Unterföhring - Das Aus für die Kohle – eigentlich war es schon 2017 beschlossene Sache. Damals unterschrieben fast 120.000 Menschen dafür, den Kohleblock des Heizkraftwerks der Stadtwerke in Unterföhring stillzulegen, und zwar spätestens bis Ende 2022. Weil das Kraftwerk allerdings zu wichtig für die Wärmeversorgung ist, können die Stadtwerke es nicht einfach ganz ausschalten. Der Stadtrat beschloss deshalb, es zuerst von Kohle auf Gas umzustellen. Langfristig wollen die Stadtwerke an dem Standort erneuerbare Energien nutzen, zum Beispiel Geothermie und Solar.

Wegen des Ukraine-Kriegs wuchs die Sorge, dass in Deutschland zu wenig Gas zur Verfügung stehen würde. Das hatte auch für München Folgen: Der Stadtrat verschob den Umstieg auf Gas immer wieder. Heuer soll es so weit sein. Bis zur Revision im Sommer soll das Heizkraftwerk noch mit Kohle gefahren werden. Danach wird der Block Mitte September mit Gas wieder angefahren. So kündigen es die Stadtwerke an. Trotzdem sind einige Klimaschützer unzufrieden. Sogar über einen neuen Bürgerentscheid werde nachgedacht, sagt Stephan Mohr. Er ist aktiv bei Greenpeace, beim Verein Saubere Energie und als Mitglied des Klimarats berät er den Stadtrat. Mohr kennt sich also aus in der Münchner Klimaschutz-Szene. Falls doch kein neuer Bürgerentscheid kommt, sagt er, liege das eher daran, dass die Organisation so aufwendig sei. "Der Unmut ist aber auf jeden Fall da."

Dabei weiß auch Mohr, dass Gas weniger CO2 freisetzt als Kohle. Was stört die Klimaschützer also? "Bei der Umstellung ist vieles unklar", sagt er. Zum Beispiel hat der Stadtrat noch kein Enddatum für das Gaskraftwerk festgelegt.

Eigentlich sollte Gas immer nur als Brückentechnologie dienen, bevor in Unterföhring erneuerbare Energien genutzt werden. Auch wie das Gaskraftwerk nach der Umstellung genau genutzt werden soll, sei noch unklar. Denn momentan wird das Kohlekraftwerk nicht unter Volllast gefahren. Falls das Gaskraftwerk mehr genutzt wird, könnte es unter Umständen sogar klimaschädlicher sein als der Kohlebetrieb, lautet eine Sorge. "Es ist total unverständlich, warum es dazu noch keinen Beschluss gibt", sagt Mohr. Auch mit einem Konzept für die Nutzung von erneuerbaren Energien müssten sich Stadtwerke und Stadtrat endlich beschäftigen.

So ganz nachvollziehen kann der Zweite Bürgermeister Dominik Krause (Grüne) den Unmut nicht. "Im Grundsatz emittiert Gas deutlich weniger CO2 als Kohle", sagt er. "Gleichzeitig sehe ich Gas als Brückentechnologie kritisch. Vor allem, wenn man sie auf viele Jahre hin zementiert. Das heißt, wenn wir extra neue Anlagen für Gas bauen würden, wäre die Kritik legitim."

Doch das passiert nicht. Das Heizkraftwerk wird nur umgerüstet. Krause versichert, dass kaum etwas in die Umstellung investiert werde. Die Stadtwerke allerdings beantworten eine AZ-Anfrage nach den Kosten und der Dauer für die Umstellung nicht. Krause sagt: "Der Zeitraum dafür soll so kurz wie möglich sein, da wir aktuell die Tiefengeothermie, die das Gas ersetzen wird, massiv ausbauen."

Auch die ÖDP, die das Bürgerbegehren zum Ende der Steinkohle initiierte, kann die Bedenken nicht nachvollziehen. Nach der Einschätzung von ÖDP-Chef Tobias Ruff sei es eher unwahrscheinlich, dass das Gaskraftwerk unter Volllast laufe, schließlich sei es viel weniger effizient als die übrigen Kraftwerke in Thalkirchen und Freimann.

Aber auch aus seiner Sicht müsste der Stadtrat ein Enddatum festlegen. Vorgeschlagen hat die ÖDP dafür 2028, denn da soll die Stromtrasse fertig sein, die Windstrom aus Norddeutschland nach München bringt.

Julia Schmitt-Thiel (SPD) sitzt im Klimarat und ist überzeugt: Ohne das Bürgerbegehren wäre das Ende von fossilen Brennstoffen in Unterföhring greifbarer. Denn: Die Bundesregierung beschloss den Kohleausstieg für Deutschland möglichst bis 2030. Dann hätte auch das Kraftwerk in Unterföhring abgeschaltet werden müssen. "Gas kann natürlich länger verheizt werden", sagt Schmitt-Thiel. Eine Garantie, dass das Gaskraftwerk 2030 tatsächlich vom Netz geht, gebe es nicht.

Dass der Stadtrat noch nicht beschlossen hat, wie der Umstieg auf Gas genau aussehen soll, liegt aus ihrer Sicht aber eher an der Bundesregierung in Berlin als am Münchner Rathaus. Denn bevor der Stadtrat über das Kraftwerk entscheiden kann, müsse er erstmal eine Strategie für die Wärmeplanung insgesamt beschließen.

Die Vorlage aus dem Klimareferat hätte schon 2023 kommen sollen, so Schmitt-Thiel. Doch dann stritt die Bundesregierung monatelang über Wärmepumpen und für Kommunen war bis vor Kurzem nicht klar, auf welche Förderungen sie hoffen können. Noch Anfang des Jahres, so kündigt das Referat an, soll der Stadtrat über die kommunale Wärmeplanung entscheiden. Dieser Plan zeigt, wo in München wie geheizt werden soll. Für Schmitt-Thiel steht fest: "Wir müssen überall schnell raus – auch aus dem Gas."

QOSHE - "Unverständlich": Kritik am Gas-Umstieg im Heizkraftwerk Nord in München - Christina Hertel
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"Unverständlich": Kritik am Gas-Umstieg im Heizkraftwerk Nord in München

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10.01.2024

Unterföhring - Das Aus für die Kohle – eigentlich war es schon 2017 beschlossene Sache. Damals unterschrieben fast 120.000 Menschen dafür, den Kohleblock des Heizkraftwerks der Stadtwerke in Unterföhring stillzulegen, und zwar spätestens bis Ende 2022. Weil das Kraftwerk allerdings zu wichtig für die Wärmeversorgung ist, können die Stadtwerke es nicht einfach ganz ausschalten. Der Stadtrat beschloss deshalb, es zuerst von Kohle auf Gas umzustellen. Langfristig wollen die Stadtwerke an dem Standort erneuerbare Energien nutzen, zum Beispiel Geothermie und Solar.

Wegen des Ukraine-Kriegs wuchs die Sorge, dass in Deutschland zu wenig Gas zur Verfügung stehen würde. Das hatte auch für München Folgen: Der Stadtrat verschob den Umstieg auf Gas immer wieder. Heuer soll es so weit sein. Bis zur Revision im Sommer soll das Heizkraftwerk noch mit Kohle gefahren werden. Danach wird der Block Mitte September mit Gas wieder angefahren. So kündigen es die Stadtwerke an. Trotzdem sind einige Klimaschützer unzufrieden. Sogar über einen neuen Bürgerentscheid werde nachgedacht, sagt Stephan Mohr. Er ist aktiv bei Greenpeace, beim Verein Saubere Energie und als Mitglied des Klimarats berät er den Stadtrat. Mohr kennt sich........

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