CSU-Chef Markus Söder inszeniert sich als Garant der Stabilität und will die Politik der vergangenen Jahre rückgängig machen. Klingt ganz einfach, ist es aber nicht.

In derart aufgewühlten Zeiten wie diesen überkommt immer mehr Menschen eine tiefe Sehnsucht nach Sicherheit. Manche würden am liebsten gar keine Nachrichten mehr lesen oder die "Tagesschau" erst zum Wetterbericht einschalten. Andere werden empfänglich für die scheinbar so simplen Antworten von Populisten, die dummerweise fast immer zu einfach sind, um wahr zu sein. Die allermeisten wünschen sich jemanden an der Spitze der Bundesregierung, der zumindest den Eindruck vermittelt, einen Plan zu haben.

Olaf Scholz wird diesem Anspruch derzeit nicht gerecht und die große Mehrheit der Deutschen glaubt auch nicht mehr daran, dass dieser Kanzler noch zum Steuermann wird, der in der Lage ist, das Land durch die stürmische See zu lotsen. Insofern ist es strategisch durchaus clever von Markus Söder, sich und die CSU nun als Hort der Sicherheit und Stabilität zu inszenieren.

Bayerns Ministerpräsident, gerade 57 Jahre alt geworden, wirkt bei der Klausur der CSU-Landesgruppe in Kloster Seeon zeitweise wie der ewige Helmut Kohl in der Bonner Republik, der es in seinen besseren Tagen verstand, den Deutschen das unerschütterte Gefühl zu geben: Macht euch keine Sorgen, ich kümmere mich schon um alles.

Das Problem von Kohl in seinen schlechteren Tagen allerdings war, dass – entgegen aller Versprechungen – eben nicht alles immer so bleiben konnte, wie es in Wahrheit sowieso nie gewesen ist. Wenn man all das, was die CSU gerade fordert, zusammenfasst, schreibt man über das nächste Wahlprogramm am besten: zurück in die Zukunft.

Von der Wehrpflicht über die Kernenergie, vom Verbrennungsmotor bis zum Grenzschutz: Der CSU-Soundtrack klingt in vielen Passagen wie die Titelmelodie einer Retro-Serie aus den 80ern. Damals, als die Welt noch überschaubar war und Professor Brinkmann in der Schwarzwaldklinik das Happy End garantiert hat.

Das muss nicht zwingend etwas Schlechtes sein. Es gehört zum Wesen der Politik, alte Antworten zu überprüfen und gegebenenfalls neue zu geben – und manchmal auch ganz alte. Fraglich ist nur, ob das Sicherheitsversprechen der CSU der Realität standhalten kann, oder ob die Union eigentlich froh sein muss, wenn die Ampel-Koalition durchhält und der Kanzler das Angebot, FDP und Grüne vor die Tür zu setzen und stattdessen mit CDU und CSU weiterzumachen, weiterhin ignoriert.

Denn, so viel ist sicher: Die Herausforderungen, die sich, teils durch unprofessionelles Regieren, teils durch Altlasten der Ära Angela Merkel, teils aber auch durch weltpolitische Verwerfungen aufgetürmt haben, werden nicht auf einen Schlag verschwinden, wenn bei der Ampel tatsächlich die Lichter ausgehen.

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Zurück in die Zukunft? Das Versprechen der CSU hat einen Haken

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07.01.2024

CSU-Chef Markus Söder inszeniert sich als Garant der Stabilität und will die Politik der vergangenen Jahre rückgängig machen. Klingt ganz einfach, ist es aber nicht.

In derart aufgewühlten Zeiten wie diesen überkommt immer mehr Menschen eine tiefe Sehnsucht nach Sicherheit. Manche würden am liebsten gar keine Nachrichten mehr lesen oder die "Tagesschau" erst zum Wetterbericht einschalten. Andere werden empfänglich für die scheinbar so simplen Antworten von Populisten, die dummerweise fast immer zu einfach sind, um wahr zu sein. Die allermeisten wünschen sich jemanden an der Spitze der Bundesregierung, der zumindest den Eindruck vermittelt, einen Plan zu haben.

Olaf Scholz wird diesem Anspruch derzeit nicht gerecht und die große Mehrheit der Deutschen glaubt auch nicht mehr........

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