München - Es war ein Paukenschlag, als Katrin Habenschaden am 25. Oktober als Zweite Bürgermeisterin in München aufgab. Ihr Nachfolger wurde Dominik Krause (Grüne) – und das im zarten Politiker-Alter von nur 33 Jahren. Wie er den plötzlichen beruflichen Aufstieg erlebt hat und welche Ziele er sich für seine Amtszeit vorgenommen hat, verrät der studierte Physiker im AZ-Interview.

AZ: Herr Krause, Sie wurden Zweiter Bürgermeister, weil Katrin Habenschaden überraschend hinschmiss. Wie war es, zum ersten Mal in Ihrem großen Büro zu sitzen mit Blick auf den Marienplatz?
DOMINIK KRAUSE: Es wäre noch schöner mit mehr Vorlauf gewesen. Aber grundsätzlich ist es eine große Ehre, ein Traumjob in der Kommunalpolitik.

Wie verändert es das Leben, mit 33 so viel Macht zu haben?
Was sich sehr verändert hat: Ich werde häufiger in der U-Bahn angesprochen, meistens sehr, sehr nett. Innerhalb des Rathauses ist es keine so deutliche Veränderung. Ich bin hier schon seit zehn Jahren. Da war es ein Weiterarbeiten.

Ist das Feierabendbier mit Freunden noch drin?
Ich versuche, auch mal Zeit dafür zu haben. Aber es kommt seltener vor als früher.

Vor was hatten Sie vor Amtsantritt am meisten Sorge?
Wir stehen vor großen Herausforderungen in der Stadt. Klar denkt man da darüber nach, wenn man selbst noch jünger ist, ob das passt. Aber gleichzeitig leben in unserer Stadt auch wahnsinnig viele junge Menschen, die genauso vertreten sein wollen – im Stadtrat und in der Stadtspitze. Und nachdem ich jetzt schon seit fast zehn Jahren im Stadtrat bin, gleiche ich das jüngere Lebensalter vielleicht mit der politischen Erfahrung aus.

Wie erleben Sie es jetzt?
Wenn mich Leute in der U-Bahn ansprechen, sagt ein Großteil: Ah toll, endlich mal ein Junger.

Der SPD-OB Dieter Reiter hat sich erst nach Ihrer Wahl geäußert. Hat Sie das überrascht?
Mit dem OB komme ich gut aus. Wir haben als Koalition seit Oktober einige große Projekte auf den Weg gebracht – von der Gasteig-Modernisierung über den Mietenstopp für städtische Wohnungen bis zum Sanierungspaket für Wohngebäude – was ein riesen Erfolg für den Klimaschutz ist.

Voraussetzung, dass Sie das Amt übernehmen durften, war für die Grünen, dass Sie sich vorstellen können, 2026 als OB zu kandidieren. Was wollen Sie anders machen als Dieter Reiter?
Wir wollen als Koalition gute Politik für München machen und nicht jetzt schon über den Wahlkampf sinnieren. Die Fraktion wollte als Bürgermeister eine Person, die grundsätzlich bereit ist für eine Kandidatur. Das ist immer noch so. Aber wir werden in der Partei erst nächstes Jahr darüber sprechen.

Im Koalitionsvertrag versprachen Grüne und SPD, fünf Tram-Linien zu bauen und acht zu prüfen. Halbzeit ist vorbei und es läuft für eine der Bau an. Haben Sie das Ganze unterschätzt?
Wir verfolgen alle Projekte weiter. Die Prozesse dauern manchmal einfach länger, als wir uns das wünschen. Es war klar, dass wir nicht nach drei Jahren alles umgesetzt haben. Für die Tram-Westtangente ist ein Baubeginn absehbar. Gerade haben wir die Tram-Nordtangente durch den Englischen Garten auf den Weg gebracht. Da steht noch die Entscheidung des Freistaates aus. Aber ich bin relativ zuversichtlich, dass er das genehmigen wird.

Der Finanzminister klang in der AZ nicht so optimistisch.
Es gibt eine Zusage vom damaligen Ministerpräsidenten, Herrn Seehofer.

Aber der ist in Rente.
Ich hoffe, Herr Söder wird nicht aus rein parteipolitischem Kalkül das Wort seines Vorgängers brechen. Es gibt seit der Zusage Seehofers keine neue Situation. Im Gegenteil. Die Notwendigkeit für einen besseren ÖPNV ist eher größer geworden.

Es ist doch auch eine Frage von Ressourcen. Die MVG rechnet mit Milliarden allein für den Unterhalt des ÖPNV und arbeitet selbst an einer Streichliste.
Keine andere Kommune in Deutschland investiert so viel in den ÖPNV wie München. Das wird so bleiben, selbst wenn einige Projekte ein wenig geschoben werden. Wir machen die Verkehrswende nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil München täglich im Stau versinkt. Ja, der Ausbau von U-Bahn, Tram und Bus kostet sehr viel Geld, ist aber elementar für die Zukunft dieser Stadt.

In Hessen fordert der Grüne-Mobilitätschef, dass Firmen eine Steuer zahlen, um den ÖPNV zu finanzieren. Auch für München denkbar?
Die Unternehmen zahlen schon Steuern. Ich würde eher erhoffen, dass der Bund die Steuergelder sinnvoll nutzt, nicht für klimaschädliche Subventionen, sondern für ÖPNV-Projekte.

Wie enttäuscht sind Sie über Ihre Parteikollegen in Berlin?
Ich will kein Ampel-Bashing betreiben, aber wenn es um Verkehrspolitik geht, ist sicher noch Luft nach oben. In den entscheidenden Ministerien Verkehr und Finanzen sitzen übrigens nicht die Grünen.

Auch sonst stockt die Verkehrswende. Die Fußgängerzonen im Tal und in der Weißenburgerstraße waren für dieses Jahr versprochen. Enttäuscht?
Die Verkehrswende stockt nicht, im Gegenteil. Natürlich wünschen wir uns oft, dass Dinge schneller gehen. Aber manchmal ist es nicht schlecht, wenn man sich Zeit nimmt, gerade wenn von Anwohnern Bedenken kommen.

Anscheinend wollen die Anwohner nicht, dass Palettenmöbel auf den Parkplätzen stehen. Warum zwingen die Grünen den Leuten ihren Lebensstil auf?
Die Frage, wie wir mit öffentlichem Raum umgehen, war entscheidend bei der letzten Kommunalwahl. Da wünschte sich die Mehrheit, dass wir die Aufenthaltsqualität verbessern. Insofern zwingen wir niemandem etwas auf, sondern setzen um, was die Münchner mehrheitlich wollen. Das klappt manchmal schlechter und manchmal besser. Ein Beispiel, wo das hervorragend gelungen ist: die Schanigärten. Da gab es vorher auch viele Vorbehalte.

Beim Gasteig geht seit Jahren nichts voran, es wird nur teurer. War es ein Fehler, auf einen Investor zu setzen?
Wir haben gerade zwei fette Krisen hinter uns. Beim Gasteig gab es im Vorfeld Marktsondierungen. Da haben sich mehrere Investoren gemeldet, die bauen wollten. Dann kam der Ukraine-Krieg und die Situation war eine völlig andere.

Statt einer Sparlösung will die Stadt eine teure Generalsanierung. Auch der Freistaat plant an einem Konzertsaal. Wie viele Bühnen braucht München?
Wir können ja nur den städtischen Teil, also den Gasteig, betrachten. Da hat man festgestellt, dass eine Grundsanierung 80 bis 85 Prozent einer Generalsanierung kosten würde – das wäre eine teure Sparlösung. Was der Freistaat macht, ist Sache des Freistaates.

Wann rechnen Sie damit, dass die Münchner in ihrem renovierten Gasteig Konzerte hören?
Ich fürchte, dieses Jahrzehnt könnte es eng werden.

Was steht 2024 ganz oben auf Ihrer Prioritätenliste?
Ganz zentral ist, dass die Stadt weiterhin für alle da sein wird, besonders für diejenigen, die die Krisen finanziell schwer erwischt haben. Die alles bestimmenden Themen sind natürlich weiterhin der Wohnungsbau, der Ausbau des ÖPNV und Klimaschutz – und der Erhalt der gebeutelten Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes. Außerdem finde ich es spannend, in eigentlich allen Bereichen neue Möglichkeiten der Digitalisierung mitzudenken, wie zum Beispiel durch neue Technik den Verkehr flüssiger zu machen. Ampelschaltungen, die auf Verkehrsflüsse reagieren oder Schnittstellen für Navigationssysteme, die dann anzeigen, mit welcher Geschwindigkeit man eine Grüne Welle mitnehmen kann. Das würde uns vielleicht von dem Titel "Stauhauptstadt Nummer eins" wegbringen.

Und die Grünen weg vom Titel "Autohasser Nummer 1"?
Diese alte Kamelle kann ich mittlerweile nicht mehr hören. Autos, zunehmend E-Autos, werden weiterhin Teil des Mobilitätsmixes sein, denn es gibt nun mal Menschen, die darauf angewiesen sind. Aber in einer dichter werdenden Stadt kann nun mal nicht jeder mit dem Auto fahren. Das ist kein Hass, sondern einfach die Realität.

Was können die Münchner nächstes Jahr von Ihnen als Bürgermeister erwarten?
Im nächsten Jahr will ich rausgehen aus dem Rathaus. Wir haben ja als Stadt bereits Formate wie Bürgerversammlungen, aber mich treibt etwas anderes um: Wenn wir als Gesellschaft wieder mehr zusammenwachsen wollen, müssen wir auch wieder mehr miteinander sprechen und uns nicht auf Social Media Kommentare um die Ohren hauen. Insbesondere auch unter denjenigen, die gegenteilige Meinungen haben – da möchte ich gerne einen Anfang machen.

QOSHE - "Kein Hass, sondern Realität": Was Bürgermeister Krause Autofahrern in ... - Christina Hertel
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"Kein Hass, sondern Realität": Was Bürgermeister Krause Autofahrern in ...

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27.12.2023

München - Es war ein Paukenschlag, als Katrin Habenschaden am 25. Oktober als Zweite Bürgermeisterin in München aufgab. Ihr Nachfolger wurde Dominik Krause (Grüne) – und das im zarten Politiker-Alter von nur 33 Jahren. Wie er den plötzlichen beruflichen Aufstieg erlebt hat und welche Ziele er sich für seine Amtszeit vorgenommen hat, verrät der studierte Physiker im AZ-Interview.

AZ: Herr Krause, Sie wurden Zweiter Bürgermeister, weil Katrin Habenschaden überraschend hinschmiss. Wie war es, zum ersten Mal in Ihrem großen Büro zu sitzen mit Blick auf den Marienplatz?
DOMINIK KRAUSE: Es wäre noch schöner mit mehr Vorlauf gewesen. Aber grundsätzlich ist es eine große Ehre, ein Traumjob in der Kommunalpolitik.

Wie verändert es das Leben, mit 33 so viel Macht zu haben?
Was sich sehr verändert hat: Ich werde häufiger in der U-Bahn angesprochen, meistens sehr, sehr nett. Innerhalb des Rathauses ist es keine so deutliche Veränderung. Ich bin hier schon seit zehn Jahren. Da war es ein Weiterarbeiten.

Ist das Feierabendbier mit Freunden noch drin?
Ich versuche, auch mal Zeit dafür zu haben. Aber es kommt seltener vor als früher.

Vor was hatten Sie vor Amtsantritt am meisten Sorge?
Wir stehen vor großen Herausforderungen in der Stadt. Klar denkt man da darüber nach, wenn man selbst noch jünger ist, ob das passt. Aber gleichzeitig leben in unserer Stadt auch wahnsinnig viele junge Menschen, die genauso vertreten sein wollen – im Stadtrat und in der Stadtspitze. Und nachdem ich jetzt schon seit fast zehn Jahren im Stadtrat bin, gleiche ich das jüngere Lebensalter vielleicht mit der politischen Erfahrung aus.

Wie erleben Sie es jetzt?
Wenn mich Leute in der U-Bahn ansprechen, sagt ein Großteil: Ah toll, endlich mal ein Junger.

Der SPD-OB Dieter Reiter hat sich erst nach Ihrer Wahl geäußert. Hat Sie das überrascht?
Mit dem OB komme ich gut aus. Wir haben als Koalition seit Oktober einige große Projekte auf den Weg gebracht – von der Gasteig-Modernisierung über den Mietenstopp für........

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