Der Ausschweifende: Zum Tod des Komponisten Wolfgang Rihm
Der Komponist Wolfgang Rihm ist in der Nacht zum Samstag in Ettlingen mit 72 Jahren nach langer schwerer Krankheit gestorben. Mit dem im März gestorbenen Aribert Reimann und Helmut Lachenmann, der im nächsten Jahr 90 wird, gehörte Rihm zu den letzten bundesrepublikanischen Komponisten, die man „groß“ nennen kann.
Groß war Rihm nicht nur durch seine Omnipräsenz im Musikbetrieb, durch seine Fähigkeit, alle Besetzungen und Aufträge so zuverlässig wie originell zu bedienen. Als Künstler war er in seiner kreativen Energie in der Bundesrepublik einzig Rainer Werner Fassbinder vergleichbar, und wie der in fast jedem seiner mehr als 40 Filme stilistisch neu ansetzte, war auch Rihms Schaffen in seinen mehr als 500 Werken irritierend vielfältig.
Groß war auch seine Fähigkeit, das eigene Schaffen und die Musik von Kollegen mit Worten aufzuschließen. Groß war schließlich die Konsequenz, mit der er die eigene Begabung auslebte, herausforderte und strapazierte: Er hat sein Publikum nicht geschont, aber nie mutwillig provoziert.
In alldem lag ein Anregungspotenzial, von dem zahlreiche Schüler zehren, genannt seien nur Rebecca Saunders und Jörg Widmann. Groß ist Rihms Musik schließlich darin, dass man von ihr aus auch frühere Musik anders hören kann: Er hat Dinge auskomponiert, die nur er in der Musik von Bach bis Lachenmann wahrgenommen hat.
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26.07.2024
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Rihm wurde 1952 in Karlsruhe geboren. Seine ersten Uraufführungen erlebte man Anfang der 70er-Jahre als auffällig im nicht geheuren Sinn. Zwar taugt die in diesem Zusammenhang oft strapazierte Formel „Ausdruck gegen Serialismus“ nicht sonderlich viel; der Serialismus hatte in den 60er-Jahren nach und........
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