Personaldienstleister im Genossenschaftsmodell" unabhängig von der GDL. Im Oktober schloss die Leiharbeiter-Genossenschaft mit der Gewerkschaft einen Tarifvertrag ab. Uwe Böhm, GDL-Bezirksvorsitzender für Bayern, sieht die Klage gelassen. "Uns überrascht das nicht", sagt er der AZ. Und weiter: "Dieser Schritt wird auch die Streiks nicht aufhalten." Laut Böhm habe man bei der Gründung der Genossenschaft Fair Train darauf geachtet, dass es "da zu keiner Kollision" komme. Für ihn ist die Klage vor allem eins: "Das sieht ein bisschen nach einem DB-Rettungsanker aus." Denn: Es gibt keine einstweilige Verfügung.

Das heißt: Eine Entscheidung vor Gericht wird länger brauchen, meint auch Michael Fuhlrott, Professor für Arbeitsrecht an der Hochschule Fresenius in Hamburg. Bis zum Bundesverfassungsgericht könnte die Klage gehen, sagt er der AZ. Laut Bahn könne der Prozess sich sogar mehrere Jahre ziehen. Wie erfolgreich die Klage sein wird, kann der Arbeitsrechtexperte jedoch nicht einschätzen, denn deren Inhalte sind nicht öffentlich bekannt.

Was heißt das aber für die unmittelbar bevorstehenden Streiks? Die Lokführer wollen schließlich schon ab dem 8. Januar bis zu fünf Tagen am Stück ihre Arbeit niederlegen. Unmittelbar hat die Klage erstmal keine Konsequenzen. Aber: "Wenn ein Streik angekündigt wird, könnte die DB sagen, ihr dürft gar nicht rechtmäßig streiken, denn das setzt voraus, dass ihr eine Gewerkschaft seid", sagt Fuhlrott. Dafür müsste in einem Eilverfahren der konkrete Streik geprüft werden. Das Problem: Grobe Rechtswidrigkeit sei hier der Maßstab und die könne ein Gericht aller Voraussicht nach nicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren feststellen.

Auf Nachfrage der AZ hält sich die Bahn bedeckt, ob sie gegen einzelne Streiks Klage erhebt. "Das wird immer im Einzelfall entschieden, das ist kein Automatismus", sagt ein Sprecher der DB. Zugreisende müssen also zunächst weiterhin bangend die Fahrplan-Apps im Auge behalten.

QOSHE - Streiks in kommender Woche: Wie die GDL auf die Bahn-Klage reagiert - Guido Verstegen
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Streiks in kommender Woche: Wie die GDL auf die Bahn-Klage reagiert

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04.01.2024

Frankfurt am Main - Ab Anfang nächster Woche könnte es wieder soweit sein: volle Bahnsteige, leere Gleise. Der Grund: die Arbeitskämpfe der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Diese will die Deutsche Bahn (DB) jedoch mit Hilfe juristischer Mittel unterbinden. Das ist für die DB kein Novum: Schon 2021 hatte sie versucht, die Ziele des siebentägigen Streiks der GDL wegen einer ungültigen Klausel für rechtswidrig erklären zu lassen.

Jetzt versucht es die Bahn wieder über den Rechtsweg, diesmal aber mit einem anderen Ansatz. Wie die DB auf Anfrage der AZ bestätigt, hat sie am Dienstag Klage gegen die GDL beim Hessischen Landesarbeitsgericht erhoben. Die Bahn will gerichtlich klären lassen, ob die GDL durch ihre Leiharbeiter-Genossenschaft Fair Train ihre Tariffähigkeit verloren hat. Der Vorwurf der Bahn: Es gebe personelle........

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