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„Der Täter wurde geschützt, nicht ich“

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06.12.2025

Dieser Artikel behandelt sexualisierte Gewalt, einschließlich Vergewaltigung. Der Inhalt kann belastend oder retraumatisierend wirken. Bitte lies nur weiter, wenn du dich emotional sicher fühlst. Eine Liste mit Unterstützungseinrichtungen findest du am Ende des Textes.

Für Valerie beginnt der Abend wie jeder andere. Ein Treffen mit Freund:innen, dazu ein paar Bekannte. Unter ihnen befindet sich der Mann, der sie in dieser Nacht vergewaltigen wird. Es folgen Krankenhaus, Anzeige, Einvernahme. Am Ende wird das Verfahren eingestellt. Beweismangel – wie bei den meisten Vergewaltigungsverfahren.

Valerie ist eine fiktive Person, die für reale Fälle steht: In diesem Text verkörpert sie mehrere Frauen, mit denen die WZ im Laufe der Recherche gesprochen hat. Sie haben uns ihre Strafakten gezeigt, die Begründungen der Staatsanwaltschaften, warum ihre Verfahren eingestellt wurden. Um sie zu schützen, haben wir ihre Geschichten zusammengeführt und anonymisiert. Offen können sie über ihre Vergewaltigungen nicht sprechen, rein juristisch sind die nämlich nie passiert.

Die betroffenen Frauen sagen uns immer wieder: „Ich wurde vergewaltigt. Ich bin das Opfer. Aber der Staat hat den Täter beschützt, nicht mich.“ Opferschutzanwältinnen, Gewaltschutzexpertinnen, Psychologinnen und Frauenorganisationen zeichnen ein ähnliches Bild. Sie geben uns Einblicke in ein System, in dem Frauen strukturell nicht gehört werden. In dem Behörden unzureichend geschult sind, Täter kaum im Fokus stehen und nur selten ein Schuldspruch fällt. Ein System, von dem sich Betroffene im Stich gelassen fühlen.

Valerie ist keine Einzelperson, sie steht für viele Frauen. Das sind ihre Geschichten.

Valerie hat sich ihre Anzeige gut überlegt. Sie hat mit Freund:innen darüber gesprochen, mit ihren Geschwistern. „Am Ende habe ich mir gedacht, das Schlimmste ist mir ja schon passiert“, sagt sie. „Damals wusste ich noch nicht, wie die Behörden mit mir umgehen werden.“

In Österreich ist jede dritte Frau ab dem Alter von 15 Jahren von körperlicher und/oder sexualisierter Gewalt betroffen. Bei 9 Prozent kam es bereits zu einer Vergewaltigung. Davon gelangt nur ein Bruchteil nur Anzeige, die Dunkelziffer ist laut Expert:innen hoch. 2024 waren es laut Kriminalstatistik 1355. In nur 127 Fällen kam es am Ende zu einem Schuldspruch, 1082 Verfahren wurden eingestellt. Eine direkte Verurteilungsquote lässt sich daraus........

© Wiener Zeitung