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Wer schützt den Libanon?

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20.12.2025

„Der Tod von Nasrallah war eine Katastrophe“, antwortet Taxifahrer Hussein auf meine Frage, wie es um die Hisbollah stehe. Hussein wohnt in Dahieh, einem schiitisch geprägten Vorort Beiruts, wo die Verwüstungen des letzten Krieges immer noch sichtbar sind. Während wir durch Dahieh fahren, sehen wir Schutthalden. Sie bedecken den Boden, wo einst Häuserblöcke standen. Dazwischen klaffen tiefe Krater.

Nach dem Hamas-Angriff auf Israel im Oktober 2023 und dem darauffolgenden Krieg in Gaza feuerte die mit der Hamas verbündete Hisbollah Raketen auf Nordisrael ab. Die israelischen Streitkräfte starteten daraufhin eine Offensive im Libanon begleitet von massiven Luftschlägen im Süden des Landes und in der Hauptstadt Beirut. Nachdem fast der gesamte Führungskader der Hisbollah ausgelöscht worden war, darunter ihr langjähriger Anführer Hassan Nasrallah, einigten sich die Kriegsparteien im November 2024 auf einen Waffenstillstand.

In seinem Schrein im Süden Beiruts wird der tote Nasrallah wie ein Heiliger verehrt. Menschen berühren die Grabplatte und küssen sie, andere beten in stiller Andacht. Der Sayyid (Anm. d. Red: Ehrentitel für männliche Nachkommen des Propheten Mohammed), wie seine Anhänger:innen ihn respektvoll nennen, führte die Organisation über dreißig Jahre lang. Er trat der Hisbollah in den 1980er-Jahren bei, als diese noch eine Guerillaeinheit im Kampf gegen die israelische Besetzung des Südlibanons war. Unter Nasrallahs Führung ab den 1990ern wuchs die Hisbollah zu einer der militärisch wie politisch mächtigsten Gruppierungen des Libanon heran. „Häuser und Mauern können wir wiederaufbauen“, sagt der Fahrer: „Nasrallah kommt nicht zurück.“

In der schweren Niederlage der Hisbollah sahen ihre politischen Gegner die Gelegenheit, die Dominanz der Schiitenorganisation zu brechen. Der im Jänner 2025 zum Präsidenten ernannte Joseph Aoun versprach, die Hisbollah zu entwaffnen und das Monopol auf militärische Macht an den Staat zurückzugeben.

Präsident Aoun findet mit seinem Plan durchaus Zustimmung. Viele Libanesen geben der Hisbollah die Schuld, das Land immer wieder in sinnlose Kriege mit Israel zu verwickeln. „Krieg ist schlecht für die Wirtschaft“, sagt Wissam, der eine Supermarktkette in Beirut leitet. Der Raketenbeschuss der Hisbollah auf Israel 2023 sei ein Fehler gewesen. Er habe den Angriff Israels auf den Libanon provoziert – mit verheerenden Folgen für die gesamte Bevölkerung, so der Mittfünfziger. Wissam ist daher für die Entwaffnung sämtlicher nicht-staatlicher Gruppen. Doch so sehr er die Hisbollah auch kritisiert, gibt er der Miliz in einer Sache doch Recht: „Von Israel geht Gefahr aus, der Libanon muss sich daher militärisch verteidigen können.“

In einem Beiruter Café erläutert die Politikwissenschaftlerin Erminia Chiara Calabrese die Stimmung in der Bevölkerung: „Man kann für die Entwaffnung der Hisbollah sein........

© Wiener Zeitung