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Inhaftiert, versklavt, ermordet – weil sie „Ungläubige“ sind

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Die 20-jährige Katholikin Arene hat soeben ihre erste Medizinprüfung in Assiut (Ägypten) absolviert, als sie auf dem Heimweg entführt wird. Ihre Familie findet mit Hilfe der örtlichen Kirche heraus, dass Arene in ein drei Autostunden entferntes Dorf verschleppt worden sein könnte. Die Behörden suchen nach der jungen Frau, doch sie bleibt verschwunden. Befürchtet wird, dass Arene als Sklavin ins benachbarte Bürgerkriegsland Sudan verkauft wurde.

Die christliche Schülerin Mehrael verschwindet in Heliopolis am Stadtrand von Kairo. Auch sie hat gerade eine wichtige Prüfung absolviert. Lange fehlt von ihr jede Spur.

Die 18-jährige Huma ist auf dem Weg zu ihrem Job in einem Callcenter in Pakistan, als sie auf offener Straße entführt wird. Die Polizei agiert zunächst bestenfalls halbherzig, doch ihre Eltern finden später mit Hilfe einer christlichen Rechtsberatungsorganisation heraus, dass Huma zwangsislamisiert und zwangsverheiratet wurde. Es kommt sogar zum Prozess, doch in diesem sagt Huma – offenbar unter Druck und aus Angst vor ihrem Ehemann – aus, sie sei aus freien Stücken Muslimin geworden. Die junge Frau bleibt unerreichbar für ihre Familie.

Alle drei jungen Frauen wurden gekidnappt, weil sie Christinnen sind. Die katholische Ordensschwester Sakia, die in Pakistan eine Nähschule für junge Frauen leitet, könnte der WZ am Telefon noch von etlichen weiteren Entführungen erzählen. Von jungen Mädchen, die plötzlich nicht mehr da waren. Aber auch von einem Burschen, der kurzerhand am nächsten Baum aufgehängt wurde, weil er als Christ eine Muslima verführt haben soll. „Seiner Familie wurde angedroht, mit ihnen dasselbe zu machen, wenn sie nicht zum Islam konvertieren“, berichtet Sakia.

Menschenhandel und Zwangsheirat gehören in Pakistan zum Alltag einer Minderheit, die knapp zwei Prozent der Bevölkerung ausmacht und nur vordergründig Religionsfreiheit genießt. Ein genauerer Blick offenbart, dass Christ:innen als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Das beginnt im Bildungssystem, wo sie ebenso systematisch benachteiligt werden wie am Arbeitsmarkt, und gipfelt in Entführungen, Morde und Bombenanschläge. Ein Hotspot ist die ostpakistanische Provinz Punjab an der Grenze zu Indien. 2015 und 2016 wurden dort rund 90 Menschen bei Attentaten auf Kirchen in Lahore getötet, neben Christ:innen starben auch Muslim:innen. Und beim jüngsten größeren Vorfall 2023 stürmte ein wütender Mob christliche Wohnviertel in Jaranwala und zündete 26 Kirchen an. Zu diesem Gewaltexzess war über Lautsprecher der Moscheen ausgerufen worden, die Polizei soll laut Augenzeug:innen tatenlos zugesehen haben. Besonders prekär ist auch die Lage der Christ:innen im Westen Pakistans, im Grenzgebiet zu Afghanistan.

Der Grund für die Ausschreitungen in Jaranwala: Zwei Christen sollen Koranseiten entweiht haben. Die beiden Männer wurden später entlastet, aber auch die meisten muslimischen Angreifer........

© Wiener Zeitung