Vermutlich hat die Staatskapelle Berlin in den letzten 30 Jahren Beethovens Klavierkonzerte ausnahmsweise auch mal nicht mit Daniel Barenboim aufgeführt. Im Prinzip aber waren diese Konzerte Chefsache, und dass Barenboim sie nie wieder spielen wird, gab dem Konzert am Dienstag in der Philharmonie – am Montag war es schon in der Staatsoper zu hören – die symbolische Bedeutsamkeit eines Aufbruchs.

Elim Chan am Pult und Igor Levit am Flügel präsentierten eine Lesart des Dritten Klavierkonzerts in c-Moll, die weit weg war von den heroischen Interpretationen Barenboims. Levit trumpft kaum je auf, platziert seine Beiträge diskret und so leise wie eben noch hörbar im präzise artikulierten Orchestersatz. Elim Chans Interesse an klarer Phrasierung ist dabei so durchdringend, dass sie Beethovens Sforzati – gleichsam Einwände gegen allzu glatte Periodik – eher flach hält. Der Kontrast zum wunderbar beseelt gespielten Largo ist somit nicht ganz so groß wie gewohnt. Pianist und Dirigentin setzen ein Fragezeichen hinter das von Beethoven scheinbar identifikatorisch besetzte c-Moll als Tonart des Schicksals und der Herausforderung titanischer Willenskraft. Der Umschwung nach C-Dur im Rondo ist tatsächlich eher ein Sieg des Humors als das Ergebnis eines „Ringens“.

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Ihre analytisch sehr klare Lesart von Beethovens Klavierkonzert weckte Erwartungen, Chan würde auch die Zweite Symphonie von Sergej Rachmaninow eher auf luzide Art und Weise dirigieren. Rachmaninows Musik ist nicht erst durch den 150. Geburtstag des Komponisten im letzten Jahr interessanter geworden. Seit sich auch die letzte musikalische Zukunftsperspektive so unbemerkt wie unbetrauert geschlossen hat, während der Uraufführungsbetrieb in Festival und Abonnementkonzert reibungs- und besinnungslos vor sich hin läuft, hat der gegen Rachmaninow erhobene Vorwurf mangelnder Modernität jeden Sinn verloren. Es darf geschwelgt werden, und Chan tut das ohne Hemmungen. Kirill Petrenko und die Berliner Philharmoniker haben die Partitur vor einigen Monaten gründlicher auf ihre motivischen Triebkräfte abgehorcht. Dafür verfügt Chan über reiche interpretatorische Mittel, um den Klang von gespannt bis körperlos zu variieren, Passagen Schwung zu verleihen oder zu entziehen, um selbst das Schwelgen polyphon zu differenzieren.

Zum Auftakt gab es ein kurzes Stück von Unsuk Chin zum Beethoven-Jahr. In „Subito con forza“ wirbeln Klänge durcheinander und ballen sich immer wieder zu Beethoven-Zitaten aus „Coriolan“, „Leonore-3“ oder der Fünften zusammen. So sehr wie die Komponistin für ihre Virtuosität und Originalität schätzen: In seiner so vom Concertgebouw Orkest bestellten und etwas abgebrochen wirkenden Kürze illustriert das Stück, was oben vom Uraufführungsbetrieb gesagt wurde.

QOSHE - Fragezeichen hinter Beethovens c-Moll: Die Staatskapelle spielte mit Igor Levit - Peter Uehling
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Fragezeichen hinter Beethovens c-Moll: Die Staatskapelle spielte mit Igor Levit

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17.01.2024

Vermutlich hat die Staatskapelle Berlin in den letzten 30 Jahren Beethovens Klavierkonzerte ausnahmsweise auch mal nicht mit Daniel Barenboim aufgeführt. Im Prinzip aber waren diese Konzerte Chefsache, und dass Barenboim sie nie wieder spielen wird, gab dem Konzert am Dienstag in der Philharmonie – am Montag war es schon in der Staatsoper zu hören – die symbolische Bedeutsamkeit eines Aufbruchs.

Elim Chan am Pult und Igor Levit am Flügel präsentierten eine Lesart des Dritten Klavierkonzerts in c-Moll, die weit weg war von den heroischen Interpretationen Barenboims. Levit trumpft kaum je auf, platziert seine Beiträge diskret und so leise wie eben noch hörbar im präzise artikulierten Orchestersatz. Elim Chans Interesse an........

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