München - Mehr als 450 Menschen haben unterschrieben. Sie wollen, dass die Vereinsgaststätte Pyrsos in Englschalking erhalten bleibt. Um dort Kontakte zu pflegen. Um die Wartezeit für die Eltern angenehmer zu machen. Weil die Gaststätte ein wichtiger Treffpunkt im Viertel ist – für Stammtische, Elternabende, den Bezirksausschuss. Und weil Gastronomie auf der Anlage zum Fußball gehört wie die Pfeife zum Schiedsrichter.

All das sind Kommentare, mit denen die Menschen in einer Online-Petition begründen, warum die Taverne bleiben soll, die auf dem Vereinsgelände des SV Helios Daglfing liegt. Die Gaststätte hatte vor Kurzem Post vom städtischen Sportamt erhalten mit der Nachricht: Dem Pächter werde, wenn die Bezirkssportanlage saniert wird, gekündigt. Wann das genau passieren soll, steht noch nicht fest. Dass in der neuen Anlage keine Vereinsgaststätte mehr enthalten sein soll, schon. Verantwortlich dafür ist ein Beschluss des Stadtrates, der auch für andere Sportgaststätten das Aus bedeuten könnte.

Ende 2023 beschloss der Stadtrat, dass auf Bezirkssportanlagen, wenn diese saniert werden, die Gaststätten durch Kioske ersetzt werden sollen. Es gab übrigens keine Gegenstimmen dafür, weder im Ausschuss noch in der Vollversammlung noch im Sportbeirat, wo auch die Vereine mitreden.

Die Gründe dafür: Vereine brauchen mehr Platz – für mehr Umkleiden, Duschen, Lagerräume. Außerdem ist es das Ziel, dass auch mehr Mädchen und Personen mit einer Behinderung Sportvereine besuchen. So schildert es das Sportamt in einer Mitteilung. Und es weist darauf hin: Es sei nicht grundsätzlich beschlossen worden, dass es gar keine Vereinsgastronomie mehr geben soll.

Es geht erst einmal um die Gastro auf drei Bezirkssportanlagen (BSA), bei denen eine Sanierung ansteht. Ganz oben auf der Liste ist die Anlage an der Westpreußenstraße in Englschalking, wo die Taverna Pyrsos liegt. Aber auch die Anlagen an der Demleitnerstraße in Untersendling sowie die Anlage an der Feldbergstraße in Trudering nennt das Rathaus.

In diesen Fällen sei es so, dass die Stadt die Lokale verpachte, erklärt Beppo Brem von den Grünen. Er ist ehrenamtlich im Bayerischen Landessportverband (BLSV) aktiv. "Wenn die Vereine sagen würden, sie übernehmen das und suchen einen Pächter, ist das natürlich möglich." Der Stadtrat beschloss nämlich, dass es Ausnahmen geben kann.

Doch Brem bezweifelt, dass sich viele Vereinsvorsitzende finden lassen, die sich diese Aufgabe antun wollen. Weil sie dann mehr damit beschäftigt wären, einen passenden Wirt zu finden als mit Trainingsplänen, fürchtet Brem. Als er Vorsitzender des SV 1880 war, habe er innerhalb von zwei Jahren dreimal einen neuen Pächter für die Gaststätte suchen müssen. Denn für keinen habe sich das Geschäft auf der Sportanlage rentiert, wo alle möglichst billige Preise erwarten.

Dass die Stadt "auch in der aktuellen Haushaltslage" weitere Bezirkssportanlagen saniert, begrüßt auch der Bayerische Landessportverband mit seinen über 600 Mitgliedervereinen, heißt es in einer Mitteilung. "Die Anlagen sind in die Jahre gekommen, oft fehlt es an ausreichend Duschen oder kleineren Übungsräumen für zusätzliche Sportangebote, zum Beispiel für Senioren und Seniorinnen", sagt Katharina Seßler, die Kreisvorsitzende des Verbandes in München.

Und sie erklärt auch, warum die Vereinsvertreter im Sportbeirat den Entfall von großen Sportgaststätten zugunsten von kleineren Kiosken einstimmig mitgetragen haben: "In vielen Fällen tragen sich die Vereinsgaststätten wirtschaftlich nicht. Und im Zweifel war uns in den Sportvereinen, die die Bezirkssportanlagen nutzen, wichtiger, dass es zusätzliche Räume gibt, die wir direkt für unsere Sportangebote nutzen können."

Trotzdem ist die Aufregung groß. Ulrike Grimm, die in der CSU-Fraktion für Sport zuständig ist, fordert: "Wenn ein Beschluss des Stadtrats auf so großen Protest bei den Bürgerinnen und Bürgern stößt, dann muss er korrigiert werden." Das Sportamt müsse mit allen Vereinen sprechen und nach Lösungen suchen. Jeder Fall sei anders, sagt Grimm. Ihr hätten auch viele Vereine geschrieben, dass sie sich auf mehr Platz freuen und dass ohnehin kaum jemand mehr nach dem Training in der Vereinsgaststätte zusammenhockt. "Aber eine Gaststätte, die wie in Englschalking gut angenommen wird, wollen wir natürlich nicht kaputt machen."

Die Sorge, dass das passieren könnte, ist auch in Sendling groß. Dort fürchtet der Bezirksausschuss, dass in seiner Gaststätte "Zum Blaustern" die Lichter ausgehen. Schließlich liegt die an der Sportanlage an der Demleitnerstraße, die die Stadt sanieren und lieber mit einem Kiosk ausstatten will. Der Bezirksausschuss beschloss vergangene Woche auf einen Antrag der SPD hin, dass die Gaststätte erhalten bleiben muss. Sie sei ein wichtiger Treffpunkt, wo es auch noch günstige Gastro gibt, sagt Markus Lutz (SPD), der Chef des Bezirksausschusses.

Ein bisschen beruhigt klingt er inzwischen: Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat die Stadtverwaltung angewiesen, den betroffenen Vereinen alle Sanierungsmaßnahmen frühzeitig zu kommunizieren und mit ihnen abzustimmen. Bis dahin soll es keine Kündigungen geben.

QOSHE - Sportvereine in München laufen Sturm gegen den Stadtrat – jetzt ... - Christina Hertel
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Sportvereine in München laufen Sturm gegen den Stadtrat – jetzt ...

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15.01.2024

München - Mehr als 450 Menschen haben unterschrieben. Sie wollen, dass die Vereinsgaststätte Pyrsos in Englschalking erhalten bleibt. Um dort Kontakte zu pflegen. Um die Wartezeit für die Eltern angenehmer zu machen. Weil die Gaststätte ein wichtiger Treffpunkt im Viertel ist – für Stammtische, Elternabende, den Bezirksausschuss. Und weil Gastronomie auf der Anlage zum Fußball gehört wie die Pfeife zum Schiedsrichter.

All das sind Kommentare, mit denen die Menschen in einer Online-Petition begründen, warum die Taverne bleiben soll, die auf dem Vereinsgelände des SV Helios Daglfing liegt. Die Gaststätte hatte vor Kurzem Post vom städtischen Sportamt erhalten mit der Nachricht: Dem Pächter werde, wenn die Bezirkssportanlage saniert wird, gekündigt. Wann das genau passieren soll, steht noch nicht fest. Dass in der neuen Anlage keine Vereinsgaststätte mehr enthalten sein soll, schon. Verantwortlich dafür ist ein Beschluss des Stadtrates, der auch für andere Sportgaststätten das Aus bedeuten könnte.

Ende 2023 beschloss der Stadtrat, dass auf Bezirkssportanlagen, wenn diese saniert werden, die Gaststätten durch Kioske ersetzt werden sollen. Es gab übrigens keine Gegenstimmen dafür, weder im Ausschuss noch in der Vollversammlung noch im Sportbeirat, wo auch die Vereine........

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