Corona-Tests: Wie das Behördenchaos einen Millionen-Betrug beförderte
Rund 750 Millionen „Bürgertests“ rechneten die Corona-Testzentren zwischen Sommer 2021 und Februar 2023 beim Bund ab, finanziert aus Steuergeld. Dass es dabei zu Betrug kam, ist bekannt: Unternehmer schrieben Rechnungen für Teststellen, die es gar nicht gab. Andere bescheinigten negative Ergebnisse für Schnelltests, die sie nie durchführten.
Ein Gefühl, welches Ausmaß der Abrechnungsbetrug wohl hatte, vermittelt eine Pilotstudie des Robert-Koch-Instituts (RKI), die für das hauseigene Journal vorgesehen ist und deren Ergebnisse der Berliner Zeitung vorliegen. Die RKI-Experten – unter ihnen der frühere Institutspräsident Lothar Wieler – analysierten darin die Abrechnungsdaten von mehr als 900 Testzentren einer Großstadt mithilfe verschiedener statistischer Methoden: Welche Teststelle meldete ungewöhnlich viele Tests? Wo gab es besonders viele negative Ergebnisse? Kamen Ziffern in den von den Betreibern gemeldeten Datensätzen häufiger oder seltener vor, als dies nach den statistischen Gesetzen der Standardverteilung anzunehmen wäre?
Die Ergebnisse verglichen die Autoren mit Zahlen von Testzentren, die bereits als auffällig galten und bei welchen sich ein Betrugsverdacht bestätigt hatte. Ihr Fazit: Die statistischen Methoden erkannten nicht nur automatisiert viele der bekannten Verdachtsfälle – sondern auch zusätzliche, die bei den üblichen Rechnungsprüfungen durchs Raster gefallen waren.
Erstautor der Studie ist Michael Bosnjak, Psychologie-Professor an der Universität Trier und bis 2021 Chef des Gesundheitsmonitorings am RKI. Er hat die Modelle mit den Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) durchlaufen lassen – demnach wurden bundesweit gut 8,5 Milliarden Euro für mehr als 740 Millionen Bürgertestungen abgerechnet. Anhand der Befunde der Pilotstudie geht Bosnjak von Auffälligkeiten bei zehn Prozent der Teststellenbetreiber aus. Diese rechneten 20 Prozent aller Schnelltests ab und erhielten dafür 1,7 Milliarden Euro.
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Anders als die Welt-Zeitung kürzlich berichtete, handelt es sich dabei nicht um die Betrugssumme, sondern um die an auffällige Betreiber insgesamt gezahlten Gelder. Wie viele von ihnen tatsächlich betrogen haben – und wie hoch der Anteil der von ihnen zu Unrecht abgerechneten Tests ist – müsste auf Basis der Hinweise im Einzelfall geprüft werden. Es sei anzunehmen, dass das Betrugsvolumen höchstwahrscheinlich im Bereich mehrerer Hundert Millionen Euro liege, so Bosnjak. Er betont: „Möglicherweise könnte man auch heute noch Betrugsfälle ausfindig machen.“
Das gilt umso mehr, als dass die KBV-Daten, veröffentlicht im April 2023, offenbar noch nicht annähernd vollständig sind. Für Berlin verzeichnen sie einen Abrechnungsbetrag von knapp 571 Millionen Euro – die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin hingegen beziffert die Auszahlungen........
© Berliner Zeitung
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