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Was wirklich in den RKI-Protokollen steht – und welcher Deutung die Grundlage fehlt

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20.04.2024

Im März 2020 spitzte sich die Situation zu. Bereits im Januar und Februar hatten sich die Fachleute des staatlichen Robert Koch-Instituts (RKI) immer häufiger in der Arbeitsgruppe „Neuartiges Coronavirus (nCoV)-Lage“ zu Beratungen getroffen.

Ab März firmierte die „AG“ offiziell als „Krisenstab“ und traf sich nahezu täglich. Wenige Tage später meldete der Kreis Heinsberg die ersten deutschen Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus.

In den Pandemiejahren wurden die Treffen des Krisenstabs zur Routine. Am RKI beobachtete man das Infektionsgeschehen und sammelte wissenschaftliche Erkenntnisse über das Virus, seine Verbreitung, die Vor- und Nachteile von Schutzmaßnahmen. Was die Runde besprach, floss in die politischen Entscheidungen ein. Mehr als vier Jahre nach Einrichtung des Gremiums sind die Protokolle der Sitzungen für jeden nachlesbar. Ihre Veröffentlichung vor einigen Wochen hat hitzige Diskussionen ausgelöst. Dabei geht es vor allem um die Sitzung vom 16. März 2020.

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An jenem Montag kommt der Krisenstab um 13 Uhr zusammen, unter Leitung von RKI-Präsident Lothar Wieler und Vizepräsident Lars Schaade. Es ist die Sitzung, nach der die deutsche Öffentlichkeit auf den Krisenmodus eingestimmt wird. Was in der Sitzung besprochen wurde, kann man in dem elf Seiten langen Protokoll nachlesen. „Alle Bundesländer betroffen; bald auch alle Kreise betroffen“, heißt es. Bundesweit liege die Inzidenz bei 5,5 Infektionen pro 100.000 Einwohner. Berlin, Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg und Nordrhein-Westfalen verzeichneten eine „exponentiell ansteigende Entwicklung“, insgesamt gebe es bisher zwölf Todesfälle.

Die Leute des RKI besprechen auch die Situation in anderen Ländern. In Italien seien bereits mehr als 1600 Todesfälle registriert. Man spricht über die politischen Maßnahmen in Großbritannien, wo die Schulen offen bleiben sollen, Menschen mit Atemwegserkrankungen aufgefordert werden, zu Hause zu bleiben und „nur die schweren Fälle“ ins Krankenhaus sollen.

18.04.2024

•gestern

•vor 3 Std.

Der Vermerk, der nun für Diskussionen sorgt, findet sich unter Tagesordnungspunkt 3. „Am WE [dem vorherigen Wochenende; Anm. d. Redaktion] wurde eine neue Risikobewertung vorbereitet. Es soll diese Woche hochskaliert werden. Die Risikobewertung wird veröffentlicht, sobald X ein Signal dafür gibt.“ Anstelle des „X“ steht im Protokoll ein Name, der geschwärzt ist.

Mit „Hochskalieren“ ist gemeint, dass eine Warnung vor einer „hohen“ Gefährdungslage durch das Virus in Deutschland ausgesprochen werden soll. Bereits in den Tagen zuvor hat die Weltgesundheitsorganisation WHO eine Pandemie ausgerufen, ist der DAX abgestürzt, hat Dänemark seine Grenzen zu Deutschland dichtgemacht, haben mehrere Bundesländer Schulen geschlossen, Veranstaltungen abgesagt. Aber die Lockdownmaßnahmen, die nur Tage später bundesweit folgen werden, werden von Politikern vor allem mit der neuen Risikobewertung des RKI begründet. Wer also hat dem RKI ein „Signal“ dafür gegeben? Wer ist X?

Dass jeder die Dokumente aus dem RKI-Krisenstab nachlesen kann, ist der Redaktion von Multipolar zu verdanken, einem Onlinemagazin, das vorher vor allem durch........

© Berliner Zeitung


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