Kein anderes Thema hat die Stadt in dieser Woche so sehr bewegt wie die Distanzierung der Alemannia von der Großkundgebung gegen Rechtsextremismus. Und dann gab es ja noch einen anderen großen Knall und etwas Tschingderassabum.

Wann haben sich schon mal 20.000 Menschen in der Aachener Innenstadt versammelt, um gemeinsam und friedlich für eine Sache einzutreten? Die Großkundgebung vom vergangenen Wochenende unter dem Titel „Wir sind Aachen. Nazis sind es nicht.“ hallt noch immer stark nach. So viele Menschen im Herzen der Stadt auf drei pickepacke vollen Plätzen rund um Dom und Rathaus waren ein beeindruckendes Bild. Dort hat Aachen sein wahres Gesicht gezeigt, vor allem auch, weil ein sehr breites Bündnis aus allen Teilen der Gesellschaft zusammengekommen ist, um für Demokratie, für Toleranz, für Menschenwürde, für einen respektvollen Umgang miteinander einzutreten.

Mir ist diese Kundgebung auch deshalb so sehr ans Herz gegangen, weil ich merke, wie sehr ich in diesen schwierigen, konfliktreichen Zeiten darum ringe, meinen Glauben an das Gute im Menschen zu bewahren. Genau darum ging es: unsere Werte, das, was uns verbindet über Partei-, Religions-, Kultur- und sonstige Grenzen hinweg. Es tat einfach gut, das zu sehen, zu hören und zu spüren. Ich wünsche mir, dass das keine Eintagsfliege war und es gelingt, diese Flamme der Hoffnung weiter brennen zu lassen. Vielleicht nicht immer mit einer Großkundgebung, aber mit vielen kleinen Aktionen und Zeichen.

Man mag das sentimental finden. Aber genau dort, auf der emotionalen Ebene, hat die Irritation darüber ihren Ursprung, dass Alemannia Aachen sich an der Kundgebung nicht beteiligen wollte. 20.000 Menschen zeigen Herz, und der größte Sportverein dieser Stadt, der Herzensverein so vieler Menschen, ist nicht dabei – mehr noch: Er distanziert sich mit einer fragwürdigen Stellungnahme von der Kundgebung. Kein anderes Thema hat die Stadt in dieser Woche so sehr aufgewühlt.

Geschäftsführer Sascha Eller und Aufsichtsratsvorsitzender Marcel Moberz haben im Studiotalk mit unserer Zeitung Verständnis für die massive Kritik geäußert und Fehler eingeräumt. Sie haben sich entschuldigt und klargestellt, dass Rechtsextremismus und Faschismus in dem Verein keinen Platz haben. Reicht das? Kann die Alemannia jetzt zur Tagesordnung übergehen? Alle Kraft und Konzentration auf das Saisonziel lenken, den Aufstieg in die dritte Liga? Ich finde: Nein, da muss noch etwas kommen. Im Übrigen: Bei allem Fokus auf den Sport wäre es ein Leichtes für Trainer, einige Spieler und die Vereinsspitze gewesen, bei der Kundgebung auf die Bühne zu treten. Der Zeitaufwand hätte nicht über Wohl und Wehe im Aufstiegskampf entschieden.

Sport findet nicht im luftleeren Raum statt. So sehr Eller und Moberz betonen, dass doch klar sei, wofür die Alemannia stehe: Werte sind nur dann etwas wert, wenn man für sie eintritt. Und die Entschuldigung der Vereinsführung ist nur dann etwas wert, wenn sie auch zu einem veränderten Verhalten führt. Die Alemannia muss sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft stellen – sichtbar, nachvollziehbar, aktiv. Es muss klar sein: Wer rechtsextremes, rassistisches, fremdenfeindliches oder faschistisches Gedankengut vertritt, kann nicht zur Alemannia-Familie gehören. Die Liebe zu einem Verein darf nicht über den Werten dieser Gesellschaft stehen.

Gegen diesen Paukenschlag ist der andere große Knall der Woche schnell verhallt. 75 hundertstel Sekunden hat die Sprengung der Haarbachtalbrücke gedauert. Endlich ist es passiert, möchte man sagen, nachdem Wochen und Monate auf den Tag hingefiebert worden ist. Derweil scheint sich der Umleitungsverkehr langsam einzupendeln. Großes Chaos und laute Beschwerden sind jedenfalls nicht zu vernehmen.

Nun steht das Finale dieser kurzen Karnevalssession an. Kurz bevor am Aschermittwoch schon wieder alles vorbei ist, hat die Prinzengarde noch mal mit Tschingderassabum ihrem Ärger über vermeintlich teure Knöllchen Luft gemacht, nachdem sie einen Radfahrschutzstreifen blockiert hat. Man suche immer eine Lösung „im Sinne des fließenden Verkehrs“, sagt der Chef der Prinzengarde, Dirk Trampen. Er meint freilich: im Sinne des Autoverkehrs. Während er es für Radfahrer für zumutbar hält, „nur kurz einen Bogen um unsere Kolonne“ zu fahren, können das Autofahrer seiner Auffassung nach offensichtlich nicht. Logisch ist das nicht, die Knöllchen zahlt Trampen auch, erkennt die Ordnungswidrigkeit also an. Warum dann so viel Täterätätä?

In diesem Sinne einen schönen Rest-Fastelovvend, viel Spaß an Fettdonnerstag und „Dreijmoel Oche Alaaf!“

c.rein@medienhausaachen.de

QOSHE - Von Werten und wann sie etwas wert sind - Christian Rein
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Von Werten und wann sie etwas wert sind

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05.02.2024

Kein anderes Thema hat die Stadt in dieser Woche so sehr bewegt wie die Distanzierung der Alemannia von der Großkundgebung gegen Rechtsextremismus. Und dann gab es ja noch einen anderen großen Knall und etwas Tschingderassabum.

Wann haben sich schon mal 20.000 Menschen in der Aachener Innenstadt versammelt, um gemeinsam und friedlich für eine Sache einzutreten? Die Großkundgebung vom vergangenen Wochenende unter dem Titel „Wir sind Aachen. Nazis sind es nicht.“ hallt noch immer stark nach. So viele Menschen im Herzen der Stadt auf drei pickepacke vollen Plätzen rund um Dom und Rathaus waren ein beeindruckendes Bild. Dort hat Aachen sein wahres Gesicht gezeigt, vor allem auch, weil ein sehr breites Bündnis aus allen Teilen der Gesellschaft zusammengekommen ist, um für Demokratie, für Toleranz, für Menschenwürde, für einen respektvollen Umgang miteinander einzutreten.

Mir ist diese Kundgebung auch deshalb so sehr ans Herz gegangen, weil ich merke, wie sehr ich in diesen schwierigen, konfliktreichen Zeiten darum ringe, meinen Glauben an das Gute im Menschen zu bewahren. Genau darum ging es: unsere Werte, das, was uns verbindet über Partei-,........

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