München/Barcelona - Die Idee kommt aus Barcelona: Dort sind die Straßenzüge schachbrettartig angeordnet. Weil der Verkehr zu viel geworden ist, beschloss die Regierung, ihn neu zu regeln. Ein ausgeklügeltes System aus Einbahnstraßen und Sperren führt dazu, dass Autos die Wohnviertel nicht mehr queren können.

So sind etwa 400 mal 400 große Straßenblöcke entstanden, in denen Fußgänger und Radfahrer Vorrang haben. Autos dürfen nur in Schrittgeschwindigkeit fahren. Auf Parkplätzen werden Bäume gepflanzt, Pflanztröge und Bänke aufgestellt. "Superblock" heißt das Konzept. Der Erste entstand in Barcelona bereits vor sieben Jahren. Dieses Jahr soll es auch in München die ersten Versuche geben. Im Westend und im Gärtnerplatzviertel will die Stadt Superblocks testen.

Eine, die das besonders freut, ist Sylvia Hladky. Früher leitete sie das Verkehrsmuseum des Deutschen Museums auf der Schwanthalerhöhe. Schon vor vier Jahren brachte sie mit der Initiative Nachhaltigkeit (MIN) die Idee auf, im Westend einen Superblock zu schaffen. Seitdem startete sie verschiedene Experimente. Sie verwandelte Parkplätze in Freiräume, wo Konzerte und Yogastunden stattfanden. Sie ließ Bäume in Trögen und Hochbeete aufstellen. Sie schuf Spielstraßen und vergrößerte das Angebot an Leihlastenrädern. Allerdings war jedes Mal mit Ende des Sommers alles wieder vorbei.

Der große Widerstand sei bei allen Experimenten ausgeblieben. Hladky ist überzeugt: "Eine Zweidrittelmehrheit will, dass sich etwas verändert." Nur 30 Prozent würden an den Parkplätzen hängen – allerdings seien das oft die Lauten. "Aber wir leben doch in einer Demokratie."

Tatsächlich versprachen Grüne und SPD in ihrem Koalitionsvertrag, Superblocks zu testen. Auch Anträge dazu stellten beide Fraktionen bereits. Heuer soll es konkreter werden. Noch im ersten Quartal 2024 will das Mobilitätsreferat dem Stadtrat einen Beschluss vorlegen und vorschlagen, mit welchen Maßnahmen die Superblocks im Gärtnerplatzviertel und im Westend umgesetzt werden könnten. Stimmt der Stadtrat zu, sollen ab 2024 die ersten Superblocks ausprobiert werden, heißt es vom Mobilitätsreferat.

Die Fraktionschefin der Grünen Mona Fuchs rechnet damit, dass zuerst der Superblock im Westend in einem Pilotprojekt umgesetzt wird. Denn dort seien die Straßen auch in Blöcken angeordnet – so ähnlich wie in Barcelona. Das mache die Umsetzung leichter, sagt sie. "Im Gärtnerplatzviertel geht es vielleicht etwas langsamer", glaubt Fuchs. Schließlich seien da die Straßen komplexer angeordnet. Sie rechnet rund um den Gärtnerplatz eher mit einer Umsetzung 2025. Fuchs betont: "Nichts ist in Stein gemeißelt." Ziel sei, etwas auszuprobieren und zu evaluieren.

Die Zufahrt zu den Tiefgaragen im Viertel solle gewährleistet bleiben. "Sie sollen nicht leer stehen", sagt Fuchs. "Den Platz oben auf der Straße brauchen wir ja ganz dringend." Dass plötzlich das ganze Westend zur Fußgängerzone ohne Parkplätze wird, sieht auch das Konzept von Sylvia Hladky nicht vor. Vielmehr solle die Verkehrsführung etwa durch Einbahnregelungen so gestaltet werden, dass Autofahrern die Lust vergeht, hineinzufahren. Anwohner sollen aber weiterhin zu ihren Wohnungen kommen. Dafür müsse das Mobilitätsreferat als Erstes ein Verkehrskonzept erstellen, sagt sie. Die Parkplätze werden sich zwar verringern, glaubt Hladky. Aber ganz wegfallen? "Ganz bestimmt nicht."

Hladky will heuer kein eigenes Projekt im Westend starten, sondern lieber das Mobilitätsreferat unterstützen. Dieses will im Frühjahr 2024 im Westend eine Bürgerbeteiligung beginnen – Hladky hat in den vergangenen vier Jahren allerdings schon vieles gelernt: Zum Beispiel, dass die Menschen eher auf einen Parkplatz zu verzichten bereit sind, wenn darauf keine Palettenmöbel, sondern Bäume stehen.

QOSHE - "Nichts ist in Stein gemeißelt": Stadtviertel in München steht vor ... - Christina Hertel
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"Nichts ist in Stein gemeißelt": Stadtviertel in München steht vor ...

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03.01.2024

München/Barcelona - Die Idee kommt aus Barcelona: Dort sind die Straßenzüge schachbrettartig angeordnet. Weil der Verkehr zu viel geworden ist, beschloss die Regierung, ihn neu zu regeln. Ein ausgeklügeltes System aus Einbahnstraßen und Sperren führt dazu, dass Autos die Wohnviertel nicht mehr queren können.

So sind etwa 400 mal 400 große Straßenblöcke entstanden, in denen Fußgänger und Radfahrer Vorrang haben. Autos dürfen nur in Schrittgeschwindigkeit fahren. Auf Parkplätzen werden Bäume gepflanzt, Pflanztröge und Bänke aufgestellt. "Superblock" heißt das Konzept. Der Erste entstand in Barcelona bereits vor sieben Jahren. Dieses Jahr soll es auch in München die ersten Versuche geben. Im Westend und im Gärtnerplatzviertel will die Stadt Superblocks testen.

Eine, die das besonders freut, ist Sylvia Hladky. Früher leitete sie das Verkehrsmuseum des Deutschen Museums auf der Schwanthalerhöhe. Schon vor vier Jahren........

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