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Die Ernte nach der Saat

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08.10.2024

Stand: 08.10.2024, 15:45 Uhr

Von: Stephan Hebel

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Die Strategie der deutschen Autoindustrie baute jahrelang auf einem guten Image. Dieses kurzsichtige Management und die verschlafene Transformation rächen sich jetzt - doch die Politik sucht die Schuld im Ausland.

Was haben deutsche Autos mit Hühnerschenkeln zu tun? Seltsame Frage, aber abwegig ist sie nicht. Denn beide, die Autos und die Hühnerschenkel, eröffnen eine erhellende Perspektive auf die Wirklichkeit unseres Wirtschaftssystems. Erst recht jetzt, da die Europäische Union die Einführung von Importzöllen auf chinesische Pkw vorbereitet. Und daran wiederum könnte sich zeigen, dass die Probleme dieses Landes ganz andere Ursachen haben als flüchtende Menschen, die in weiten Teilen der Politik zu Hauptschuldigen für alles Mögliche gestempelt werden.

Schon auf den ersten Blick haben Autos und Hühnerschenkel etwas gemeinsam: Deutschland exportiert sie gern, andere EU-Länder auch. Andererseits könnten die Märkte für Autos und Hühnerschenkel kaum unterschiedlicher sein: Volkswagen, BMW, Mercedes und Co. haben lange vom Verkauf ihrer Limousinen in China gelebt, solange die Fahrzeuge dort als Produkte weltweit führender Ingenieurskunst galten. Die Hühnerschenkel dagegen gehen vor allem nach Westafrika, denn weil die Kundschaft in Europa lieber Brust zu sich nimmt, sind sie eher ein Abfallprodukt, fast könnte man wieder an Autos denken und sagen: Schrott.

Niemand wird behaupten, dass die Hühnerschenkel-Industrie eine ähnliche ökonomische Bedeutung hätte wie die Autobranche. Aber der Vergleich macht exemplarisch deutlich, wie verlogen die deutschen und europäischen Debatten über globale Wirtschaftsfragen oft sind. Kurz gesagt: Bestimmte Märkte mit Produkten zu überschwemmen, deren Niedrigpreise die einheimische Konkurrenz abwürgen, ist keine Spezialität chinesischer Autokonzerne und eines Regimes, das sie subventioniert. Das können wir Deutsche auch. Es ist Teil eines globalen Wirtschaftssystems, von dessen eklatanten Ungerechtigkeiten kaum jemand redete, solange wir davon profitiert haben. Nur dass sich die Kräfteverhältnisse jetzt gewaltig verschieben.

Zunächst, zur Erinnerung, noch ein Blick auf die Hühnerschenkel. Was es mit ihnen auf sich hat, beschrieb Francisco Marí, Referent für Welternährung bei „Brot für die Welt“, im „Kritischen Agrarbericht“ 2024 am Beispiel Ghanas. Dort hat die Einfuhr........

© Frankfurter Rundschau


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