Stand: 21.12.2023, 15:37 Uhr

Von: Petra Kohse

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Unser Kater ist der Herold einer Botschaft, die durchaus den Frieden der Weihnacht in sich trägt.

Der Kater liebt die Weihnachtsfeiertage. Alle liegen bis nachmittags in Schlafanzügen auf dem Sofa herum, er kann sich von einem flanelligen Schoß zum anderen schieben und dazwischen beiläufig mit der Pfote nach Geschenkbändern tatzen. Im Liegen natürlich, damit die Sache nicht zu anstrengend wird.

Aber auch die Zeit vorher gehört für ihn zu der vielleicht schönsten im Jahr. Als Haustier ist er ja immerzu darauf angewiesen zu horchen, was von draußen reinkommt, und nie ist es ein Weihnachtsmann, der sich – wie bei Pettersson und Findus – zu ihm herabbeugt und fragt: „Gibt es hier einen braven Kater im Haus?“

Stattdessen haben es seine menschlichen Mitbewohner stets eilig, würdigen seine präzise ausgeführten Begrüßungsrollen kaum mehr flüchtig, tätscheln ihm kurz den Kopf, werfen Futter in den Napf, und schweigen dann anhaltend in ihre Geräte hinein.

Anders vor Weihnachten! Da kommt endlich mal etwas von drauß’ vom Walde rein, nämlich ein Tannenbaum, dessen würziger Geruch dem Kater anregend welthaltig vorkommt. Er steht lange und schnuppert versonnen von allen Seiten. Trockene Blätter, die man jagen kann, fallen aus den Zweigen, und der Wohnraum hat plötzlich eine Kratzgelegenheit mehr. Dann holen die Menschen Kisten vom Schrank oder aus dem Keller, knien auf dem Boden und hängen Spielsachen an den Baum – geht doch, denkt der Kater vermutlich und schläft auf einem Strang Lametta ein.

Einschlägige Tierwebseiten empfehlen, in Haushalten mit Katzen den Weihnachtsbaum auch an der Decke zu befestigen, ihn keinesfalls mit echten Kerzen und nur sehr zurückhaltend mit Lichterketten zu bestücken. („Im Kabel kann sich die Katze leicht verheddern.“) Glaskugeln sind selbstverständlich tabu, Lametta berge das Risiko, verschluckt zu werden, und generell solle man das Tier eigentlich vom Tannenbaum fernhalten. Fröhliche Weihnachten!

Wobei ich den Vorsorgemaßnahmen nicht widersprechen will. Aber da unser Kater nichts frisst, was nicht aus der Dose kommt und in seinem Napf liegt, ist die Erstickungs- und Vergiftungsgefahr doch etwas geringer. Und dass Kerzen Schnurrhaare versengen, weiß er ebenfalls. Ungeachtet der Gefahr, die für unvorsichtigere Katzen von weihnachtlicher Dekoration ausgehen kann, ist es dennoch der „Stubentiger“, die „Samtpfote“, die „Fellnase“ (wobei das die einzige Stelle ist, an der die Katze gerade KEIN Fell hat …), der beziehungsweise die im Internet als weltweit beliebtestes Weihnachtsmodell performt.

Katzen, vorzugsweise Kätzchen, die allein oder zu zweit unter oder in einer Weihnachtsmannmütze stecken, aus reich geschmückten Bäumen hervorlugen, Elchgeweihe tragen, sich in Glaskugeln spiegeln – wer sich hier durchklicken will, braucht für den Rest seines Lebens kein anderes Hobby mehr.

Unser Kater muss kein zartes Engelskostüm mit Flügeln tragen, um mich zu rühren. Er würde vermutlich auch nicht hineinpassen. Die Aufmerksamkeit, mit der er die analogen Verrichtungen des Advents begleitet, das Interesse, das in ihm erwacht, sobald Menschen mit ihren Händen etwas anderes tun als auf einer Tastatur herumzuklackern, der tiefe Schlaf, in den er fällt, wenn er mitten in einem Geschehen ist – all das macht ihn (andere Katzen mögen andere Charaktere haben) zum Herold einer Botschaft, die durchaus den Frieden der Weihnacht in sich trägt und die da heißt: Sei einfach da. Hier. Ich bin es auch.

Petra Kohse ist Kulturredakteurin, Buchautorin und Heilpraktikerin für Psychotherapie.

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21.12.2023

Stand: 21.12.2023, 15:37 Uhr

Von: Petra Kohse

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Unser Kater ist der Herold einer Botschaft, die durchaus den Frieden der Weihnacht in sich trägt.

Der Kater liebt die Weihnachtsfeiertage. Alle liegen bis nachmittags in Schlafanzügen auf dem Sofa herum, er kann sich von einem flanelligen Schoß zum anderen schieben und dazwischen beiläufig mit der Pfote nach Geschenkbändern tatzen. Im Liegen natürlich, damit die Sache nicht zu anstrengend wird.

Aber auch die Zeit vorher gehört für ihn zu der vielleicht schönsten im Jahr. Als Haustier ist er ja immerzu darauf angewiesen zu horchen, was von draußen reinkommt, und nie ist es ein Weihnachtsmann, der sich – wie bei Pettersson und Findus – zu ihm herabbeugt und fragt: „Gibt es hier einen braven Kater im Haus?“

Stattdessen haben es seine menschlichen Mitbewohner stets eilig, würdigen seine........

© Frankfurter Rundschau


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