München - Diesen Mittwoch ist die letzte Stadtratssitzung des Jahres. Da verabschiedet der Münchner Stadtrat traditionell seinen Haushalt. Für die Opposition ist das die Gelegenheit, mit der grün-roten Rathauskoalition abzurechnen. Allerdings sind auch Grüne und SPD ein wenig besorgt. Denn das Geld wird immer knapper.

Vorab muss man wissen: Anders als ein Bundesland oder Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin darf München keine Schulden aufnehmen, um seine Verwaltung am Laufen zu halten. Nur für Investitionen sind Kredite erlaubt. Den Haushalt der Stadt München muss die Regierung von Oberbayern genehmigen. Für die Stadt wird es allerdings immer schwieriger, noch einen genehmigungsfähigen Haushalt hinzubekommen. 2024 würden – wenn man die Tilgungen von 70 Millionen Euro abzieht, die die Stadt leisten muss – gerade mal zwei Millionen Euro übrig bleiben.

Dass die Stadt nicht in die roten Zahlen abrutscht, liegt auch nur daran, dass die Stadtwerke einen Gewinn von 400 Millionen Euro abführen. Dieses Geld kommt nicht etwa daher, dass der Strom so teuer war, erklärt Florian Roth von den Grünen.

Dieses Geld hatten die Stadtwerke zurückstellen müssen, um sich gegen Risiken abzusichern. Doch weil sich Vorschriften geändert haben, können die Stadtwerke laut Roth über den Betrag nun frei verfügen. Auch er weiß, dass die Stadtwerke nicht jedes Jahr so einen hohen Gewinn abführen können. Doch in diesem Jahr ist ein zweiter Sonderfall eingetreten: Die Stadt muss an ein Unternehmen rund 210 Millionen Gewerbesteuern zurückzahlen.

Um handlungsfähig zu bleiben, schlägt die Kämmerei deshalb "Konsolidierungsmaßnahmen" vor: 150 Millionen Euro jährlich soll das Rathaus sparen. Florian Roth und SPD-Fraktionschefin Anne Hübner gehen nicht davon aus, dass die Bürger davon etwas merken. "Es geht eher um eine interne Verschlankung der Verwaltung", sagt Roth. Die Kämmerei schlägt zum Beispiel vor, bei den Arbeitsplatzkosten zu sparen. Auch bei den Personalkosten will die Stadt ab 2024 jährlich 44 Millionen sparen. Gleichzeitig muss die Stadt wegen der höheren Tarif-Abschlüsse wesentlich mehr zahlen. Mit den Sparvorschlägen kommt die Kämmerei auf ein Plus von 116 Millionen.

Gleichzeitig will die Stadt aber investieren. Zuerst waren für die Jahre 2023 bis 2027 13,3 Milliarden an Ausgaben für Investitionen vorgesehen. Das meiste Geld (4,5 Milliarden) soll in Schulen und Kitas fließen. Danach folgt der Wohnungsbau (2,1 Milliarden) und der ÖPNV (1,39 Milliarden). Auch hier schlägt die Kämmerei Einsparungen von über 3,5 Milliarden bis 2027 vor. Am meisten muss das Kommunalreferat sparen. Zum Beispiel sind 20 Millionen Euro weniger für den Erwerb von Grundstücken eingeplant.

Auch das Baureferat spart – etwa beim U-Bahn-Bau. Allerdings, so hört man aus dem Rathaus, heißt das nicht, dass diese Projekte ganz gestrichen würden. Vielmehr zeichnet sich ab, dass sich die Realisierung ohnehin nach hinten verschiebt – etwa, weil Personal fehlt.
Trotzdem steigen die Schulden auf Rekordniveau: Die Kämmerei prognostiziert, dass sie bis 2027 auf 8,9 Milliarden Euro wachsen werden. 2023 lagen sie noch bei 3,7 Milliarden Euro. "Natürlich besorgt uns das. Denn Spielraum zum Sparen gibt es nicht mehr", sagt Anne Hübner.

Denn die meisten Ausgaben sind aus ihrer Sicht zwingend notwendig: In München sei ein großer Teil der Infrastruktur am Ende seiner Lebensdauer angekommen und müsse nun erneuert werden. Gleichzeitig gebe es eine große Einigkeit, dass München weiter U-Bahnen und Schulen bauen will. Über Luxusradwege könne man aus ihrer Sicht natürlich streiten. Doch maßgeblich verändern können diese Ausgaben den Haushalt nicht, sagt sie.

Von einer "Schulden-Katastrophe" spricht CSU-Chef Manuel Pretzl. Der Schuldenstand erreiche schließlich fast neun Milliarden Euro. "Das ist keine verantwortungsvolle Politik mehr", findet er. Sparen müsste das Rathaus aus seiner Sicht zum Beispiel bei "unsinnigen Radspuren" oder auch bei der "Luxussanierung" des Kassen- und Steueramts.

Das Verwaltungsgebäude, in dem sich die Mitarbeiter der Stadt um die Finanzen kümmern, muss nämlich saniert werden. Und das lässt sich die Stadt knapp 100 Millionen Euro kosten. Beschlossen hat der Stadtrat das bereits im Sommer. Die CSU hält die Entscheidung für einen Fehler.

Kritisch sieht Pretzl außerdem, dass sich die Stadt mit einem "Buchungstrick" behelfe, indem es mit einer Gewinnabführung der Stadtwerke rechne (siehe oben). Dass es das Rathaus nur auf diese Weise schaffe, ein Minus zu vermeiden, sei ungewöhnlich. Das habe es zumindest in den letzten Jahren nicht gegeben, sagt Pretzl.

Der CSUler ist sich außerdem sicher, dass die Stadt viel Geld hätte sparen können, wenn sie bei der Gasteigsanierung entschlossener vorgegangen wäre. Bis 2020, erklärt Pretzl, war für das Projekt das Wirtschaftsreferat verantwortlich. Aber dann habe es Grün-Rot an das Baureferat übergeben. Dadurch sei zu viel Zeit verstrichen.

Den Haushalt werde die FDP ablehnen, sagt Fraktionchef Jörg Hoffmann. "Grün-Rot ist noch immer nicht in der Realität angekommen." Er findet: Die Stadt müsste viel radikaler sparen – "mit dem Rasenmäher drüber. Tabus darf es keine geben." Auch der Sozial-Etat solle nicht ausgenommen werden. Außerdem macht er einen radikalen Vorschlag, wie die Stadt an Geld kommen könnte: Den Gasteig sollte sie abreißen, das Grundstück verkaufen. Die private Wirtschaft sollte dann dort Wohnungen bauen.

Den Gewinn könnte die Stadt reinvestieren, sagt Hoffmann. Und zwar in das Großmarkt-Areal, allerdings nicht, um dort einen Markt zu bauen, sondern eine "Kulturmeile", einen "Gasteig 2.0", wie es Hoffmann ausdrückt. Die Händler seien ohnehin wenig kooperativ, in anderen Städten liege der Großmarkt auch am Stadtrand. "Die Stadt muss strategisch denken. Aber dem OB ist eh alles wurscht", meint er.

Eigentlich sei ja Geld da, nur laufen die Ausgaben völlig aus dem Ruder, sagt ÖDP-Chef Tobias Ruff. Deshalb werde seine Fraktion den Haushalt in weiten Teilen ablehnen.

Ruff glaubt, dass das Rathaus – und damit meint er sowohl die grün-rote Koalition als auch die Verwaltung – in den vergangenen Jahren, als die Finanzlage noch besser war, zu viel herumgetrödelt hat. Gasteig, Großmarkthalle, Tram-Projekte, U-Bahn-Bauten sind alles Beispiele, die Ruff nennt, bei denen sich aus seiner Sicht zu wenig getan hat.

Und jetzt seien die Zeiten günstiger Zinsen vorbei, die Inflation treibt stattdessen die Preise in die Höhe. "Der OB hat ein Macher-Image, aber es herrscht Stillstand", sagt Ruff. Das Rathaus müsse ehrlich sein und sich von Projekten verabschieden. Am liebsten wäre ihm, wenn der Tunnel im Hasenberglnicht gebaut würde. Aber auch U-Bahn-Projekte würde er streichen. Die Stadt will in Freiham und am Hauptbahnhof Vorhaltebauwerke errichten. Doch Ruff hält es für unrealistisch, dass die Linien eines Tages wirklich gebaut werden – und wenn dann erst in ferner Zukunft.

Die Linke kündigt ebenfalls an, den Haushalt abzulehnen. "Der Haushaltsplan für 2024 könnte uns in die totale Handlungsunfähigkeit treiben", sagt Stadträtin Brigitte Wolf.

Sorgen macht sie sich vor allem über die wachsende Verschuldung. Sie fürchtet, dass Zinsen und Tilgung die Stadt "manövrierunfähig" machen. Gleichzeitig bleiben aus ihrer Sicht seitens Grün-Rot Beschlüsse aus, um den Haushalt zu stabilisieren. "Wir schlagen dafür eine Erhöhung der Gewerbesteuer und ein Einstampfen zahlreicher Tunnelgroßprojekte vor, die jetzt schon Finanzgräber und Klimakiller sind", sagt Wolf. Konzentrieren sollte sich die Stadt auf Schulen, Kitas, Wohnungsbau, Gebäudesanierung und das Gesundheits- und Sozialsystem.

QOSHE - "Natürlich besorgt uns das": Münchens Schulden explodieren immer weiter - Christina Hertel
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"Natürlich besorgt uns das": Münchens Schulden explodieren immer weiter

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20.12.2023

München - Diesen Mittwoch ist die letzte Stadtratssitzung des Jahres. Da verabschiedet der Münchner Stadtrat traditionell seinen Haushalt. Für die Opposition ist das die Gelegenheit, mit der grün-roten Rathauskoalition abzurechnen. Allerdings sind auch Grüne und SPD ein wenig besorgt. Denn das Geld wird immer knapper.

Vorab muss man wissen: Anders als ein Bundesland oder Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin darf München keine Schulden aufnehmen, um seine Verwaltung am Laufen zu halten. Nur für Investitionen sind Kredite erlaubt. Den Haushalt der Stadt München muss die Regierung von Oberbayern genehmigen. Für die Stadt wird es allerdings immer schwieriger, noch einen genehmigungsfähigen Haushalt hinzubekommen. 2024 würden – wenn man die Tilgungen von 70 Millionen Euro abzieht, die die Stadt leisten muss – gerade mal zwei Millionen Euro übrig bleiben.

Dass die Stadt nicht in die roten Zahlen abrutscht, liegt auch nur daran, dass die Stadtwerke einen Gewinn von 400 Millionen Euro abführen. Dieses Geld kommt nicht etwa daher, dass der Strom so teuer war, erklärt Florian Roth von den Grünen.

Dieses Geld hatten die Stadtwerke zurückstellen müssen, um sich gegen Risiken abzusichern. Doch weil sich Vorschriften geändert haben, können die Stadtwerke laut Roth über den Betrag nun frei verfügen. Auch er weiß, dass die Stadtwerke nicht jedes Jahr so einen hohen Gewinn abführen können. Doch in diesem Jahr ist ein zweiter Sonderfall eingetreten: Die Stadt muss an ein Unternehmen rund 210 Millionen Gewerbesteuern zurückzahlen.

Um handlungsfähig zu bleiben, schlägt die Kämmerei deshalb "Konsolidierungsmaßnahmen" vor: 150 Millionen Euro jährlich soll das Rathaus sparen. Florian Roth und SPD-Fraktionschefin Anne Hübner gehen nicht davon aus, dass die Bürger davon etwas merken. "Es geht eher um eine interne Verschlankung der Verwaltung", sagt Roth.........

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