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Sexueller Missbrauch: Zwischen Wut und Angst

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08.12.2023

Evi Schmitt besitzt einen Ordner, beschriftet mit Kindernamen. Er liegt auf dem Sideboard. Hinter der gläsernen Terrassentür sieht man ein Kindertrampolin. Auf dem Esstisch liegen Papiere zu akkuraten Stapeln aufgeschichtet. Es ist superordentlich bei Evi Schmitt. In ihrem Inneren sieht es anders aus. „Ich schlafe schlecht. Manchmal nur bis drei Uhr in der Nacht. Mein Mann und ich sind so aufgewühlt. Wir können kaum noch an etwas anderes denken“, sagt sie.

Es geht um Kindesmissbrauch. Die Berliner Zeitung hat über diesen Fall bereits einmal berichtet. Ein Mitarbeiter der Kirchengemeinde Mahlsdorf, zuständig auch für Bibelstunden im Kindergarten der Gemeinde, soll in einem kirchlichen Sommerlager im Umland von Berlin Kinder sexuell missbraucht haben und wurde angezeigt. Die Kirche hat dazu Stellung bezogen, der Mann sei von all seinen Ämtern entbunden worden, teilte sie mit. Ein entsprechendes Schreiben liegt der Berliner Zeitung vor. Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft ermitteln. Das bestätigen sie.

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Aber für Evi Schmitt und andere Eltern steht hinter diesen paar dürren Tatsachen, die an die Öffentlichkeit dringen, eine ganze Welt, die gerade gewaltig durcheinandergeraten ist. Und zwar unabhängig von der Frage, was ein Gericht irgendwann zu diesem Fall rechtssicher feststellen wird.

Evi Schmitt schiebt einen Stapel Papier über den Tisch. Auf dem vielen Papier ist zu lesen, was sie sauber am Computer aufgelistet hat. All das, was seit dem vergangenen Juli geschehen ist: eine Chronologie der Ereignisse, aber auch Informationsschreiben des Kindergartens und der Kirche, Ausdrucke von Eltern-Chat-Protokollen, der Betreuungsvertrag, eine Einladung zu einem Elternabend, Hinweise eines Vaters über Kontakte zur Polizei. Die Papiere liegen nun auch der Berliner Zeitung vor.

Evi Schmitt und ihr Ehemann haben Kinder, die diesen Kindergarten besuchen. Wie viele Kinder es sind, ob eins, zwei oder mehr, ob Jungen oder Mädchen, soll hier nicht gesagt werden. Im Text wird im Folgenden einheitlich von einem Kind die Rede sein. Der Name von Evi Schmitt wurde zum Schutz ihres Kindes geändert. Auch andere Angaben wie Alter und Beruf bleiben aus denselben Gründen ungesagt. Die Informationen liegen der Berliner Zeitung vor.

Es ist ein sonniger Tag Anfang November, als Evi Schmitt ihre Papiere über den Tisch schiebt. Sie hat Kaffee gemacht. Ihr Mann ist mit dem Nachwuchs an diesem Tag schwimmen. Er hat sich Urlaub genommen, damit das Kind erst mal nicht in die Kita muss. Evi Schmitt holt kurz Luft, dann erzählt sie, was ihr alles auf der Seele liegt. „Ich fühle mich machtlos“, sagt sie.

In Mahlsdorf hat sich in den vergangenen Wochen unter Eltern eine enorme Unruhe verbreitet. Mütter und Väter erzählen sich gegenseitig, was alles vorgefallen sein soll. Sie beobachten ihre Kinder. Sie verlangen mehr Aufklärung. Sie kritisieren, dass sie nur scheibchenweise informiert würden. Einige von ihnen haben sich unabhängig voneinander an die Berliner Zeitung gewendet, vor allem in der Hoffnung, so schneller an Informationen zu kommen.

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Der zähe Informationsfluss macht Evi Schmitt wütend. Eltern der Kindergartenkinder wurden erstmals Mitte September über die Vorwürfe informiert. Da war der Beschuldigte längst suspendiert, die Kirche hatte sich dazu in einem Gottesdienst geäußert und die Berliner Zeitung hatte das Erscheinen eines Artikels angekündigt. Mittlerweile hat die Kirche für Kita-Eltern zwei Informationsabende zum Thema veranstaltet. Die Eltern ehemaliger Kitakinder hatten Mitte November die Möglichkeit, sich bei einer Runde auf Einladung der Kirche zu informieren.

Anfangs hieß es, von den mutmaßlichen Übergriffen seien Schulkinder im Grundschulalter betroffen, die mit im Sommerlager gewesen seien. Im Kindergarten sei es zu keinem Missbrauch gekommen. „Heute wissen wir, dass auch Kinder aus dem Kindergarten angefasst wurden“, sagt Evi Schmitt. Sie beruft sich auf Gespräche mit Müttern, die ihr von Übergriffen auf ihre Kinder erzählt haben. Betroffen sollen Jungs wie auch Mädchen sein. Die........

© Berliner Zeitung


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