Wo steht das größte Kunstwerk der Welt? Richtig, im schönen Chemnitz. Der 302 Meter hohe Schornstein eines Heizkraftwerks, von Lokalpatrioten „Lulatsch“ genannt, trägt seit 2017 nach einem vom französischen Maler Daniel Buren erdachten Ringelsockenkonzept die Farben Verkehrsgelb, Signalviolett, Melonengelb, Himmelblau, Gelbgrün, Erdbeerrot und Aquamarin, die nachts angestrahlt werden. Tagsüber und aus zehn Kilometern Entfernung sieht der einsam in der Landschaft stehende Schornstein so aus, als wäre Gott ein Mikadostäbchen aus den Fingern geflutscht.

Seit ein paar Tagen ist der „Lulatsch“ ein kopfloser Wärmewendehals. Denn erstmals seit 1973 werden die Generatoren nicht mehr mit Kohle, sondern mit Gas angetrieben. Was bei der Fernwärmeerzeugung für 68.000 Haushalte in Chemnitz etwa 60 Prozent CO₂ einspart und zur Folge hat, dass kein Rauch mehr aus dem Schornstein geblasen wird – aber trotzdem zwei Fragen befeuert: Ist der Kohleausstieg gut fürs Klima oder schlecht für den Geldbeutel? Und: Wann wird endlich die mit grüner Ideologie angetriebene Ampel aus dem Regierungsnetz entfernt? Denn wenn die Ampel erst mal ausfällt, so hoffen immer mehr Leute, gilt endlich wieder rechts vor links.

27.01.2024

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Die Partei, die mal einen heißen Herbst, mal einen heißen Winter verspricht und ohnehin sehr viel heiße Luft produziert, mit der sich kalte Herzen, aber keine kalten Wohnungen heizen lassen, heißt AfD. Ihr Antriebsmotor frisst vor allem Angst. Angst vor Stromausfällen etwa.

Schlägt man eine von diesen blauen Wahlkampfmappen auf, die zurzeit verteilt werden, liegt ganz oben ein Faltblatt. „Die unterschätzte Gefahr: Blackout“, steht da. Und: „Die Frage ist nicht ob, sondern wann es passiert.“ Daher setzt die AfD weiterhin auf Kohle und fordert: „Energiewende stoppen!“ Sonst? Blackout eben. Die totale Finsternis.

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18.12.2023

Was das genau bedeutet, erklärt das AfD-Faltblatt im Inneren: Alle Haushaltsgeräte fallen aus, das Trinkwasser wird knapp, die Lebensmittelversorgung funktioniert nicht mehr, der Verkehr kommt zum Erliegen, die Notstromversorgung in den Krankenhäusern hält nicht ewig. „Rasch bricht die öffentliche Ordnung zusammen“, „die Situation wird vermutlich zu Plünderungen ermuntern“ und in Gefängnissen steigt die „Gefahr von Ausbrüchen deutlich“.

Offensichtlich gibt es nur noch zwei Möglichkeiten, der menschengemachten Apokalypse zu entkommen. Entweder man wählt die AfD oder man wird zum Prepper. Und besorgt sich einen Notfallrucksack. Das Internet ist voll mit Angeboten.

Mit einem entsprechend gepackten Notfallrucksack kann man überall schlafen (Zelt), sich ohne externe Nahrung versorgen („Tactical Foodpacks“), mehrere Wochen aus Pfützen trinken (Filter entfernt 99,9 Prozent aller Bakterien), unabhängig vom Stromnetz das Handy aufladen (Solar-Powerbank funktioniert bei bedecktem Himmel), ein Feuer entfachen (Feuerstarter mit integriertem Diamantschleifer) und ohne „Fremdeinwirkung überleben“. In der allergrößten Not hilft eine Axt (mit rutschfestem Gummigriff).

Wenn also morgen der Blackout kommt und das Chaos ausbricht, werde ich mit dieser Axt einen sicheren Ort erklimmen. Und was wäre sicherer als der „Lulatsch“? Dort in 302 Meter Höhe schlage ich dann mein Zelt auf und warte ab, ob der Ampel endlich mal ein Licht aufgeht. Gefährlich ist das nur, falls Gott wieder Mikado spielt.

In der Kolumne „Ostbesuch“ berichtet Paul Linke alle zwei Wochen aus seinem Zwischenleben in Chemnitz und Umgebung. Sachsen sucks? Von wegen!

QOSHE - Was tun, wenn der Blackout kommt: AfD wählen oder Notfallrucksack packen? - Paul Linke
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Was tun, wenn der Blackout kommt: AfD wählen oder Notfallrucksack packen?

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29.01.2024

Wo steht das größte Kunstwerk der Welt? Richtig, im schönen Chemnitz. Der 302 Meter hohe Schornstein eines Heizkraftwerks, von Lokalpatrioten „Lulatsch“ genannt, trägt seit 2017 nach einem vom französischen Maler Daniel Buren erdachten Ringelsockenkonzept die Farben Verkehrsgelb, Signalviolett, Melonengelb, Himmelblau, Gelbgrün, Erdbeerrot und Aquamarin, die nachts angestrahlt werden. Tagsüber und aus zehn Kilometern Entfernung sieht der einsam in der Landschaft stehende Schornstein so aus, als wäre Gott ein Mikadostäbchen aus den Fingern geflutscht.

Seit ein paar Tagen ist der „Lulatsch“ ein kopfloser Wärmewendehals. Denn erstmals seit 1973 werden die Generatoren nicht mehr mit Kohle, sondern mit Gas angetrieben. Was bei der Fernwärmeerzeugung für 68.000 Haushalte in Chemnitz etwa 60 Prozent CO₂ einspart und zur Folge hat, dass kein Rauch mehr aus dem Schornstein geblasen wird – aber trotzdem zwei Fragen........

© Berliner Zeitung


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