menu_open Columnists
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close

Depressionen: wie ein Tamagotchi

11 0
19.12.2025

An schlechten Tagen stellt Laura* sich vor, sie sei ein Tamagotchi, ein digitales Haustier, das Kinder der 1990er auf eiförmigen kleinen Geräten pflegten. Dann zeigen Herzen auf einem kleinen Computer an, welche Bedürfnisse sie hat: Hunger? Pieps – eine Mahlzeit muss her. Sauberkeit? Pieps – Zeit für eine Dusche. Müde? Pieps, pieps – ab ins Bett.

Lange tat Laura sich schwer damit, ihre Bedürfnisse zu erkennen. Heute ist das anders.

Die 31-Jährige ist Redakteurin bei einer Radiostation – und lebt mit wiederkehrenden Depressionen.

Die erste Episode ihrer Depression traf Laura mit Anfang 20, mitten in einer Phase, in der eigentlich alles gut lief, wie sie sagt. Sie befand sich gerade im Studium, wohnte in einer WG, schrieb an einer wissenschaftlichen Arbeit, drehte einen Film – alles Dinge, die ihr Freude machten.

„Von einem Tag auf den anderen ging plötzlich gar nichts mehr“, erinnert sich Laura im Gespräch mit der Wiener Zeitung. „Ich lag in meinem Bett, sah ein Foto von meinem Papa und mir an, und dann war plötzlich Game Over.“

Laura weint damals unkontrolliert, sie hyperventiliert und hat den Eindruck, sich nicht mehr bewegen zu können. Jedes Mal, wenn sie ihren Arm heben möchte, jedes Mal, wenn sie einen Schritt machen möchte, scheint ihr Gehirn ihren Extremitäten gesonderte Befehle schicken zu müssen. Über Tage hinweg hält der Zustand an. Als ihr Mitbewohner in der Küche einen Witz erzählt, muss Laura plötzlich weinen. Fluchtartig verlässt sie das Zimmer, versteht selbst nicht, was in sie gefahren ist. Eine Mitbewohnerin hingegen scheint es besser zu verstehen: Sie bringt ihr Tee, legt sich neben sie ins Bett, massiert ihre Hand. Damit Laura wieder ins Tun kommt und in Gesellschaft ist, schlägt sie ihr vor, gemeinsam einen Salat zuzubereiten. Wie einem........

© Wiener Zeitung