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Politik Backstage: „Wir sind gekommen, um zu bleiben”

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25.01.2025

An das neue Setting im Hohen Haus hat sich das Gros der Beteiligten sichtlich noch nicht gewöhnt. Auf der Regierungsbank sitzt einmal mehr mutterseelenallein der Chef der Steuer-Sektion im Finanzministerium, Gunter Mayr. Der Spitzenbeamte hat nach dem Wechsel von Magnus Brunner als EU-Migrationskommissar nach Brüssel vorübergehend die Führung des Ressorts übernommen. Selbstbewusst und, wenn geboten auch konfliktfreudig verteidigt er den von der blau-schwarzen Budget-Verhandlergruppe gemeinsam mit dem Finanzressort erarbeiteten Konsolidierungsplan für das aus dem Ruder gelaufene Budget 2025. Als etwa Ex-Klimaministerin Leonore Gewessler die Abschaffung des Klimabonus als „Steuererhöhung” geißelt, kontert der Spitzenbeamte knochentrocken, aber bestimmt: Der Klimabonus habe null von einer Steuer und sei eine klassische Förderung, die nun gestrichen wird.

Das Gros von Gewesslers ehemaligen ÖVP-Regierungskolleg:innen verfolgten den Disput zwischen dem Finanzminister und der Ex-Klimaschutzministerin von den ÖVP-Abgeordnetenreihen aus.

Solange keine neue Regierung bestellt ist, bleiben Gerhard Karner, Klaudia Tanner, Norbert Totschnig & Co politische Zwitter: Um politisch & pekuniär auf Nummer sicher zu gehen, legen sie auch nach der Betrauung mit der Weiterführung der Ministergeschäfte durch den Bundespräsidenten ihr Mandat nicht zurück. Nur wenn sie aufgrund der Tagesordnung als Minister gefragt sind, nehmen sie – solange eine neue Regierung nicht steht – in den ersten drei Reihen der ÖVP-Fraktion Platz.

Diesen Dienstag marschieren die schwarz-türkisen Polit-Zwitter bald nach Sitzungsbeginn für knapp zwei Stunden vorübergehend wieder auf der Regierungsbank ein.

Nach dem kompletten Rückzug von Karl Nehammer aus der Politik am Dreikönigswochenende muss Alexander Schallenberg das zweite Mal binnen vier Jahren in den süß-sauren Apfel beißen und sich nun auch dem Parlament für ein paar Wochen als Übergangsregierungschef präsentieren.

Im ÖVP-Drehbuch war noch bis Anfang des Jahres für die erste Parlamentssitzung 2025 ein anderer Hauptakteur vorgesehen: Bis 15. Jänner wollte Karl Nehammer die Dreierkoalition des Landes in trockenen Tüchern haben. Und nach dem Segen durch die Parteigremien und den Bundespräsidenten in der ersten Nationalratssitzung des Jahres am 22. Jänner seine Regierungserklärung als erster Kanzler einer Dreierkoalition abgeben.

Doch am dritten Tag des neuen Jahres ließ Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger via Pressekonferenz den Traum einer Kickl-freien Koalition aus Schwarz-Rot-Pink platzen. Nicht einmal 48 Stunden danach stand auch die ÖVP vom Verhandlungstisch auf.

Seit nunmehr zehn Tagen zimmern Herbert Kickl und Christian Stocker bereits am Projekt der ersten Regierung unter einem blauen Kanzler.

Auf offener Parlamentsbühne liefern sich die Möchtegern-Koalitionäre zwei Wochen nach dem endgültigen Scheitern mehr denn je heftige Wortgefechte, wie und warum der Polit-Dreier nicht flott wurde.

Weil „eine kleine radikale Clique von Großunternehmern und Großindustriellen die Macht in der ÖVP übernommen hat”, poltert SPÖ-Chef Andreas Babler. „Weil Sie nicht bereit waren, politische Verantwortung zu übernehmen”, sucht Neos-Klubvize Nikolaus Scherak in pinker Manier nüchtern zu kontern. „Herr Kollege Babler, ich würde mich in Grund und Boden schämen, wenn ich so viele Unwahrheiten verbreiten würde, wie Sie das gemacht haben”, poltert ÖVP-Klubchef August Wöginger.

Seit Tagen werden Verhandlungsdetails geleakt. Die ÖVP sucht die rote Propaganda vom Putsch der Industriellen und Superreichen in der ÖVP mit Szenen aus den letzten Stunden des schwarzen-roten Ringens um eine Zweier-Koalition mit arschknapper Mehrheit zu entkräften: Im Finale habe Babler plötzlich neue Steuer- und Belastungswünsche in Höhe von drei Milliarden aus dem Hut gezogen.

Die immer schärfer konturierten Schwarz-Weiss-Erzählungen werden – wer sich die Mühe macht, hinter den Kulissen auf Spurensuche zu gehen – um viele Zwischenfarben reicher, das Gesamtbild vielschichtiger.

In einem Befund stimmen erfahrene rote und schwarze Verhandler ohne Wenn und Aber überein. Wann immer bislang im Politik-Geschäft Verhandlungen auf der Kippe stehen, gibt es vor dem endgültigen Aus - meist unter vier Augen - ein Aviso des Ausstiegswilligen. Motto: Unser........

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