München - Mehr Siedlungen auf der grünen Wiese, hochgezogen in einem Tempo wie in den Siebziger Jahren – das forderte Kanzler Olaf Scholz (SPD) Ende 2023. In München gibt es dafür gar nicht mehr viel Platz.

Zwei letzte freie Flächen gibt es aber doch. Die eine liegt im Münchner Nordosten bei Daglfing und Englschalking. Hier gibt es bereits einen groben Plan, wie das neue Viertel aussehen könnte. Die zweite Fläche liegt im Münchner Norden, im Stadtteil Feldmoching. Dieses Jahr will die Stadt mit den Bürgern die ersten Pläne erarbeiten.

Das Areal ist 900 Hektar groß. Das ist mehr als doppelt so groß wie die Maxvorstadt. Auf fast der Hälfte der Fläche bauen Landwirte hauptsächlich Getreide, Mais, Kartoffeln und Feldgemüse an, das sie auch in München verkaufen.

Nahezu alle Landwirte wollen in den kommenden Jahren weiter machen. Viele treibt die Sorge um, dass eine anderweitige Nutzung der Fläche die Existenz ihres Betriebes gefährden könnte. So fasst die Stadt die Ergebnisse einer Befragung unter den Landwirten vor Ort zusammen.

Dass die Stadt die Flächen bebauen will, ist seit Jahren klar. Grüne und SPD haben bereits im Sommer 2020 beschlossen, vorbereitende Untersuchungen für eine Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) zu starten. Das ist ein Instrument im Baugesetzbuch, das es Kommunen erleichtert, große Gebiete zu überplanen, auch wenn ihnen dort der Grund nicht gehört. Mit der SEM sollen Siedlungen aus einem Guss entstehen. Denn auf kleinteilige Grundstückzuschnitte muss die Stadt dann keine Rücksicht nehmen.

Als letzte Möglichkeit könnte sie Eigentümer sogar zum Verkauf zwingen. Gleichzeitig verhindert eine SEM Spekulation, Bodenpreise werden eingefroren, Gewinne kann die Stadt abschöpfen, um Schulen, Straßen und ÖPNV zu bauen. Endgültig beschlossen ist die SEM noch nicht. Vorher muss die Stadt erst ermitteln, ob die Eigentümer nicht ohnehin bereit wären, bei Planungen mitzumachen.

Bei den Anwohnern und bei den Eigentümern hält sich die Begeisterung bei der Aussicht auf eine Baustelle in Grenzen, weiß SPD-Stadträtin Simone Burger. Sie hofft trotzdem darauf, dass es die Stadt schafft, möglichst alle bei den Planungen mitzunehmen. Gelingen solle das durch eine besondere Form der Bürgerbeteiligung, die die Stadt in diesem Herbst zum ersten Mal ausprobieren will. Geplant ist eine Ideenwerkstatt.

Anders als sonst bei Planungen üblich sollen die Bürger diesmal nicht erst beteiligt werden, wenn es schon ausgearbeitete Pläne gibt, sondern vorher, erklärt Burger. Visionen und Ideen für das Areal sollen bei mehrtägigen Veranstaltungen entwickelt werden. Von einer "gläsernen Werkstatt", an der sich Eigentümer, Öffentlichkeit, Politik und Verbände beteiligen sollen und von "größtmöglicher Transparenz" ist in dem Stadtratsbeschluss die Rede.

Vorher muss die Stadt allerdings verschiedene Gutachten – etwa zum Verkehr, zur Landwirtschaft und zum Stadtklima – vorlegen. Denn diese bilden die Grundlage für den Dialog. Auch bis zu acht Planungsteams sollen an der Ideenwerkstatt teilnehmen. Am Ende soll ein Gremium eine Empfehlung abgeben, wie das Gebiet bebaut werden könnte.

Simone Burger und auch Anna Hanusch von den Grünen betonen beide, dass der Ausgang der Werkstatt wirklich offen ist. Sicher ist sich Hanusch, dass nicht die gesamten 900 Hektar bebaut werden, sondern dass bestimmte Grün- und Ackerflächen auf jeden Fall frei bleiben.

Trotzdem freuen sich vor Ort längst nicht alle über die Ideenwerkstatt. Der Bezirksausschuss Feldmoching lehnte sie einstimmig ab, sagt Rainer Großmann von der CSU. Er ist der Chef des Gremiums. Auch in der letzten Bürgerversammlung seien um die 16 Anträge zur Ideenwerkstatt eingegangen – alle mit einem anderen Schwerpunkt, aber alle mit der gleichen Haltung: Sie sind dagegen.

Warum? Großmann glaubt nicht daran, dass der Ausgang am Ende wirklich offen ist. Bei der Bebauung in Ludwigsfeld, auch in seinem Bezirk, sei von dem, was die Bürger einbrachten, am Ende gar nichts umgesetzt worden, sagt Großmann.

Seine Meinung steht auf jeden Fall fest: Er ist gegen eine Bebauung des Münchner Nordens. Auch, weil in Feldmoching ohnehin schon so viel gebaut werde: in Ludwigsfeld sollen 2.000 Wohnungen entstehen, im Eggarten 1.800 Wohnungen, an der Hochmuttinger Straße 610 neue Wohnungen. Zehntausende neue Bewohner werden also nach Feldmoching ziehen. Das muss der Bezirk doch erst einmal verkraften, sagt Großmann.

QOSHE - Bürger sind skeptisch: Stadt will eine der letzten Freiflächen in ... - Christina Hertel
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Bürger sind skeptisch: Stadt will eine der letzten Freiflächen in ...

6 15
14.01.2024

München - Mehr Siedlungen auf der grünen Wiese, hochgezogen in einem Tempo wie in den Siebziger Jahren – das forderte Kanzler Olaf Scholz (SPD) Ende 2023. In München gibt es dafür gar nicht mehr viel Platz.

Zwei letzte freie Flächen gibt es aber doch. Die eine liegt im Münchner Nordosten bei Daglfing und Englschalking. Hier gibt es bereits einen groben Plan, wie das neue Viertel aussehen könnte. Die zweite Fläche liegt im Münchner Norden, im Stadtteil Feldmoching. Dieses Jahr will die Stadt mit den Bürgern die ersten Pläne erarbeiten.

Das Areal ist 900 Hektar groß. Das ist mehr als doppelt so groß wie die Maxvorstadt. Auf fast der Hälfte der Fläche bauen Landwirte hauptsächlich Getreide, Mais, Kartoffeln und Feldgemüse an, das sie auch in München verkaufen.

Nahezu alle Landwirte wollen in den kommenden Jahren weiter machen. Viele treibt die Sorge um, dass eine anderweitige Nutzung der Fläche die Existenz ihres Betriebes gefährden könnte. So fasst die Stadt die Ergebnisse einer Befragung unter den Landwirten vor Ort zusammen.

Dass die Stadt die Flächen bebauen........

© Abendzeitung München


Get it on Google Play