Kann man, wenn in diesem Jahr die Jüdischen Kulturtage eröffnet werden, den Terrorangriff auf Israel und den folgenden Krieg seit dem 7. Oktober beiseitelassen? Natürlich nicht, denn es geht um die Frage, wie jüdisches Leben - auch in München - selbstverständlich und sicher gelebt werden kann.

Und so war man gespannt, wie bei fünf (!) angekündigten Begrüßungen nicht fünf Mal dasselbe gesagt würde. Und dann die Überraschung: Natürlich stellte Oberbürgermeister Dieter Reiter die Situation der jüdischen Mitbürger in den Vordergrund, aber erzählte auch von der israelischen Partnerstadt Be'er Sheva und der Einstimmigkeit im Stadtrat, als am Donnerstag eine Million Euro für das beschädigte Krankenhaus dort für den Wiederaufbau bewilligt wurde.

Justizminister Georg Eisenreich betonte den Schlag der Staatsanwaltschaft gegen Antisemitismus in Bayern, bei dem gerade zig Wohnungen durchsucht und Verdächtige festgenommen wurden. Und als dann die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde Charlotte Knobloch sprach, klang - bei aller Erschütterung - sogar so etwas wie Dankbarkeit für die Solidarität der deutschen und Münchner Gesellschaft mit Israel an. Und so war die erste, reine Redestunde sehr bewegend und nicht monoton geworden. Wozu auch die Ansprache der israelischen Generalkonsulin in München, Talya Lador-Fresher, passte, die dann aber zu Recht ihr Befremden äußerte, dass gerade die Reaktion der deutschen Kulturszene nach dem 7. Oktober "von dröhnender Stille" sei.

Und die Gastgeberin Judith Epstein selbst bezog sich auf das von ihr gewählte Motto der 37. Jüdischen Kulturtage München "Die Sprache der Musik verbindet". "Wir machen keine Politik", betonte sie, aber verlangte von der Münchner Gesellschaft: "Wir brauchen keinen Hass, wir brauchen Haltung!" Fantastisch war bei aller heiklen Schwere, mit welcher unerschütterlichen humanen Heiterkeit die Moderatorin Uschi Dämmrich von Luttitz durch den Abend führte.

Dem Oberbürgermeister lobte sie, dass er die Stadtgesellschaft "in unnachahmlicher Art" regiere, wobei der wiederum nicht wusste, wie und ob er das als Kompliment verstehen sollte. Nach der Begrüßungsorgie von gleich zwei "Königlichen Hoheiten" (Franz und Ludwig von Bayern), einer Prinzessin (Sophie) und "Durchlauchten" (Gloria mit Sohn Albert) wusste man allerdings zeitweise nicht mehr, ob Bayern noch Freistaat und Republik ist. Und wo blieb die Kultur?

Hauptakt war der Auftritt einer Boygroup von fünf traditionellen Vorsängern in der Synagoge. Das Vokalensemble Mafteach Soul aus Israel spannten einen emotionalen Bogen von Gebeten für die israelischen Soldaten und Geiseln über Volksweisen bis hin zur Fürbitte in Form des Beatles-Songs "Let it be". Ihre Koffer waren in Tel Aviv am Flughafen zurückgeblieben, so dass sie sich in der Münchner Fußgängerzone neu eingekleidet hatten. Wovon handelte das Schlusslied: "Die Welt ist eine schmale Brücke, es geht darum, keine Angst zu haben."

Nach der Eröffnung im Saal X des neuen Gasteig HP8 hatte der OB noch ins gegenüberliegende Lokal Gaia eingeladen. Wobei er selbst seit längerem abends nichts mehr isst.

QOSHE - Wittelsbacher, Fürstin Gloria und neuer Bürgermeister: Was im neuen ... - Adrian Prechtel
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Wittelsbacher, Fürstin Gloria und neuer Bürgermeister: Was im neuen ...

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01.12.2023

Kann man, wenn in diesem Jahr die Jüdischen Kulturtage eröffnet werden, den Terrorangriff auf Israel und den folgenden Krieg seit dem 7. Oktober beiseitelassen? Natürlich nicht, denn es geht um die Frage, wie jüdisches Leben - auch in München - selbstverständlich und sicher gelebt werden kann.

Und so war man gespannt, wie bei fünf (!) angekündigten Begrüßungen nicht fünf Mal dasselbe gesagt würde. Und dann die Überraschung: Natürlich stellte Oberbürgermeister Dieter Reiter die Situation der jüdischen Mitbürger in den Vordergrund, aber erzählte auch von der israelischen Partnerstadt Be'er Sheva und der Einstimmigkeit im Stadtrat, als am Donnerstag eine Million Euro für das beschädigte Krankenhaus dort für den Wiederaufbau bewilligt........

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