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Was bleibt von den Mahnungen der Überlebenden?

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23.12.2025

»Man soll die Rechtsradikalen ernst nehmen! Sie meinen, was sie sagen.« Wenn der Auschwitz-Überlebende Leon Weintraub im Interview diese Mahnung geradezu ausruft, werden seine Augen groß, und er richtet den Oberkörper auf. Am 1. Januar feiert der in Stockholm lebende, adrett gekleidete Herr seinen 100. Geburtstag. Er plane nach wie vor zahlreiche Vorträge und Besuche in Deutschland. »Ich möchte junge Menschen aufklären, was das wahre Gesicht eines krankhaften Nationalismus ist, weil ich das am eigenen Körper erlebt habe.« Im kommenden März wird er dafür mit dem Göttinger Friedenspreis ausgezeichnet.

Weintraub ist einer von weltweit laut Jewish Claims Conference noch etwa 220.000 Holocaust-Überlebenden. Die jüngsten sind 78, die ältesten über 100 Jahre alt. Wie kann sich die deutsche Erinnerungskultur an die Herausforderung immer älter werdender Zeitzeugen anpassen? 

Leon Weintraub stammt aus dem polnischen Lodz. Er erinnert sich an eine Kindheit in Armut, nach dem frühen Tod des Vaters getragen von der Wärme der Mutter und seiner vier Schwestern. Der 1. September 1939 wäre der erste Schultag am Gymnasium für den damals 13-Jährigen gewesen - doch es beginnt der Zweite Weltkrieg. Die Nationalsozialisten errichten ein Ghetto, in dem Tausende Juden auf engstem Raum eingezwängt werden. Der quälende Hunger brennt sich tief in Weintraubs Gedächtnis ein: Fünf Jahre, sieben Monate und drei Wochen habe er sich nicht satt essen können.

Im Sommer 1944 wird Leon Weintraub in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Detailliert beschreibt er später in Zeitzeugen-Interviews die Fahrt im Viehwaggon, die Abläufe und den Moment, als der damals 18-Jährige kurz nach der Ankunft seine Mutter........

© Juedische Allgemeine