München - Der Kaiser aus Giesing – das war Franz Beckenbauer. Er ist dort in der Zugspitzstraße 6 aufgewachsen in der Nachkriegszeit, als Giesing noch zu den ärmsten Vierteln Münchens zählte. Auch sonst während seiner gesamten Karriere war Beckenbauer mit München eng verbunden.

Kein Wunder vielleicht also, dass sich die meisten Fraktionen im Rathaus schon kurz nach seinem Tod einig sind: Franz Beckenbauer hätte es verdient, dass ein Platz oder eine Straße nach ihm benannt wird. Die FDP-Fraktion hat dazu am Dienstag einen Antrag gestellt. "Seit vielen Jahrzehnten ist die erste Reaktion, die man auf das Stichwort München überall auf der Welt bekommt, oft "Beckenbauer, FC Bayern", heißt es in der Begründung. Wie kaum ein anderer habe Franz Beckenbauer das Ansehen der Stadt geprägt, weit über den Sport hinaus - als Spieler, Trainer und Funktionär.

"Dass der 'Kaiser' die Ehrung mit einer Straßenbenennung verdient hat, versteht sich von selbst", schreibt die FDP außerdem. Zwar sei es Usus, mit der Benennung einer Straße nach dem Tod ein Jahr zu warten. Doch die FDP findet: Die Stadtverwaltung sollte schon jetzt mit den Vorbereitungen starten – auch, um ein Signal der Wertschätzung zu senden.

Zum Beispiel könnte das Rathaus schon mal überlegen, wo eine Beckenbauer-Straße oder ein Beckenbauer-Platz hin sollte. Der CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl äußert auf AZ-Anfrage hin schon ein paar Ideen: "Er wuchs nach dem Krieg in Giesing auf und hat oft erzählt, wie er dort als Straßenfußballer anfing. In Harlaching begann seine große Karriere beim FC Bayern. Die CSU/FW-Fraktion würde einen eigenen Platz oder eine Straße für Franz Beckenbauer in diesen Stadtvierteln ausdrücklich unterstützen."

Auch die Zweite Bürgermeisterin Verena Dietl (SPD) würde eine Straßenbenennung nach Franz-Beckenbauer begrüßen, sagt sie zur AZ. Auch wenn der Stadtrat sich zur Vorgabe gemacht hat, dass Straßen und mittlerweile bloß noch nach Frauen benannt werden sollen. "Aber für Franz Beckenbauer, den Kaiser, kann man schon eine Ausnahme machen", findet Dietl. "Ich kann mir vorstellen, dass das von allen im Rathaus mitgetragen wird."

Bei der Frage, wo die Straße liegen sollte, will sich Dietl nicht festlegen. Das komme darauf an wo sich die Familie das wünscht. Das habe sie bei Hans-Jochen-Vogel so erlebt. Nach dem Alt-Oberbürgermeister, der die Olympischen Spiele nach München brachte, wurde im Juni 2021 ein Teil des Coubertinplatzes umbenannt.

"Irritierend" nennt der Grünen-Fraktionschef Sebastian Weisenburger den Antrag der FDP. Denn: "Es gibt eine fraktionsübergreifende Vereinbarung, dass zwischen dem Tod eines Menschen und einem Ehrungsvorschlag mindestens ein Jahr vergehen soll", sagt Weisenburger. Zudem würden Ehrungsvorschläge nichtöffentlich diskutiert – aus Rücksicht auf die Persönlichkeitsrechte der verstorbenen Person.

Daran wollen sich die Grünen halten. Doch auch Weisenburger schließt nicht aus, dass eine Straße nach Beckenbauer benannt werden könnte. Zu Gesprächen seien die Grünen gerne bereit, meint er. Die FDP erwecke allerdings den Anschein, "den Tod Franz Beckenbauers politisch zu instrumentalisieren".

Ob Beckenbauer ein städtisches Ehrengrab bekommt? Dazu wollte man gestern im Rathaus noch gar nichts sagen. Eine Trauerfeier auf jeden Fall wird die Stadt nicht organisieren. "Die Familie Franz Beckenbauers wünscht eine Trauerfeier im engen Kreis", antwortet das Presseamt auf eine AZ-Anfrage.

Aktuell ruhen die Beckenbauers in drei Gräbern am Friedhof am Perlacher Forst: Mutter Antonie (†2006) und Vater Franz senior (†1977), Sohn Stefan (†2015) und Ex-Frau Brigitte (†2021). Gut möglich, dass der Kaiser im Grab seines an einem Hirntumor verstorbenen Sohnes beerdigt wird.

Wer sich von Franz Beckenbauer verabschieden möchte, kann sich allerdings in ein Kondolenzbuch eintragen, das im zweiten Stock des Rathauses gegenüber dem Raum 200 ausliegt. Bis Freitag dieser Woche ist es möglich, dort einen Abschiedsgruß für den Kaiser zu hinterlassen. Das Rathaus ist bis Donnerstag täglich geöffnet von 9 bis 17 Uhr, am Freitag von 9 bis 13 Uhr.

OB Dieter Reiter (SPD) hat der Witwe von Beckenbauer umgehend kondoliert, teilt das Rathaus mit. "Franz Beckenbauer verkörperte wie kein Zweiter die Eleganz des Spiels und seine Art, Fußball im Wortsinne zu spielen, war einzigartig", sagte der OB. "Die Welt hat einen der besten Fußballer aller Zeiten verloren und wir alle einen großartigen Menschen, von dessen Freundlichkeit und Zugewandtheit alle schwärmen, die das Glück und die Ehre hatten, ihn kennenlernen zu dürfen." Der OB erinnert, dass Beckenbauer nie vergessen hat, wo er her kam - aus den "Trümmern des Arbeiterviertels Giesing" und dass er trotzdem ein Sonntagskind gewesen ist. "Alle Sonntage dieser Welt sind in mir vereint', hat er einmal über sich selbst gesagt und war sich der Tatsache, welch unfassbares Glück er neben seinem ebensolchen Talent von Anfang an gehabt hat, stets bewusst", so der OB.

Auch Reiters Stellvertreter Dominik Krause (Grüne) ist sich sicher: "München hat Franz Beckenbauer enorm viel zu verdanken." Beckenbauer sei vermutlich der erste Giesinger im Studio 54 gewesen, einer der bekanntesten Nachtclubs in New York. "Er war bodenständig und weltläufig zugleich und dadurch typisch für München", sagt Krause. "So einen positiven Botschafter hatte unsere Stadt nie zuvor."

QOSHE - "Irritierend": München soll Franz-Beckenbauer-Platz bekommen – doch es ... - Christina Hertel
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"Irritierend": München soll Franz-Beckenbauer-Platz bekommen – doch es ...

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09.01.2024

München - Der Kaiser aus Giesing – das war Franz Beckenbauer. Er ist dort in der Zugspitzstraße 6 aufgewachsen in der Nachkriegszeit, als Giesing noch zu den ärmsten Vierteln Münchens zählte. Auch sonst während seiner gesamten Karriere war Beckenbauer mit München eng verbunden.

Kein Wunder vielleicht also, dass sich die meisten Fraktionen im Rathaus schon kurz nach seinem Tod einig sind: Franz Beckenbauer hätte es verdient, dass ein Platz oder eine Straße nach ihm benannt wird. Die FDP-Fraktion hat dazu am Dienstag einen Antrag gestellt. "Seit vielen Jahrzehnten ist die erste Reaktion, die man auf das Stichwort München überall auf der Welt bekommt, oft "Beckenbauer, FC Bayern", heißt es in der Begründung. Wie kaum ein anderer habe Franz Beckenbauer das Ansehen der Stadt geprägt, weit über den Sport hinaus - als Spieler, Trainer und Funktionär.

"Dass der 'Kaiser' die Ehrung mit einer Straßenbenennung verdient hat, versteht sich von selbst", schreibt die FDP außerdem. Zwar sei es Usus, mit der Benennung einer Straße nach dem Tod ein Jahr zu warten. Doch die FDP findet: Die Stadtverwaltung sollte schon jetzt mit den Vorbereitungen starten – auch, um ein Signal der Wertschätzung zu senden.

Zum Beispiel könnte das Rathaus schon mal überlegen, wo eine Beckenbauer-Straße oder ein Beckenbauer-Platz hin........

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