Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah würdigte Saleh al-Aruri, den hochrangigen Hamas-Funktionär, der am Dienstag bei einem mutmaßlichen israelischen Drohnenangriff im Libanon getötet worden ist. „Dieses Verbrechen wird nicht ohne Antwort oder Strafe bleiben“, warnte Nasrallah am Mittwochabend. „Wenn der Feind daran denkt, einen Krieg gegen den Libanon zu führen, wird unser Kampf grenzenlos und ohne Kontrollen sein – und er weiß, was ich damit meine.“

Die vergleichsweise zurückhaltende Warnung kam erst ganz am Ende einer bereits geplanten, eineinhalbstündigen Rede. Der Generalsekretär der Hisbollah sprach der Familie von Aruri sein Beileid aus und betonte, dass die schiitische Gruppe unabhängig von der Hamas reagieren werde. „Die Achse des Widerstands ist sich über eine klare strategische Vision einig, aber jede Bewegung trifft ihre eigenen Entscheidungen unabhängig voneinander“, erklärte Nasrallah nach Angaben des Hisbollah-Senders al-Manar.

„Neue Phase der Konfrontation“: Hamas-Vize und zwei Kommandeure bei Explosion in Beirut getötet

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01.01.2024

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Nasrallah sprach anlässlich des vierten Jahrestages der Ermordung von General Qasem Soleimani, Kommandeur der Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarde, durch einen amerikanischen Drohnenangriff im Irak. Es ist seine zweite Rede seit dem Großangriff der Hamas am 7. Oktober. Nasrallahs Ansprachen wurden live übertragen und auf riesige Bildschirme projiziert, im Laufe der Jahre sind seine öffentlichen Auftritte immer seltener geworden.

Kurz nachdem die USA unter Donald Trump den Kommandeur der Quds Force am 3. Januar 2020 ermordet hatten, warnte Hassan Nasrallah, dass die US-Truppen, „die vertikal in die Region kamen, horizontal nach Hause zurückkehren werden“. Damals wüteten im Libanon noch weitreichende Proteste, die durch die wirtschaftlichen Probleme des Landes ausgelöst wurden. Solche innenpolitischen Faktoren gelten als einer der Gründe dafür, dass sich die schiitische Bewegung immer noch relativ zurückhaltend verhält und ihre Warnung nicht wahrgemacht hat.

Die Behörden in Beirut sind am Dienstagabend nach einer Explosion im Vorort Dahieh alarmiert worden. Das überwiegend schiitisch-muslimische Dahieh, südlich von Beirut, eines der am dichtesten besiedelten Gebiete des Libanon, gilt als Hisbollah-Hochburg. Überdimensionale Plakate mit dem Bild des Chefs der bewaffneten Bewegung, Hassan Nasrallah, begrüßen die Besucher. Bei der Explosion kamen, wie sich kurz darauf herausstellte, sieben Menschen ums Leben – darunter Saleh al-Aruri. Zwei führende Mitglieder des militärischen Flügels der Hamas, Samir Findi Abu Amer und Asam al-Aqraa Abu Ammar, wurden ebenfalls getötet.

Der libanesische Regierungschef Nadschib Miqati sprach von einem „israelischen Verbrechen“. Er warf Israel laut einer von seinem Büro veröffentlichten Erklärung vor, den Libanon in eine „neue Phase der Konfrontation“ hineinziehen zu wollen.

„Wir bekräftigen, dass dieses Verbrechen niemals ungestraft bleiben wird“, hieß es in einer Erklärung der Hisbollah am späten Dienstagabend. Die schiitische Gruppe sei in erhöhter Bereitschaft, um Vergeltung zu üben.

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Bei dem Drohnenangriff handelt es sich um die erste gezielte Tötung eines Hamas-Funktionärs außerhalb der palästinensischen Gebiete seit dem Massaker vom 7. Oktober in Südisrael. Aruri, den Israel für die Planung zahlreicher Attentate verantwortlich macht, war 2017 zum Stellvertreter von Hamas-Politbürochef Ismail Hanija gewählt worden. Damit wurde er offiziell zur Nummer zwei der islamistischen Organisation.

Aruri war Berichten zufolge 58 Jahre alt und verbrachte insgesamt zwölf Jahre in israelischen Gefängnissen vor seiner Freilassung 2010. Er genoss Privilegien als Gesprächspartner von Hisbollah-Chef Nasrallah. Israels Armee hatte Aruris Haus im Westjordanland Ende Oktober zerstört.

Aruri, ein Gründungskommandant des militärischen Flügels der Hamas, der Al-Qassam-Brigaden, wurde vom israelischen Geheimdienst als „Irans Mann in der Hamas“ bezeichnet. Er soll eine Schlüsselrolle beim „Aufbau und der Führung einer Hamas-Koalition mit Iran und Hisbollah“ gespielt haben.

Israel selbst hat eine Beteiligung an dem Drohnenangriff im Libanon weder bestätigt noch dementiert. In einem Medienbriefing äußerte sich der Sprecher der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) Daniel Hagari nicht zur Tötung von Aruri, sagte aber, das israelische Militär sei in höchster Alarmbereitschaft. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hatte zuvor damit gedroht, die Hamas-Anführer zu eliminieren, wo auch immer sie sich befänden. Israels wichtigstes Ziel im Zusammenhang mit dem Großangriff vom 7. Oktober, der Hamas-Chef im Gazastreifen, Yahya Sinwar, ist jedoch weiterhin flüchtig.

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03.11.2023

Der tödliche Drohnenangriff fand am Vorabend des vierten Jahrestages der Ermordung von General Qasem Soleimani statt. Während einer Kabinettssitzung am Mittwoch in Teheran verurteilte der iranische Präsident Ebrahim Raisi das „zionistische Verbrechen, das zum Märtyrertod von Saleh al-Aruri“ führte, den er als „einen der prominentesten palästinensischen Mudschahedin“ bezeichnete.

Israelische Medien, wie die Tageszeitung Haaretz, sehen hinter dem Zeitpunkt des Drohnenangriffs in Dahieh eine weitere „historische Symbolik“. „Al-Arouri, der erste der [Hamas, Anm. d. Red.], der getötet wurde, wurde am selben Tag ermordet, an dem der ehemalige Mossad-Chef Zwi Zamir starb“, schreibt Haaretz. „Zamir leitete die Fahndung nach den Tätern des Massakers an israelischen Sportlern bei den Olympischen Spielen 1972 in München.“

An der Grenze zwischen Israel und dem Libanon kommt es seit dem Überfall der Hamas auf Israel vermehrt zu Feuergefechten, zumeist zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah. Auf libanesischer Seite wurden nach einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP mindestens 160 Menschen getötet, darunter mehr als hundert Hisbollah-Mitglieder, aber auch mehrere Zivilisten, darunter drei Journalisten. Auf israelischer Seite wurden offiziellen Angaben zufolge neun Soldaten und vier Zivilisten getötet.

Trotz der Drohungen der Hisbollah ist es nicht zu einer Ausweitung des Kriegs gekommen, wie es im Sommer 2006 der Fall war. Die Angriffe beschränken sich auf eine relativ enge Zone an der Nordgrenze Israels, die schiitische Gruppe besteht darauf, dass sie nicht im Voraus wusste, dass die Hamas ein Massaker plante. Libanons Außenminister Abdallah Bou Habib erklärte am Dienstagabend gegenüber BBC Radio 4, dass seine Regierung mit der Hisbollah spreche, um sie „zu überzeugen, dass sie nicht selbst reagieren sollte“: „Wir sagen ihnen nichts, wir führen mit ihnen einen Dialog über diese Frage“, so Habib.

Wird sie sich nun gezwungen sehen, auf einen aufsehenerregenden Mord in ihrer eigenen Hochburg zu reagieren? Die Tatsache, dass Aruris Ermordung inmitten des israelischen Krieges gegen die Hamas im Gazastreifen stattfand, gibt der Hisbollah mehr Spielraum, um den Zeitpunkt und die Art ihrer Reaktion abzuwägen. Die erste öffentliche Reaktion von Hassan Nasrallah scheint den Eindruck zu verstärken, dass die Hisbollah weiterhin nicht an einer Eskalation interessiert ist. Dies erhöht jedoch auch das Risiko einer Fehlkalkulation – aufseiten der Hisbollah oder Israels –, die unvorhersehbare Folgen haben könnte. (mit AFP)

QOSHE - Distanziert sich die Hisbollah von der Hamas? „Jede Bewegung trifft eigene Entscheidungen“ – Nasrallah - Katerina Alexandridi
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Distanziert sich die Hisbollah von der Hamas? „Jede Bewegung trifft eigene Entscheidungen“ – Nasrallah

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04.01.2024

Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah würdigte Saleh al-Aruri, den hochrangigen Hamas-Funktionär, der am Dienstag bei einem mutmaßlichen israelischen Drohnenangriff im Libanon getötet worden ist. „Dieses Verbrechen wird nicht ohne Antwort oder Strafe bleiben“, warnte Nasrallah am Mittwochabend. „Wenn der Feind daran denkt, einen Krieg gegen den Libanon zu führen, wird unser Kampf grenzenlos und ohne Kontrollen sein – und er weiß, was ich damit meine.“

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© Berliner Zeitung


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