München - Eigentlich hat sich das Rathaus beim Radverkehr viel vorgenommen: An über 50 verschiedenen Stellen in der Stadt sind neue, breitere Radwege geplant. Doch fertig sind bislang kaum welche. "Es dauert zu lange, jeden Radweg zu bauen", stellt Mona Fuchs, die Fraktionschefin der Grünen, fest. Zwar sei ein gebauter Radweg am sichersten. Allerdings seien die Kosten massiv gestiegen.

Auch durch den Fachkräftemangel ergeben sich laut Fuchs Verzögerungen. Sie schlägt deshalb ein Umdenken vor: Statt zu bauen, sollte die Stadt mehr abmarkieren.

So wie damals in Corona-Zeiten, als die Stadt die Pop-up-Radwege auf die Straße malte, soll es ganz schnell gehen. Schon im Herbst spätestens bis zum Ende der Legislatur sollen neue abmarkierte Radwege fertig sein, hofft Fuchs. Am dringendsten sind aus ihrer Sicht die Schwanthalerstraße, die Paul-Heyse-Straße und die Lindwurmstraße.

Für die Lindwurmstraße stellte das Mobilitätsreferat im Sommer bereits Pläne vor. Auf jeder Seite eine Autospur und fast die Hälfte der bestehenden Parkplätze sollen entfallen, damit neben den Pappeln ein Radweg Platz hat. Dieses Jahr soll der Stadtrat darüber entscheiden, kündigt das Mobilitätsreferat an.

Doch wenn der abmarkierte Radweg gut funktioniere, könne er aus Fuchs Sicht eine längerfristige Lösung sein. Vorstellbar sei, dass Trennelemente für Sicherheit sorgen – so wie bei den Protected-Bike-Lanes, die die Stadt etwa in der Brienner Straße testete. "So lange die Verkehrssicherheit gegeben ist, bin ich dafür, lieber in die Masse zu gehen", sagt Fuchs.

"Dass es viel zu lange dauert, Radwege zu bauen – darüber klagen wir schon lange", sagt Andreas Schön, der Chef des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) in München.

Grundsätzlich habe er nichts dagegen, Radwege nicht zu bauen, sondern abzumarkieren, so lange es eine Trennung zum Autoverkehr gibt. "Ob das ein Bordstein ist oder ein Protection-Element ist nicht entscheidend", sagt er. Die Lindwurmstraße hält er – zumindest im Abschnitt vom Sendlinger Tor bis zum Goetheplatz – durchaus für eine Markierung geeignet. Dahinter wird es aus seiner Sicht schwierig, weil Parkplätze und Lieferzonen im Weg seien. Einfach abmarkieren, statt zu bauen, geht also seiner Meinung nach längst nicht überall.

Wichtig ist dem Radl-Aktivisten außerdem, dass die Projekte, bei denen die Planungen schon weit fortgeschritten sind, nun auch umgesetzt werden. Neun Radwege hat das Mobilitätsreferat zum Teil schon vor über einem Jahr der Öffentlichkeit vorgestellt: an der Truderinger Straße, am Stiglmaierplatz, an der Lindwurmstraße, der Ridlerstraße, der Werinherstraße, der Ungererstraße, der Englschalkinger Straße, der Pilgersheimerstraße und der Vollmannstraße.

Aber beschlossen hat der Stadtrat die Umsetzung all dieser Maßnahmen nicht. Seit Herbst liegen die Prozesse auf Eis - so beobachtet es zumindest Andreas Schön. Damals stimmte der Stadtrat dafür, dass aus dem markierten Radweg in der Elisenstraße ein baulicher werden soll. Von Kosten von 14 Millionen Euro für 500 Meter Radweg war damals die Rede. Luxusradweg!, schimpfte die CSU. Und nicht nur sie blendete aus, dass für das Geld die gesamte Kreuzung am Lenbachplatz verbessert werden sollte, so sieht es zumindest Schön.

Doch auch die grün-rote Rathauskoalition geriet damals ins Grübeln. Die SPD setzte durch, dass die Radentscheid-Maßnahmen neu priorisiert werden. "Das war völlig unnötig", sagt Schön. "Dadurch ist locker ein halbes Jahr, wenn nicht länger verloren gegangen." Für 2024 kündigt das Mobilitätsreferat an, dass auch der Stadtrat über sieben Radwege, die der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, entscheiden soll.

Nicht dabei: der Radweg an der Pilgersheimerstraße. Hier seien noch Abstimmungen mit der Branddirektion und der MVG notwendig. Der Beschluss soll deshalb erst 2025 kommen. Und der Radweg an der Vollmannstraße sei aufgrund "weiterer komplexer Planungsschritte zunächst zurückgestellt", heißt es vom Mobilitätsreferat.

Der Papierstapel der Radwege-Pläne ist also hoch im Rathaus. Und beim Radlaktivisten Schön wachsen die Bedenken, dass der noch eine ganze Weile unangetastet so liegen bleibt. Er kündigt deshalb für 2024 Vorschläge an, die die Stadt schnell mit etwas Farbe auf dem Boden und realisieren könnte. Eine davon ist besonders bekannt: die Isar-Parallele, wo momentan in zwei Richtungen Radler unterwegs sind. Doch auch hier hätte die Markierung einen Preis: Parkplätze.

QOSHE - Keine Luxusradwege mehr in München: Was die Stadt jetzt stattdessen vorhat - Christina Hertel
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Keine Luxusradwege mehr in München: Was die Stadt jetzt stattdessen vorhat

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07.01.2024

München - Eigentlich hat sich das Rathaus beim Radverkehr viel vorgenommen: An über 50 verschiedenen Stellen in der Stadt sind neue, breitere Radwege geplant. Doch fertig sind bislang kaum welche. "Es dauert zu lange, jeden Radweg zu bauen", stellt Mona Fuchs, die Fraktionschefin der Grünen, fest. Zwar sei ein gebauter Radweg am sichersten. Allerdings seien die Kosten massiv gestiegen.

Auch durch den Fachkräftemangel ergeben sich laut Fuchs Verzögerungen. Sie schlägt deshalb ein Umdenken vor: Statt zu bauen, sollte die Stadt mehr abmarkieren.

So wie damals in Corona-Zeiten, als die Stadt die Pop-up-Radwege auf die Straße malte, soll es ganz schnell gehen. Schon im Herbst spätestens bis zum Ende der Legislatur sollen neue abmarkierte Radwege fertig sein, hofft Fuchs. Am dringendsten sind aus ihrer Sicht die Schwanthalerstraße, die Paul-Heyse-Straße und die Lindwurmstraße.

Für die Lindwurmstraße stellte das Mobilitätsreferat im Sommer bereits Pläne vor. Auf jeder Seite eine Autospur und fast die Hälfte der bestehenden Parkplätze sollen entfallen, damit neben den Pappeln ein Radweg Platz hat. Dieses Jahr........

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