In Aachen beginnt der Weihnachtsmarkt! Doch statt vorweihnachtlicher Besinnlichkeit gibt es eine gefühlte Karussellfahrt mit der neuerlichen Wendung beim Haus der Neugier.

Wenn es ein Zitat für diese Woche gibt, dann vielleicht dieses: „Wir machen keine Kirmes mit Tannengrün!“ Gesagt hat den Satz Klaas Wolters, Vorsitzender des Aufsichtsrats des Märkte- und Aktionskreises City (MAC). Er unterstrich damit den Qualitätsanspruch für den Aachener Weihnachtsmarkt, den der MAC in diesem Jahr zum 50. Mal organisiert. Viele potenzielle Aussteller habe man abweisen müssen, weil sie den Anforderungen nicht genügt hätten.

Dass der Weihnachtsmarkt in Aachen zu den schönsten in Deutschland zählt, ist unbestritten. Und wenn an diesem Wochenende der Budenzauber losgeht, beginnt für viele Aachenerinnen und Aachener eine der schönsten Zeiten des Jahres. Für manche aber auch die anstrengendste: Es wird knackevoll in der City. Vorweihnachtliche Besinnlichkeit? Im Geschenkekauf- und Glühwein-Rausch wird die wohl eher eine untergeordnete Rolle spielen.

Wer mit Auto oder Bus unterwegs ist, braucht speziell am Samstag starke Nerven: Zusätzlich zum Weihnachtsmarkt werden gleich fünf Versammlungen, darunter eine Lkw-Demonstration, zu massiven Verkehrsbehinderungen führen. So erwartet es die Polizei. Ein Ärgernis? In dieser geballten Form sicherlich für den ein oder anderen nervenzehrend, aber man kann – und sollte – sich darauf einstellen. Ich bin jedenfalls froh in einem Land zu leben, in dem freie Meinungsäußerung möglich ist und es ein Demonstrationsrecht gibt.

Aber zurück zur „Kirmes mit Tannengrün“: Ein wenig nach Karussellfahrt fühlte sich in dieser Woche die neuerliche Wendung in der Causa „Haus der Neugier“ an. Da hatte sich die Oberbürgermeisterin mit nahezu dem gesamten Verwaltungsvorstand vom lange favorisierten und laut Machbarkeitsstudie bestens geeigneten Standort im ehemaligen Horten-Haus verabschiedet. Schweren Herzens – zumindest die meisten aus der Runde – und rein der Kosten wegen, die Kämmerin Grehling vorrechnete. Neuer Favorit: der Bushof.

Daraufhin hagelte es Kritik von Stadtplanern und Architekten, Handel und Gewerbe. Und als sich schließlich auch noch fehlende Unterstützung in nahezu kompletter politischer Breite – also selbst bei der grün-roten Koalition – abzeichnete, zog die Verwaltung ihre Vorlage kurz vor Beginn der politischen Beratungen doch wieder zurück. Die 180-Grad-Wende nach der 180-Grad-Wende sozusagen – wie auf der Kirmes. Da soll einem nicht schwindelig werden.

Unabhängig davon, dass solch ein Schlamassel ziemlich überflüssig ist, müssen sich die Verantwortlichen fragen lassen, welchen Gestaltungswillen sie haben. Natürlich ist finanziell verantwortungsvolles Handeln richtig und wichtig. Aber wenn man eine gute Idee, die das Haus der Neugier zweifelsohne ist, umsetzen möchte, dann braucht es Mut und Kreativität. Mut, sich zu entscheiden und die Dinge konsequent voranzutreiben. Kreativität, Hindernisse, die sich dabei auftun, aus dem Weg zu räumen.

Das gilt besonders für die Finanzierung eines solchen Projekts. Zwischen sehr teuer und gar nicht gibt es noch einige Optionen. Dass beispielsweise Fördermöglichkeiten nicht genauer ausgelotet worden sind, lässt tief blicken. Dabei wäre eine nachhaltige Wiederbelebung des Horten-Hauses so wichtig für das gesamte Umfeld – sei es Dahmengraben, Büchel, Grosskölnstraße oder Hotmannspief.

Übrigens: Man kann beklagen, dass die Stadt dann dem jetzigen privaten Eigentümer, der Landmarken-Gesellschaft, einen Haufen Geld hinterherwerfen muss. Aber einerseits ist dieser Eigentümer der Stadt bereits weit entgegengekommen, und andererseits hat die Stadt den Fehler bereits 2013 gemacht, als sie nicht von ihrem Vorkaufsrecht für das Horten-Haus Gebrauch gemacht hat. Es nützt nichts, der Standort ist für die Stadtentwicklung zu bedeutend. Also: Nur Mut!

Ein schönes Wochenende und einen entspannten Start in die Vorweihnachtszeit!

christian.rein@medienhausaachen.de

QOSHE - Kirmes mit Tannengrün - Christian Rein
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Kirmes mit Tannengrün

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12.12.2023

In Aachen beginnt der Weihnachtsmarkt! Doch statt vorweihnachtlicher Besinnlichkeit gibt es eine gefühlte Karussellfahrt mit der neuerlichen Wendung beim Haus der Neugier.

Wenn es ein Zitat für diese Woche gibt, dann vielleicht dieses: „Wir machen keine Kirmes mit Tannengrün!“ Gesagt hat den Satz Klaas Wolters, Vorsitzender des Aufsichtsrats des Märkte- und Aktionskreises City (MAC). Er unterstrich damit den Qualitätsanspruch für den Aachener Weihnachtsmarkt, den der MAC in diesem Jahr zum 50. Mal organisiert. Viele potenzielle Aussteller habe man abweisen müssen, weil sie den Anforderungen nicht genügt hätten.

Dass der Weihnachtsmarkt in Aachen zu den schönsten in Deutschland zählt, ist unbestritten. Und wenn an diesem Wochenende der Budenzauber losgeht, beginnt für viele Aachenerinnen und Aachener eine der schönsten Zeiten des Jahres. Für manche aber auch die anstrengendste: Es wird knackevoll in der City. Vorweihnachtliche Besinnlichkeit? Im Geschenkekauf- und........

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