Wächter der Pfeifen: Dieser Mann will die Orgel im Osten vor dem Aussterben bewahren
Alle paar Wochen setzt sich Friedrich Drese in sein Auto und fährt mehrere Orgeln in Mecklenburg ab, so wie ein Landarzt seine Patienten besucht. Etwa fünf schafft er an einem Tag. Er sieht sich ihren Zustand an, spricht mit den Angehörigen (den Pastoren oder Organisten), schießt Fotos für sein Verzeichnis und sammelt Informationen. Erst sieht er sich den Spieltisch der Orgel an. Hängen die Tasten durch? Klappt ihn auf, schaut rein: Wie viel Staub ist da? Dann öffnet er die Seitenwand. Alle Pfeifen da? Haben die Mäuse etwas angeknabbert?
Friedrich Drese, 64, hat der Orgel sein ganzes bisheriges Leben gewidmet: Er spielt, seit er zehn ist, hat Orgelbau gelernt und Kirchenmusik studiert. Seit fast 30 Jahren leitet Drese das Orgelmuseum in Malchow an der Mecklenburgische Seenplatte und ist Orgelsachverständiger für die Region. Für ihn ist das Instrument wie ein lebendiges Wesen, das mit ihm interagiert, wenn er die Tasten drückt und die Register zieht. Und nun will er die Orgel vor dem Aussterben bewahren.
Denn wenn er in Mecklenburg seine Patienten abfährt, sieht Drese, was seine Kollegen auch im Rest des Landes beobachten: Viele Orgeln verfallen. Ihr Zustand verschlechtere sich überall, sagt der Verband der Orgelsachverständigen Deutschlands. Wie viele Instrumente genau betroffen sind, kann auch er nicht abschätzen, der Verband beobachtet nur Tendenzen – dass es den Orgeln im Süden noch etwas besser gehe als denen im Norden, den Orgeln im Westen besser als denen im Osten. Um genaue Zahlen zu erfassen, bräuchte es mehr Kümmerer: In manchen Teilen Deutschlands ist es schon so weit, dass Kirchen nur noch ein paarmal im Jahr genutzt werden, ein Pastor für teils 20 Kirchen gleichzeitig zuständig ist. Und so weiß vielerorts niemand so genau, wie es den Orgeln geht.
Das gilt besonders für den Osten. „Die Bevölkerung wurde in der DDR systematisch entkirchlicht“, sagt Drese, als er an einem Mittwochmorgen durch sein Orgelmuseum führt. Die Os und Us in seinen Worten beugen sich leicht zum Ö und Ü, ein Relikt seiner Heimat Sachsen. Die Entkirchlichung habe Auswirkungen bis heute: „Die Menschen gehen an Kirchen vorbei wie ich an Turnhallen“, sagt Drese. „Ich bin nicht sportlich, ich sehe sie kurz aus dem Augenwinkel und vergesse sie gleich wieder, denn sie gehen mich nichts an.“
So weit ist es in Bayern zum Glück noch nicht gekommen. Schon, weil die Kirche im Süden noch einen weitaus wichtigeren Stellenwert hat.. In Bayern gehörten 2024 noch 57 Prozent der Menschen der katholischen oder evangelischen Kirche an, in Mecklenburg-Vorpommern gilt das nur für 16 Prozent. © Südkurier





















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