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SEZ in Friedrichshain: Abriss oder Sanierung? Berliner kämpfen um einstiges DDR-Freizeitparadies

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30.08.2024

Dies ist ein Open-Source-Beitrag. Der Berliner Verlag gibt allen Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.

In Berlins Osten rumort es. Bausenator Christian Gaebler will das Sport- und Erholungszentrum (SEZ) in Friedrichshain abreißen lassen. Damit würde nicht nur eine Ikone ostdeutscher Architektur zerstört, ein Ort, mit dem viele Menschen schöne Erinnerungen verknüpfen. Auch die soziale Infrastruktur der Stadt würde einen weiteren Rückschlag erleiden – schon heute gibt es in ganz Friedrichshain kein Schwimmbad mehr.

Abgerockt, trostlos, voller Graffiti, Schrottimmobilie – kaum ein Beitrag zum SEZ verzichtet auf morbide Zuschreibungen. Aber das SEZ ist keine Ruine und definitiv auch nicht abrissreif. Es stimmt, das äußere Erscheinungsbild zeugt von der langjährigen Vernachlässigung durch den Voreigentümer. Graffiti an der Fassade stellen jedoch kein Risiko für Leib und Leben dar. Tatsächlich hat das SEZ ein solides Tragwerk. Seit der Eröffnung 1981 wurde es bis 2024 durchgängig betrieben, bis 2020 für Sport, danach als Impfzentrum und zuletzt für Dreharbeiten. Ich selbst war im SEZ noch vor der Privatisierung im Jahr 2003 Eislaufen und später zum Tischtennis und Badminton spielen und Bowlen. In den Jahren 2019 und 2024 konnte ich nicht öffentlich zugängliche Bereiche begutachten.

Um festzustellen, ob das SEZ tatsächlich so abrissreif ist, wie häufig lapidar behauptet wird, hilft ein Blick auf mögliche Mängel, die so einen Schritt nötig machen würden. Infrage kämen in diesem Fall vor allem: Materialermüdung, Schäden durch Chlorgase, Wasserschäden und Instandhaltungsstau.

Anforderungen an öffentliche Gebäude verändern sich. Da ist es hilfreich, wenn Umbauten möglich sind. Im Jahr 2018 favorisierte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Abriss des SEZ noch nicht. Im Gespräch war stattdessen, den flachen Betonbau für Wohnungen aufzustocken. Ein Gebäude, das potentiell noch weitere Stockwerke tragen kann, hat erhebliche Tragreserven, und das ist offenbar auch dem Senat bekannt.

Anders als bei Brücken spielt Materialermüdung beim SEZ keine Rolle. Brücken sind Wechselbeanspruchungen ausgesetzt. Stahl kann große Lasten aufnehmen, aber neigt dazu, bei Millionen kleiner Lastwechsel zu ermüden und irgendwann zu brechen. Die Verkehrsbelastung steigt ständig. Bei vielen Brücken akkumulieren sich die Schäden, so dass oft nur noch Abriss und Neubau bleibt. All das trifft auf das SEZ nicht zu.

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28.08.2024

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Zur Desinfektion wurden in Schwimmbädern früher Chlorverbindungen eingesetzt, die in die Raumluft der Schwimmhalle übergehen. Stahlträger können in solcher Umgebung infolge Spannungsrisskorrosion versagen. In Uster, im Schweizer Kanton Zürich, brach 1985 in einem Hallenbad ein Deckenträger. Die am Träger befestigte Ortbetonplatte löste sich und begrub Badende unter sich, zwölf Menschen starben, 19 wurden verletzt.

Im SEZ wurde der Schwimmbadbetrieb vor über 20 Jahren eingestellt, seitdem ist die Raumluft chlorfrei. Die innenliegenden großen Stahlträger wurden zuletzt 2004 beschichtet, sie sehen auch 2024 noch aus wie neu. Unterdecken, deren Aufhängung von innen nicht sichtbar und somit nicht auf Schäden prüfbar sind, gibt es im SEZ nicht.

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Baustoffe reagieren unterschiedlich empfindlich auf Wasser. Stahl rostet, dabei wird der tragende Querschnitt reduziert. Schrauben verlieren durch Rost ihre Lösbarkeit. Im Außenbereich kann Beton Frostschäden bekommen. Beim SEZ ist mittlerweile das Dach undicht. Gleichzeitig sind aber die Böden im Schwimmbad und die Treppen aus Stahlbeton unempfindlich für Oberflächenwasser. Die Stahlträger zeigen keine Anzeichen von Rost. Das SEZ bedarf einer Dach- und Fassadensanierung, abrissreif infolge von eingedrungenem Wasser ist es nicht.

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© Berliner Zeitung


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