München - Die Frau bezeichnet sich selbst als "Löwin, die es an die Stadt-Spitze geschafft hat". Verena Dietl (43) ist Sechzgerin von klein auf, saß schon im 1860-Verwaltungsrat und ist inzwischen als Dritte Bürgermeisterin für den Sport in der Stadt verantwortlich. Und damit auch für ihren persönlichen Münchner Lieblingsort: das Grünwalder Stadion. Das gilt dem TSV 1860 als unprofitabel, es ist in die Jahre gekommen, nur noch 15.000 Zuschauer dürfen rein.

Eigentlich hat die Stadt schon länger eine sehr große Modernisierung beschlossen. Zwar dürften auch dann nur 18.105 Karten verkauft werden – viel weniger als einst. Aber das Stadion wäre modern, komplett überdacht, VIP-Logen würden neue Vermarktungsmöglichkeiten bringen. Voran geht aber seit Jahren nichts. Warum und ob überhaupt noch sicher ist, dass die Bagger in Giesing anrollen, darüber spricht Verena Dietl im großen AZ-Interview.

AZ: Frau Dietl, vor einem Jahr hieß es, der Stadtrat beschließt im ersten Halbjahr 2023 den Sechzgerstadion-Ausbau. Im Juli sagten Sie dann, Sechzig habe nochmal Zeit erbeten für eigene Ideen für eine höhere Kapazität. Ist seitdem wieder einfach nichts passiert?
VERENA DIETL: Es haben immer wieder Gespräche stattgefunden zwischen der Stadt und den Löwen. Aber geliefert haben sie nicht. Eine Studie, wie man die Kapazität auf 25.000 erhöhen könnte, liegt weiter nicht vor. Offen ist auch die Frage, ob der Verein weiter mieten möchte – oder ob das Stadion in Erbpacht übernommen beziehungsweise eine Betriebsgesellschaft gegründet wird. Langsam geht unsere Geduld zu Ende.

Was folgt daraus?
Ich werde wirklich ungeduldig. Die Stadtspitze will dem Versprechen an den Verein, vor allem aber an die Fans nachkommen. Wenn man die Situation jetzt wieder bei Sechzig sieht, wird es aber wohl wieder Monate dauern, Fragen zu klären.

Wissen Sie als Stadt derzeit überhaupt, wer Ihr Ansprechpartner ist? Ruft die Bürgermeisterin noch den Geschäftsführer der Profifußballfirma KGaA an, der schon wieder vor dem Aus steht – oder den gewählten Präsidenten, der für Zehntausende Mitglieder spricht?
Für mich zählt erstmal: Sechzig wird nie untergehen, die Löwen werden immer Bestand haben. Ich bin nicht nur mit der KGaA und dem Präsidium im Gespräch, sondern mit vielen, die Sechzig verbunden sind. Ich spreche natürlich auch mit der Fanszene, den Faninitiativen und Organisationen. Bestand haben ja vor allem die Fans, denen gilt unser Versprechen. Aber natürlich brauchen wir als Stadt auch klare Ansprechpartner, um etwas voranbringen zu können. Wir brauchen klare Absprachen, um Entscheidungen zu treffen.

Vor einem Jahr schien es, als sei man kurz vor einer Einigung, Sechzig würde sich bekennen zum Standort, die Stadt ganz konkret einen Um- und Ausbauplan beschließen. Was ging dann schief?
Von der Stadt aus ging gar nichts schief. Sechzig hat immer wieder neue Themen aufgemacht. Wollen sie doch einen anderen Standort? Wollen sie doch mehr Kapazität? Ich habe auch Kontakte hergestellt für ein eigenes Gutachten, mit dem die Löwen mehr Zuschauer ermöglichen wollten. Aber: Wir brauchen eben klare Signale, wohin die Reise gehen soll.

Sie haben gesagt, Sie werden langsam ungeduldig. Viele Menschen im Löwen-Umfeld sind es längst. Wie lange soll das ewige Schwarze-Peter-Spiel noch weitergehen? Müssten Sie nicht ehrlicherweise sagen: Wir kommen mit Sechzig nicht zusammen, die Stadt braucht einen Plan B für das Stadion, eine Idee, wie sie es saniert ohne klare Zusage, wer es wie lange zu welchen Konditionen sicher nutzt?
Wir haben ja immer wieder Gespräche geführt und versucht, Fragen zu beantworten. Aber ja, langsam sehe ich auch kaum noch Spielraum. Wir müssen eine Entscheidung treffen, wie wir das Stadion sanieren. Aktuell reden wir mit Sechzig übrigens schon konkret – darüber, wie wir die Zuschauerkapazität schon vor einem Umbau erweitern könnten.

Ach ja? Da könnte kurzfristig Bewegung reinkommen, dass für die auch bei ausverkauftem Haus oft absurd leeren Stehblöcke mehr Tickets verkauft werden können und man näher an die 18.105 kommt, die die Stadt einst als Obergrenze definiert hat?
Ja, dazu gibt es einen Vorschlag von Sechzig. Wir versuchen das. Aber es geht eben um etwas anderes: Dass wir das Stadion insgesamt sanieren müssen für die Zukunft.

Trotzdem nochmal kurz konkret zur kurzfristigen Kapazitätserweiterung: Wie ist da der Stand? Und wann könnte es Fakten geben?
Es geht um eine Erweiterung im derzeitigen Bestand von 15.000 auf etwa 17.000. Das betrifft, wie Sie angesprochen haben, vor allem die Westkurve. Wir haben signalisiert, dass wir uns das gerne anschauen, es braucht aber eine Machbarkeitsstudie zu den Auswirkungen.

Machbarkeitsstudie klingt aber gar nicht kurzfristig. Das heißt, wir sprechen da selbst für diese kleine Maßnahme von mehreren Jahren?
Mich graust es auch, wenn ich Machbarkeitsstudie höre. Aber als öffentliche Hand müssen Sie das machen. Ich werde versuchen, es zu beschleunigen, unsere städtische Lokalbaukommission ist da ja auch beteiligt.

Wenn man die aktuelle Lage bei Sechzig sieht, werden Sie wohl auch in nächster Zeit kein kräftiges Bekenntnis zum Standort Giesing von allen Beteiligten bekommen. Stellen Sie sich am Ende doch auf eine ewige Hängepartie um Ihre SPD-Wahlversprechen "Wir bauen das Stadion aus" ein?
Wir müssen irgendwann im Stadtrat klären, wie wir damit umgehen, wenn weiter kein gemeinsames Ziel absehbar ist. Ich favorisiere die Variante mit den geschlossenen Ecken für einen weitgehenden Lärmschutz für die Nachbarn, mit der eine Kapazitätserweiterung auf 18.105 verwirklicht werden kann.

Im Rathaus hatte KGaA-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer, der bald gehen muss, den Ruf als seriöser Gesprächspartner. Oder nicht?
Wir haben gute Gespräche gehabt. Aber auch von ihm wurden Sachen verzögert, Dinge nicht vorgelegt wie angekündigt. Ich hätte mir gewünscht, dass wir heute schon weiter wären.

Kurz zu einem Detail: Wir haben von Sechzig gehört, dass der alte, sichtbehindernde Zaun vor der Stehhalle wegkommen könnte. Was ist da dran?
Ja, das ist als Wunsch an uns herangetragen worden. Man versucht, eine Lösung zu finden. Es gibt erste Signale, dass das klappen könnte. Wir brauchen aber Zusagen von allen Nutzern des Stadions.

Was könnte denn dagegen sprechen, wie bei eigentlich allen Sitzplatzbereichen moderner deutscher Stadien, keinen Zaun mehr vor der Nase zu haben?
Offenbar wären dann bei bestimmten Spielen mehr Ordner nötig. Das muss man klären.

Wie schätzen Sie es politisch im Rathaus ein. Es gibt ja einen grundsätzlichen einmütigen Stadtratsbeschluss zu einem großen Umbau inklusive VIP-Logen, schon damals war von 70 Millionen Euro Kosten die Rede, sehr viel Steuergeld. Wie lange wird sich der Stadtrat an diesen Beschluss gebunden fühlen? Heißt es nicht irgendwann: Sechzig hatte seine Chance, die Kassen sind leer, das machen wir nicht mehr?
Ich habe bei dem Thema alle Fraktionen mitgenommen, es gibt weiter eine gemeinsame Haltung zum Ausbau. Aber natürlich gibt es mittlerweile so ein gewisses Gefühl im Rathaus: Wir haben uns bekannt – und Sechzig kommt immer noch mit irgendeinem Haken.

Sie haben immer betont, dass das Stadion so oder so saniert werden muss, um nicht auseinanderzufallen. Es soll ja weiter genutzt werden. Wie sieht der Plan B aus, wenn Sie sich nicht mit den Löwen einigen? Trotzdem eine Rundumüberdachung zum Beispiel?
Wir müssen auf jeden Fall jetzt mit der Sanierung weiterkommen und konkrete Planungen in die Wege leiten. Dies möchte ich weiter vorantreiben und stehe zu der Variante mit der höheren Zuschauerzahl und dem Lärmschutz für die Anwohner. Deshalb brauchen wir die Löwen jetzt für eine Entscheidung. Wir brauchen eine klare Ansage – was sie planen. Und was nicht.

QOSHE - Bürgermeisterin macht den Löwen Druck: "Meine Geduld ist am Ende" - Felix Mã¼Ller
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Bürgermeisterin macht den Löwen Druck: "Meine Geduld ist am Ende"

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28.11.2023

München - Die Frau bezeichnet sich selbst als "Löwin, die es an die Stadt-Spitze geschafft hat". Verena Dietl (43) ist Sechzgerin von klein auf, saß schon im 1860-Verwaltungsrat und ist inzwischen als Dritte Bürgermeisterin für den Sport in der Stadt verantwortlich. Und damit auch für ihren persönlichen Münchner Lieblingsort: das Grünwalder Stadion. Das gilt dem TSV 1860 als unprofitabel, es ist in die Jahre gekommen, nur noch 15.000 Zuschauer dürfen rein.

Eigentlich hat die Stadt schon länger eine sehr große Modernisierung beschlossen. Zwar dürften auch dann nur 18.105 Karten verkauft werden – viel weniger als einst. Aber das Stadion wäre modern, komplett überdacht, VIP-Logen würden neue Vermarktungsmöglichkeiten bringen. Voran geht aber seit Jahren nichts. Warum und ob überhaupt noch sicher ist, dass die Bagger in Giesing anrollen, darüber spricht Verena Dietl im großen AZ-Interview.

AZ: Frau Dietl, vor einem Jahr hieß es, der Stadtrat beschließt im ersten Halbjahr 2023 den Sechzgerstadion-Ausbau. Im Juli sagten Sie dann, Sechzig habe nochmal Zeit erbeten für eigene Ideen für eine höhere Kapazität. Ist seitdem wieder einfach nichts passiert?
VERENA DIETL: Es haben immer wieder Gespräche stattgefunden zwischen der Stadt und den Löwen. Aber geliefert haben sie nicht. Eine Studie, wie man die Kapazität auf 25.000 erhöhen könnte, liegt weiter nicht vor. Offen ist auch die Frage, ob der Verein weiter mieten möchte – oder ob das Stadion in Erbpacht übernommen beziehungsweise eine Betriebsgesellschaft gegründet wird. Langsam geht unsere Geduld zu Ende.

Was folgt daraus?
Ich werde wirklich ungeduldig. Die Stadtspitze will dem Versprechen an den Verein, vor allem aber an die Fans nachkommen. Wenn man die Situation jetzt wieder bei Sechzig sieht, wird es aber wohl wieder Monate dauern, Fragen zu klären.

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