Michael Lüders ist promovierter Islamwissenschaftler und Bestsellerautor. Er gehört seit Januar 2024 dem erweiterten Parteivorstand des BSW („Bündnis Sahra Wagenknecht – Für Vernunft und Gerechtigkeit“) an und ist auch Kandidat für die Wahl zum Europaparlament. Das Interview mit Lüders wurde auf dem Parteitag am Sonntag geführt.

Ramon Schack: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten“, hat Egon Bahr einmal geäußert. Würden Sie Egon Bahr, der 2015 verstorbene SPD-Politiker, Weggefährte von Willy Brandt, Mitarchitekt und Vordenker der Ostpolitik in den 1960er und 1970er Jahren, als so etwas wie ein politisches Vorbild bezeichnen, flankiert von einer Sehnsucht, nach der Sozialdemokratie jener Epoche?

Für mich persönlich ist Egon Bahr ein Staatsmann vom Format Willy Brandts und Helmut Schmidts. Die Ostpolitik der 1960er und frühen 1970er Jahre hat die Voraussetzung für die deutsche Wiedervereinigung und die EU in ihrer heutigen Form geschaffen. Dennoch gilt Bahr in seiner früheren Partei fast schon als Untoter. Zu Unrecht, denn er steht für Diplomatie, Augenmaß und Pragmatismus. Also für das genaue Gegenteil der heutigen Politik, die auf Konfrontation und Militarismus setzt. Stichwort: Kriegstüchtigkeit, so die Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Natürlich sind die Zeiten heute anders als damals. Aber auch die 1960er Jahre waren........

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