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Arbeitspflicht: Was macht John aus Uganda im Pflegeheim?

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Manchmal schupft John mit den Bewohner:innen am Gang vorsichtig Bälle. Oder er geht mit Maria eine Runde spazieren. Auf Deutsch kann er „Guten Morgen“ sagen. Und: „Wie geht`s?“ Und: „Was magst du? Einen Kaffee oder Cappuccino?“ Mit Englisch könnte sich John besser verständigen.

Englisch können die Bewohner:innen im Sozialzentrum Satteins allerdings meistens nicht. Der Altersschnitt liegt jenseits der 75 Jahre. Aber einige der Bewohner:innen könnten auch auf Deutsch nicht mehr verbalisieren, welche Art von Kaffee sie aus dem Vollautomaten gedrückt bekommen möchten: In der hinteren Hälfte des Frühstücksraums sitzen oder lehnen jene zusammengesunken, die sogar Hilfe beim Essen brauchen. Dort nützt eine mitfühlende Einstellung mehr als Sprachkenntnisse. Es sind einige solcher Pflegefälle hier.

Petra vom Betreuungspersonal sagt: „Ein Lächeln versteht man auf der ganzen Welt.“

John lächelt gern hier, in Vorarlberg, in Satteins. An einem Tag in der Woche kommt er für zwei Stunden hierher, seit Februar. Seit er in Vorarlberg gelandet ist. In Österreich ist er seit dem 2. September 2024. Er weiß das Datum genau. Da hat er dann sein Asylgesuch eingereicht. Seitdem ist er in der Warteschleife. Der Bescheid mit Ja oder Nein könnte morgen kommen. Oder in einem Jahr. John hat keine Ahnung. Das System dauert eben.
John kommt aus Uganda und ist schwul. Als er 13 war, haben ihn seine Eltern deswegen verstoßen. Er lebte, wie alle Homosexuellen in dem ostafrikanischen Land, in der ständigen Angst, erwischt zu werden. Denn dann wird man verprügelt oder kommt ins Gefängnis, „oder man verschwindet und niemand weiß, was aus einem geworden ist“, erzählt John. In Österreich schätzt er am meisten „die Menschenrechte“. Und dass er keine Angst haben muss.

John hat sich in Uganda zuerst als Automechaniker durchgeschlagen und dann im Marketing gearbeitet. Jetzt kann er sich vorstellen, eine Ausbildung im Pflegebereich zu beginnen – wenn er denn endlich einen positiven Asylbescheid bekäme. Ohne Status gibt es keine Ausbildung.

In Satteins ist seine Sexualität egal. Hier ist man froh, ein Lächeln zu sehen. Und ist dankbar für ein extra Paar Hände, um mit einer Person im Rollstuhl eine Runde drehen zu können.

Die zwei Stunden in der Woche, die John in Satteins verbringt, geben seiner Woche Struktur, sagt er. Ansonsten würde er nur in seinem Zimmer sitzen und in Depressionen verfallen. In seinem Wohnhaus gibt es viele Asylwerber:innen. Doch John ist der einzige, der Englisch spricht. Mit Somalier:innen, Syrer:innen und Afghan:innen kann er sich nur über die paar Brocken Deutsch verständigen, die alle lernen müssen.

John würde gerne mehr als die zwei Stunden arbeiten. Aber seine an sich harmlos wirkende Tätigkeit unterliegt vielen Reglementierungen.

Denn John ist derzeit einer von drei........

© Wiener Zeitung