Wie viel Transparenz ist nötig? Diese Frage stellt sich beim Blick auf die bestimmenden Themen der Woche in Aachen. Doch was hat der Umgang mit der Karajan-Büste mit einer gesperrten A544-Brücke zu tun?

Kann man das Werk vom Künstler trennen? Nach den jüngsten Skandalen in der Welt der zeitgenössischen Rock-, Metal- und HipHop-Musik werden jetzt auch Anhänger der Klassik mit dieser Frage konfrontiert. Herbert von Karajan war nicht nur ein weltweit gefeierter Dirigent. Der gebürtige Österreicher, der 1935 als jüngster Generalmusikdirektor Deutschlands zum Stadttheater Aachen kam, hatte offenbar auch ordentlich Dreck am Stecken.

So sagt es Elena Tzavara, Intendantin des Theaters Aachen. Und das sagen auch neuere Forschungen. Demnach hat Karajan seine Biografie nach Ende des Zweiten Weltkriegs gezielt gefälscht. Und dabei insbesondere seine Aktivitäten in der NS-Zeit beschönigt. Rein aus Karrieregründen, wie es lange hieß, scheint er nämlich nicht Mitglied der NSDAP geworden sein. Der Entschluss fiel offenbar schon früher. Ein Fakt, den Karajan in späteren Jahren lieber unter den Tisch fallen ließ.

Elena Tzavara, seit Sommer Intendantin in Aachen, hat die Konsequenzen gezogen und die Karajan-Büste aus dem Foyer des Stadttheaters verbannt. Richtig so! Über Jahrzehnte hinweg hat sich das Theater Aachen in der hauseigenen Geschichtsschreibung mit dem Namen Karajan gerühmt. Dass die neue Intendantin mit der Entfernung der Büste auf ein klares Signal der Distanz setzt, ist wichtig; gerade jetzt, in Zeiten, in denen antisemitische Vorfälle in Deutschland stark zunehmen, sind große Gesten notwendig.

Wichtig ist nur, dass es dabei nicht bleibt. Das Theater Aachen sollte sich – wie alle öffentlichen Institutionen – noch stärker mit seiner eigenen Vergangenheit in der NS-Zeit auseinandersetzen und das auch transparent machen. Die Büste Karajans ist im Museum gut aufgehoben. Eine sichtbare und kritische Auseinandersetzung mit dem auch heute noch von vielen gefeierten Dirigenten gehört jedoch auch in die Hallen des Stadttheaters.

Apropos Transparenz: Auch die Stadtverwaltung muss sich damit auseinandersetzen, wie transparent sie mit Informationen umgeht. Beispiel A544. Die Autobahn GmbH hat entschieden, zeitgleich zur A544-Brücke über das Haarbachtal auch die kleine Brücke über der Straße Auf der Hüls zu erneuern. Da just diese Straße von zahlreichen Pendlerinnen und Pendlersn als Umfahrungsstrecke der A544-Sperrung genutzt wird, dürfte sich die Verkehrslage in Haaren dadurch abermals verschärfen.

Dass die Stadt Aachen durch eine fehlgeleitete E-Mail von den Plänen der Autobahn GmbH erfährt, zeigt, wie groß die kommunikativen Defizite gerade auf dieser Seite sind. Doch auch die Aachener Stadtverwaltung hätte Gelegenheit gehabt, ihr Wissen über die zweite sanierungsbedürftige Brücke zu teilen, zumindest in nicht-öffentlicher Sitzung mit der Politik. Mehr Transparenz könnte sicherlich an der einen oder anderen Stelle für weniger Frust sorgen – zumindest gerichtet auf die Stadt Aachen.

Jede Menge Frust klingt auch aus der Ankündigung eines Aachener Anwalts heraus, der stellvertretend für den Verein „Mobile Vernunft“ die Stadt Aachen verklagen will. Weil die Stadt auf Forderungen des Vereins, Templergraben und Annuntiatenbach für Autos wieder freizugeben, nicht eingegangen ist, soll es vor Gericht gehen.

Es mutet schon fast absurd an: Da stellt ein Anwalt stellvertretend für eine überschaubare Anzahl an Bürgerinnen und Bürgern der Oberbürgermeisterin ein „Ultimatum“ und schwingt dann, weil auf dieses nicht wunschgemäß beziehungsweise überhaupt nicht reagiert wurde, die juristische Keule.

Das Recht hat er dazu, das sei gar nicht in Frage gestellt. Auf den Ausgang dieses Verfahrens dürfen die Aachenerinnen und Aachener gespannt sein. Schließlich geht es um eine ganz zentrale Frage: Wie wird sich Mobilität in Aachen entwickeln? Gelingt die Mobilitätswende? Welche Belange sind höher zu werten? Die von Autofahrern, Fußgängern, Radfahrern? Vollkommen abwegig ist es nicht, dass ein Gericht den Reallaboren in Aachen und damit auch dem Konzept Innenstadtmobilität für morgen einen Riegel vorschiebt. Es gibt Gerichtsurteile, die ähnliche Verkehrsversuche beendet beziehungsweise verhindert haben. Ob eine solche Gesetzgebung aber in Zeiten des Klimawandels noch zeitgemäß ist, wäre dann aber äußerst fraglich.

Ein schönes Wochenende!

QOSHE - Mehr Transparenz bitte – nicht nur im Theater - Annika Kasties
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Mehr Transparenz bitte – nicht nur im Theater

13 0
12.12.2023

Wie viel Transparenz ist nötig? Diese Frage stellt sich beim Blick auf die bestimmenden Themen der Woche in Aachen. Doch was hat der Umgang mit der Karajan-Büste mit einer gesperrten A544-Brücke zu tun?

Kann man das Werk vom Künstler trennen? Nach den jüngsten Skandalen in der Welt der zeitgenössischen Rock-, Metal- und HipHop-Musik werden jetzt auch Anhänger der Klassik mit dieser Frage konfrontiert. Herbert von Karajan war nicht nur ein weltweit gefeierter Dirigent. Der gebürtige Österreicher, der 1935 als jüngster Generalmusikdirektor Deutschlands zum Stadttheater Aachen kam, hatte offenbar auch ordentlich Dreck am Stecken.

So sagt es Elena Tzavara, Intendantin des Theaters Aachen. Und das sagen auch neuere Forschungen. Demnach hat Karajan seine Biografie nach Ende des Zweiten Weltkriegs gezielt gefälscht. Und dabei insbesondere seine Aktivitäten in der NS-Zeit beschönigt. Rein aus Karrieregründen, wie es lange hieß, scheint er nämlich nicht Mitglied der NSDAP geworden sein. Der Entschluss fiel offenbar schon früher. Ein Fakt, den Karajan in späteren Jahren lieber unter den........

© Aachener Zeitung


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