München - Vier Tage arbeiten, drei Tage Zeit haben für Hobbys, Familie, Haushalt. 81 Prozent der Menschen, die die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung befragte, wünschen sich das. Für die meisten von ihnen kommt das aber nur bei gleichem Lohn in Frage.

Die Münchner Gewerkschaften unterstützen die Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit. Das machten sie bei ihrer Jahrespressekonferenz deutlich. Sie sind überzeugt, dass Arbeitgeber dadurch sogar den Fachkräftemangel bekämpfen können.

Ein Alarm-Zeichen für Simone Burger, die Chefin des DGB in München: "Fast ein Drittel der Beschäftigten wollen ihre Arbeitszeit aus gesundheitlichen Gründen reduzieren." Sie beobachtet, dass die Arbeitsbelastung in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen sei. Die Folge: immer mehr Ausfälle, immer mehr Krankheitstage.

Tatsächlich machten die Beschäftigten in Deutschland laut DGB im vergangenen Jahr 1,3 Milliarden Überstunden. Das entspreche etwa 809.000 Vollzeitstellen. Ist also gerade der richtige Moment, eine Reduzierung der Arbeitszeit zu fordern?

Für Manfred Gößl, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, ist die Antwort klar: "Wenn wir unseren Wohlstand sowie unsere Wirtschaftsleistung annähernd halten möchten, müssen wir mehr arbeiten – nicht weniger." Schließlich sei auch in München der Arbeitskräftemangel zu spüren. "Der Bus- und U-Bahnfahrplan ist ausgedünnt, Läden und Gaststätten haben einen Tag öfter geschlossen, Lieferungen dauern länger, Pflegekräfte fehlen für Kranke und Senioren." Und weil in den nächsten Jahren doppelt so viele Menschen in Rente gehen wie die Schule verlassen, rechnet Gößl damit, dass Bayern in den kommenden Jahren mehr als eine Million Arbeitskräfte fehlen.

Claudia Weber, die stellvertretende Geschäftsführerin von Verdi, glaubt hingegen: "Eine kürzere Arbeitszeit kann ein Weg sein, Berufe wieder attraktiver zu machen." Zum Beispiel weiß sie, dass Kliniken in München zwar Pflegepersonal aus Spanien anwarben. Doch dann sei dieses schnell weiter nach Skandinavien gezogen - weil dort bessere Arbeitsbedingungen herrschen würden.

Tatsächlich sind Unternehmen schon etwas flexibler geworden, was die Arbeitszeit betrifft. Bei der Bahn und der Post können sich die Beschäftigten entscheiden, ob sie mehr Geld oder mehr freie Tage haben möchten. 56 Prozent entscheiden sich für die Freizeit. Auch im BMW-Werk arbeiten die Mitarbeiter nur vier Tage, allerdings müssen sie die Stunden an anderen Tagen wieder reinholen.

Prinzipiell, glaubt Burger, könne es jedes Unternehmen schaffen, die vier Tage Woche einzuführen. Dass es sogar in der Pflegebranche klappt, die Arbeitszeit zu verkürzen, zeigt die Awo in Augsburg. Die führte im Dezember 2022 die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ein. Für die Awo in München wird das aber wohl so schnell nicht kommen. "Uns schreckt die Frage: Wie holen wir die Stunden wieder rein?", sagt Awo-Geschäftsführer Hans Kopp. Schließlich könnten in Pflegeheimen schon jetzt nicht alle Betten belegt werden, weil so viel Personal fehlt.

Auch Robert Ottitsch könnte in seinem Ingenieurbüro in Allach gut fünf bis sieben Mitarbeiter mehr gebrauchen. Jetzt arbeiten bei ihm knapp 50 Menschen. "Und wir müssen immer wieder Projekte ablehnen." Trotzdem hat er sich dafür entschieden, dass seine Mitarbeiter weniger arbeiten sollen statt mehr.

Seit Anfang dieses Jahres hat das Büro nicht mehr 40 Stunden an fünf Tagen auf, sondern nur noch 36 Stunden an vier Tagen. Ottitsch hofft, so seine eigenen Mitarbeiter zufriedener zu machen. Früher habe er praktisch null Bewerbungen bekommen, "jetzt sind es drei, vier pro Woche." Ein Treffer war auch schon dabei.

QOSHE - Trotz Fachkräftemangel: Dieses Unternehmen aus München führt die ... - Christina Hertel
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31.01.2024

München - Vier Tage arbeiten, drei Tage Zeit haben für Hobbys, Familie, Haushalt. 81 Prozent der Menschen, die die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung befragte, wünschen sich das. Für die meisten von ihnen kommt das aber nur bei gleichem Lohn in Frage.

Die Münchner Gewerkschaften unterstützen die Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit. Das machten sie bei ihrer Jahrespressekonferenz deutlich. Sie sind überzeugt, dass Arbeitgeber dadurch sogar den Fachkräftemangel bekämpfen können.

Ein Alarm-Zeichen für Simone Burger, die Chefin des DGB in München: "Fast ein Drittel der Beschäftigten wollen ihre Arbeitszeit aus gesundheitlichen Gründen reduzieren." Sie beobachtet, dass die Arbeitsbelastung in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen sei. Die Folge: immer mehr Ausfälle, immer mehr Krankheitstage.

Tatsächlich machten die Beschäftigten in Deutschland laut DGB im vergangenen........

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