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„Unternehmen sehen uns Plantagenarbeiter nicht als echte Menschen an“

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20.12.2024

fluter.de: Herr Leiton, Sie haben lange selbst auf einer Bananenplantage gearbeitet. Mit wie viel Jahren haben Sie dort angefangen?

Ich bin der Sohn einer Bananenplantagen-Familie. Mit acht Jahren habe ich angefangen, meinem Vater bei der Arbeit auf der Plantage zu helfen. Manchmal arbeitete ich fünf, manchmal sieben Stunden am Tag neben der Schule für meinen Vater. An manchen Tagen bin ich auch gar nicht zur Schule gegangen.

War das damals so üblich?

Das war damals in den 1970ern in Costa Rica noch nicht gesetzlich verboten und damit nicht ungewöhnlich. In den 1960ern bis 1980ern in Costa Rica glaubten viele, dass Schule nicht so wichtig sei. Sie nannten uns sogar faul, wenn wir in die Schule gingen, anstatt zu arbeiten. Zu Hause waren wir neun Geschwister. Nur ich und eine Schwester haben die sechste Klasse beendet.

Egal ob Obst aus Südamerika oder Kleidung aus Asien: In einer globalisierten Welt sind viele Menschen weltweit an der Herstellung unserer Produkte beteiligt – oft unter schlechten Arbeitsbedingungen. Das deutsche und das europäische Lieferkettengesetz sollen das ändern.

Das deutsche Gesetz wurde 2021 beschlossen und gilt seit 2024 für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Es verpflichtet deutsche Unternehmen, gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in ihren Lieferketten vorzugehen – je nachdem, ob es sich um ihren eigenen Geschäftsbereich, unmittelbare Zulieferer oder mittelbare Zulieferer handelt, jedoch mit unterschiedlich scharfen Maßnahmen. Die Unternehmen müssen zum Beispiel Beschwerdeverfahren einrichten, gegen konkrete Rechtsverstöße vorgehen und ihre Bemühungen dokumentieren. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) soll gewährleisten, dass das Gesetz durchgesetzt wird. Bei Verstößen gegen das Gesetz drohen den Unternehmen zum Beispiel Bußgelder oder Schadensersatzzahlungen.

Und dann gibt es noch die EU-Lieferkettenrichtlinie. Die ist nicht direkt ein Gesetz; die EU verabschiedet Richtlinien, und die Mitgliedstaaten müssen dann Gesetze daraus machen. Im April 2024 wurde diese Richtlinie vom Europaparlament verabschiedet, bis 2026 müssen die Mitgliedstaaten sie in nationales Recht umsetzen. Inhaltlich ist sie dem deutschen Lieferkettengesetz relativ ähnlich: Unternehmen werden verpflichtet, innerhalb ihrer gesamten Lieferkette für die Einhaltung von Menschenrechten zu sorgen – nicht nur bei ihren direkten Vertragspartnern, sondern auch bei deren Zulieferern.

Im Gegensatz zum deutschen Lieferkettengesetz müssen die Unternehmen laut der europäischen Richtlinie auch einen Klimaschutzplan erstellen und umsetzen. Außerdem sieht die Richtlinie eine zivilrechtliche Haftung vor: Betroffene, die Schäden erlitten haben, können Unternehmen vor einem nationalen Gericht innerhalb der EU auf Wiedergutmachung verklagen, dabei kommt auch das jeweilige nationale Recht zur Anwendung. Bereits heute können nach dem deutschen Lieferkettengesetz Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Ausland vor deutschen Gerichten – oder eben dem BAFA – auf Schadensersatz klagen, wenn sie sich durch ein deutsches Unternehmen in ihren Rechten verletzt sehen. Nach dem deutschen Lieferkettengesetz wird jedoch bisher nur das Recht des Landes angewandt, in dem der Schaden eingetreten ist. Dort sind Rechtsfragen der Haftung von........

© Fluter


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