menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Christopher Street Day 2024 in Berlin: Der Generationenwechsel

11 0
27.07.2024

Die Wende ist vollzogen. Eine neue Generation gibt jetzt den Ton an zum CSD, dem wichtigsten Feiertag der queeren Community. Es ist die Generation Z, kurz GenZ oder Zoomer genannt, die Gruppe derer, die zwischen 1995 und 2010 geboren wurden. Die erste Generation, die vollständig im digitalen Zeitalter aufgewachsen ist. Und die offener mit Fragen der sexuellen und geschlechtlichen Identität umgeht als alle Generationen davor. Eine aktuelle Umfrage aus den USA belegt, dass sich 22,3 Prozent der Zoomer als queer identifizieren, in Deutschland soll der Anteil queerer Menschen an der Gesamtbevölkerung bei zwölf Prozent liegen.

Positive Zahlen auf den ersten Blick, offensichtlich hat sich einiges getan in Sachen Gleichstellung der nichtkonformen Lebensweisen. Steigt deshalb der Anteil derer, die an den CSDs teilnehmen? Oder muss man überhaupt noch auf die Straße gehen?

Pascal ist 25, Student der Politikwissenschaften an der FU, und wird in diesem Jahr zum dritten Mal beim CSD dabei sein. „Für mich ist der CSD in erster Linie eine große Party. Ich tanze gerne, mag Musik und feiere gerne mit meinen Freunden. All das habe ich auf dem CSD.“ So wie in jedem Club auch? „Nein, wir feiern doch auch auf der Straße, um unsere historischen Erfolge zu feiern. Schließlich haben viele Menschen vor uns die Selbstverständlichkeit, mit der wir heute auf die Straße gehen, erkämpft. Und zusammen feiern wir auch die Vielfalt, trotz der politischen Differenzen in der Community.“ Sein Coming-out hatte Pascal mit 16 in der ostsächsischen Provinz, fand aber erst richtig zu seiner sexuellen Identität bei seinem Studium in Frankreich und später, als er nach Berlin zog. Hier sei er genau richtig, um sein schwules Leben führen zu können. Schwul? „Nein, ich bevorzuge eigentlich homosexuell, aber schwul oder queer geht auch.“ Die Kritik am CSD wegen der Teilnahme großer Firmen oder politischer Parteien, die nur für ihre Belange werben, teilt er nicht. „Ich freue mich auch über die Wagen von den großen Unternehmen, Hauptsache sie machen gute Musik.“

Ich bin Jahrgang 1950, Dekaden weit entfern von der GenZ. Mein erster CSD war der erste CSD in Berlin, am 30. Juni 1979. Das Wetter war akzeptabel, die Stimmung war gut. Wir zeigten uns nicht zum ersten Mal auf der Straße, da gab es 1973 die legendäre Pfingstdemonstration oder die Beteiligung an den 1.-Mai-Aufzügen. Aber in jenem Jahr, 1979, war etwas anders, kein geordneter Marschschritt, keine revolutionären Gesänge, dafür ein freudig-nervöses Tänzeln und Parolenbanner, die vor Selbstbewusstsein strotzten: „Mach dein Schwulsein öffentlich!“

•gestern

•vor 8 Std.

•vor 8 Std.

Wir waren nicht viele, ein paar hundert, aber noch nie hatten wir so viele von uns auf einen Haufen gesehen bei Tageslicht, jenseits der Anonymität der Subkultur. Ich hatte mir eine rosa Strähne ins Haar gefärbt, das Gesicht weiß geschminkt, Kajal im Auge und knallrote Lippen – so ging Drag 1979. Wir waren aufgeregt, weil wir nicht wussten, wie die Bürger am Straßenrand regierten, und von den historischen Vorfällen genau zehn Jahre zuvor in der New Yorker Christopher Street wussten wir nicht viel. Außer, dass seitdem in vielen westlichen Großstädten alljährlich Tausende und Zehntausende Lesben und Schwule auf die Straße gingen, ihre Präsenz demonstrierten und ihren Anspruch auf Teilhabe und Macht. Das wollten wir auch in Berlin und waren doch noch weit davon entfernt.

In den Folgejahren lief ich immer wieder mit beim........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play